Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite
Wie kann nun Leidenschaft für dieses Wesen,
Kaum schön, von schwachem Geist, und dürft'gen Gaben,
Halb thöricht und halb stumpf, dich nach sich zieh'n?
Und unerhört; denn, sieh, ich weiß, mein Bruder!
Sie denk't dein nicht.
Otto.
Wer spricht davon? -- Und doch!
Weil sie nicht will, und weil sie's nicht verdien't,
Will ich sie lieben, will mit jedem Reiz
Erfinderisch sie schmücken, mir zur Qual.
Will wissen, ich, warum sie mich verschmäh't?
Den Zauber kennen, den der ekle Thor
Ausüb't, ihr Gatte, über sie; die Kräuter,
Die Sprüche, die ihm ihre Liebe bannen.
Dann komme, was da mag! Wer frägt nach ihr?
Lass', ich will fort!
Königin.
Mein Bruder, höre!
Geh' nicht von mir, du meines Lebens Glück!
Lass' mich allein nicht hier in dieser Wüste,
Wo du der Einz'ge bist, der Einz'ge, der da leb't!
Mein Ich, mein Selbst, mir theurer, als mein Selbst!
Begehre, was du willst, nur bleib' bei mir!
Otto.
Ich kann nicht bleiben, so beschimpf't, entehr't!
Königin.
Man soll genug dir thun. Verweis, Erklärung.
Ich banne sie vom Hof'!

Wie kann nun Leidenſchaft für dieſes Weſen,
Kaum ſchön, von ſchwachem Geiſt, und dürft’gen Gaben,
Halb thöricht und halb ſtumpf, dich nach ſich zieh’n?
Und unerhört; denn, ſieh, ich weiß, mein Bruder!
Sie denk’t dein nicht.
Otto.
Wer ſpricht davon? — Und doch!
Weil ſie nicht will, und weil ſie’s nicht verdien’t,
Will ich ſie lieben, will mit jedem Reiz
Erfinderiſch ſie ſchmücken, mir zur Qual.
Will wiſſen, ich, warum ſie mich verſchmäh’t?
Den Zauber kennen, den der ekle Thor
Ausüb’t, ihr Gatte, über ſie; die Kräuter,
Die Sprüche, die ihm ihre Liebe bannen.
Dann komme, was da mag! Wer frägt nach ihr?
Laſſ’, ich will fort!
Königin.
Mein Bruder, höre!
Geh’ nicht von mir, du meines Lebens Glück!
Laſſ’ mich allein nicht hier in dieſer Wüſte,
Wo du der Einz’ge biſt, der Einz’ge, der da leb’t!
Mein Ich, mein Selbſt, mir theurer, als mein Selbſt!
Begehre, was du willſt, nur bleib’ bei mir!
Otto.
Ich kann nicht bleiben, ſo beſchimpf’t, entehr’t!
Königin.
Man ſoll genug dir thun. Verweis, Erklärung.
Ich banne ſie vom Hof’!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#KOENIGIN">
          <p><pb facs="#f0086" n="78"/>
Wie kann nun Leiden&#x017F;chaft für die&#x017F;es We&#x017F;en,<lb/>
Kaum &#x017F;chön, von &#x017F;chwachem Gei&#x017F;t, und dürft&#x2019;gen Gaben,<lb/>
Halb thöricht und halb &#x017F;tumpf, dich nach &#x017F;ich zieh&#x2019;n?<lb/>
Und unerhört; denn, &#x017F;ieh, ich weiß, mein Bruder!<lb/>
Sie denk&#x2019;t dein nicht.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#OTTO">
          <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker><lb/>
          <p>Wer &#x017F;pricht davon? &#x2014; Und doch!<lb/>
Weil &#x017F;ie nicht will, und weil &#x017F;ie&#x2019;s nicht verdien&#x2019;t,<lb/>
Will ich &#x017F;ie lieben, will mit jedem Reiz<lb/>
Erfinderi&#x017F;ch &#x017F;ie &#x017F;chmücken, mir zur Qual.<lb/>
Will wi&#x017F;&#x017F;en, ich, warum &#x017F;ie mich ver&#x017F;chmäh&#x2019;t?<lb/>
Den Zauber kennen, den der ekle Thor<lb/>
Ausüb&#x2019;t, ihr Gatte, über &#x017F;ie; die Kräuter,<lb/>
Die Sprüche, die ihm ihre Liebe bannen.<lb/>
Dann komme, was da mag! Wer frägt nach ihr?<lb/>
La&#x017F;&#x017F;&#x2019;, ich will fort!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#KOENIGIN">
          <speaker><hi rendition="#g">Königin</hi>.</speaker><lb/>
          <p>Mein Bruder, höre!<lb/>
Geh&#x2019; nicht von mir, du meines Lebens Glück!<lb/>
La&#x017F;&#x017F;&#x2019; mich allein nicht hier in die&#x017F;er Wü&#x017F;te,<lb/>
Wo du der Einz&#x2019;ge bi&#x017F;t, der Einz&#x2019;ge, der da leb&#x2019;t!<lb/>
Mein Ich, mein Selb&#x017F;t, mir theurer, als mein Selb&#x017F;t!<lb/>
Begehre, was du will&#x017F;t, nur bleib&#x2019; bei mir!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#OTTO">
          <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker><lb/>
          <p>Ich kann nicht bleiben, &#x017F;o be&#x017F;chimpf&#x2019;t, entehr&#x2019;t!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#KOENIGIN">
          <speaker><hi rendition="#g">Königin</hi>.</speaker><lb/>
          <p>Man &#x017F;oll genug dir thun. Verweis, Erklärung.<lb/>
Ich banne &#x017F;ie vom Hof&#x2019;!</p>
        </sp><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0086] Wie kann nun Leidenſchaft für dieſes Weſen, Kaum ſchön, von ſchwachem Geiſt, und dürft’gen Gaben, Halb thöricht und halb ſtumpf, dich nach ſich zieh’n? Und unerhört; denn, ſieh, ich weiß, mein Bruder! Sie denk’t dein nicht. Otto. Wer ſpricht davon? — Und doch! Weil ſie nicht will, und weil ſie’s nicht verdien’t, Will ich ſie lieben, will mit jedem Reiz Erfinderiſch ſie ſchmücken, mir zur Qual. Will wiſſen, ich, warum ſie mich verſchmäh’t? Den Zauber kennen, den der ekle Thor Ausüb’t, ihr Gatte, über ſie; die Kräuter, Die Sprüche, die ihm ihre Liebe bannen. Dann komme, was da mag! Wer frägt nach ihr? Laſſ’, ich will fort! Königin. Mein Bruder, höre! Geh’ nicht von mir, du meines Lebens Glück! Laſſ’ mich allein nicht hier in dieſer Wüſte, Wo du der Einz’ge biſt, der Einz’ge, der da leb’t! Mein Ich, mein Selbſt, mir theurer, als mein Selbſt! Begehre, was du willſt, nur bleib’ bei mir! Otto. Ich kann nicht bleiben, ſo beſchimpf’t, entehr’t! Königin. Man ſoll genug dir thun. Verweis, Erklärung. Ich banne ſie vom Hof’!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_diener_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_diener_1830/86
Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_diener_1830/86>, abgerufen am 21.11.2024.