Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.Dritter Auftritt. Sappho. Phaon. Sappho. Siehst du, mein Freund, so lebt nun deine Sappho! Für Wohlthat Dank, für Liebe -- Freundlichkeit, So ward mir's stets im Wechseltausch des Lebens; Ich war zufrieden und bin hoch beglückt, Gibst du auch halb nur wieder das Empfang'ne, Wenn du dich nicht für übervortheilt hältst. -- Ich hab' gelernt verlieren und entbehren! Die beyden Aeltern sanken früh in's Grab, Und die Geschwister, nach so mancher Wunde, Die sie dem treuen Schwesterherzen schlugen, Theils Schicksals-Laune, und theils eigne Schuld Stieß früh sie schon zum Acheron hinunter. Ich weiß, wie Undank brennt, wie Falschheit martert, Der Freundschaft und der -- Liebe Täuschungen Hab' ich in diesem Busen schon empfunden; Ich hab' gelernt verlieren und entbehren! Nur ein's verlieren könnt' ich wahrlich nicht, Dich, Phaon, deine Freundschaft, deine Liebe. D'rum, mein Geliebter, prüfe dich! Du kennst noch nicht die Unermeßlichkeit, Die auf und nieder wogt in dieser Brust. O laß mich's nie, Geliebter, nie erfahren, Dritter Auftritt. Sappho. Phaon. Sappho. Siehſt du, mein Freund, ſo lebt nun deine Sappho! Für Wohlthat Dank, für Liebe — Freundlichkeit, So ward mir's ſtets im Wechſeltauſch des Lebens; Ich war zufrieden und bin hoch beglückt, Gibſt du auch halb nur wieder das Empfang'ne, Wenn du dich nicht für übervortheilt hältſt. — Ich hab' gelernt verlieren und entbehren! Die beyden Aeltern ſanken früh in's Grab, Und die Geſchwiſter, nach ſo mancher Wunde, Die ſie dem treuen Schweſterherzen ſchlugen, Theils Schickſals-Laune, und theils eigne Schuld Stieß früh ſie ſchon zum Acheron hinunter. Ich weiß, wie Undank brennt, wie Falſchheit martert, Der Freundſchaft und der — Liebe Täuſchungen Hab' ich in dieſem Buſen ſchon empfunden; Ich hab' gelernt verlieren und entbehren! Nur ein's verlieren könnt' ich wahrlich nicht, Dich, Phaon, deine Freundſchaft, deine Liebe. D'rum, mein Geliebter, prüfe dich! Du kennſt noch nicht die Unermeßlichkeit, Die auf und nieder wogt in dieſer Bruſt. O laß mich's nie, Geliebter, nie erfahren, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0020" n="10"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Dritter Auftritt</hi>.</head><lb/> <castList> <castItem> <role><hi rendition="#g">Sappho</hi>.</role> <role><hi rendition="#g">Phaon</hi>.</role> </castItem> </castList><lb/> <sp who="#SAP"> <speaker><hi rendition="#g">Sappho</hi>.</speaker><lb/> <p>Siehſt du, mein Freund, ſo lebt nun deine Sappho!<lb/> Für Wohlthat Dank, für Liebe — Freundlichkeit,<lb/> So ward mir's ſtets im Wechſeltauſch des Lebens;<lb/> Ich war zufrieden und bin hoch beglückt,<lb/> Gibſt du auch halb nur wieder das Empfang'ne,<lb/> Wenn du dich nicht für übervortheilt hältſt. —<lb/> Ich hab' gelernt verlieren und entbehren!<lb/> Die beyden Aeltern ſanken früh in's Grab,<lb/> Und die Geſchwiſter, nach ſo mancher Wunde,<lb/> Die ſie dem treuen Schweſterherzen ſchlugen,<lb/> Theils Schickſals-Laune, und theils eigne Schuld<lb/> Stieß früh ſie ſchon zum Acheron hinunter.<lb/> Ich weiß, wie Undank brennt, wie Falſchheit martert,<lb/> Der Freundſchaft und der — Liebe Täuſchungen<lb/> Hab' ich in dieſem Buſen ſchon empfunden;<lb/> Ich hab' gelernt verlieren und entbehren!<lb/> Nur ein's verlieren könnt' ich wahrlich nicht,<lb/> Dich, Phaon, deine Freundſchaft, deine Liebe.<lb/> D'rum, mein Geliebter, prüfe dich!<lb/> Du kennſt noch nicht die Unermeßlichkeit,<lb/> Die auf und nieder wogt in dieſer Bruſt.<lb/> O laß mich's nie, Geliebter, nie erfahren,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0020]
Dritter Auftritt.
Sappho. Phaon.
Sappho.
Siehſt du, mein Freund, ſo lebt nun deine Sappho!
Für Wohlthat Dank, für Liebe — Freundlichkeit,
So ward mir's ſtets im Wechſeltauſch des Lebens;
Ich war zufrieden und bin hoch beglückt,
Gibſt du auch halb nur wieder das Empfang'ne,
Wenn du dich nicht für übervortheilt hältſt. —
Ich hab' gelernt verlieren und entbehren!
Die beyden Aeltern ſanken früh in's Grab,
Und die Geſchwiſter, nach ſo mancher Wunde,
Die ſie dem treuen Schweſterherzen ſchlugen,
Theils Schickſals-Laune, und theils eigne Schuld
Stieß früh ſie ſchon zum Acheron hinunter.
Ich weiß, wie Undank brennt, wie Falſchheit martert,
Der Freundſchaft und der — Liebe Täuſchungen
Hab' ich in dieſem Buſen ſchon empfunden;
Ich hab' gelernt verlieren und entbehren!
Nur ein's verlieren könnt' ich wahrlich nicht,
Dich, Phaon, deine Freundſchaft, deine Liebe.
D'rum, mein Geliebter, prüfe dich!
Du kennſt noch nicht die Unermeßlichkeit,
Die auf und nieder wogt in dieſer Bruſt.
O laß mich's nie, Geliebter, nie erfahren,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |