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Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ich verdoppelte meine Schritte, und, siehe da! der Gegenstand meiner Neugier stand, aus Leibeskräften spielend, im Kreise einiger Knaben, die ungeduldig einen Walzer von ihm verlangten. Einen Walzer spiel! riefen sie; einen Walzer, hörst du nicht? Der Alte geigte fort, scheinbar ohne auf sie zu achten, bis ihn die kleine Zuhörerschaar schmähend und spottend verließ, sich um einen Leiermann sammelnd, der seine Drehorgel in der Nähe aufgestellt hatte.

Sie wollen nicht tanzen, sagte wie betrübt der alte Mann, sein Musikgeräthe zusammenlesend. Ich war ganz nahe zu ihm getreten. Die Kinder kennen eben keinen andern Tanz, als den Walzer, sagte ich. Ich spielte einen Walzer, versetzte er, mit dem Geigenbogen den Ort des soeben gespielten Stückes auf seinem Notenblatte bezeichnend.

Man muß derlei auch führen, der Menge wegen. Aber die Kinder haben kein Ohr, sagte er, indem er wehmüthig den Kopf schüttelte. -- Lassen Sie mich wenigstens ihren Undank wieder gut machen, sprach ich, ein Silberstück aus der Tasche ziehend und ihm hinreichend. -- Bitte! bitte! rief der alte Mann, wobei er mit beiden Händen ängstlich abwehrende Bewegungen machte, in den Hut! in den Hut! -- Ich legte das Geldstück in den vor ihm stehenden Hut, aus dem es unmittelbar darauf der Alte herausnahm und ganz zufrieden einsteckte; das heißt einmal mit reichem Gewinn nach Hause gehen, sagte er schmunzelnd. -- Eben recht,

Ich verdoppelte meine Schritte, und, siehe da! der Gegenstand meiner Neugier stand, aus Leibeskräften spielend, im Kreise einiger Knaben, die ungeduldig einen Walzer von ihm verlangten. Einen Walzer spiel! riefen sie; einen Walzer, hörst du nicht? Der Alte geigte fort, scheinbar ohne auf sie zu achten, bis ihn die kleine Zuhörerschaar schmähend und spottend verließ, sich um einen Leiermann sammelnd, der seine Drehorgel in der Nähe aufgestellt hatte.

Sie wollen nicht tanzen, sagte wie betrübt der alte Mann, sein Musikgeräthe zusammenlesend. Ich war ganz nahe zu ihm getreten. Die Kinder kennen eben keinen andern Tanz, als den Walzer, sagte ich. Ich spielte einen Walzer, versetzte er, mit dem Geigenbogen den Ort des soeben gespielten Stückes auf seinem Notenblatte bezeichnend.

Man muß derlei auch führen, der Menge wegen. Aber die Kinder haben kein Ohr, sagte er, indem er wehmüthig den Kopf schüttelte. — Lassen Sie mich wenigstens ihren Undank wieder gut machen, sprach ich, ein Silberstück aus der Tasche ziehend und ihm hinreichend. — Bitte! bitte! rief der alte Mann, wobei er mit beiden Händen ängstlich abwehrende Bewegungen machte, in den Hut! in den Hut! — Ich legte das Geldstück in den vor ihm stehenden Hut, aus dem es unmittelbar darauf der Alte herausnahm und ganz zufrieden einsteckte; das heißt einmal mit reichem Gewinn nach Hause gehen, sagte er schmunzelnd. — Eben recht,

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:14:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:14:44Z)

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Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910/15>, abgerufen am 28.04.2024.