Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

klang ihr: Guten Abend! beinahe wie ein Gott sei Dank!

Aber ich kam wieder und wieder, und sie gab allmählich nach. Nicht als ob ich ihr irgend etwas zu Dank gemacht hätte. Sie schalt und tadelte mich unaufhörlich. Alles war ungeschickt; Gott hatte mir zwei linke Hände erschaffen; mein Rock saß wie an einer Vogelscheuche; ich ging wie die Enten, mit einer Anmahnung an den Haushahn. Besonders zuwider war ihr meine Höflichkeit gegen die Kunden. Da ich nämlich bis zur Eröffnung der Copiranstalt ohne Beschäftigung war, und überlegte, daß ich dort mit dem Publikum zu thun haben würde, so nahm ich, als Vorübung, an dem Kleinverkauf im Grieslergewölbe thätigen Antheil, was mich oft halbe Tage lang festhielt. Ich wog Gewürz ab, zählte den Knaben Nüsse und Welkpflaumen zu, gab klein Geld heraus; letzteres nicht ohne häufige Irrungen, wo denn immer Barbara dazwischen fuhr, gewaltthätig wegnahm, was ich eben in den Händen hielt, und mich vor den Kunden verlachte und verspottete. Machte ich einem der Käufer einen Bückling oder empfahl mich ihnen, so sagte sie barsch, ehe die Leute noch zur Thüre hinaus waren: Die Waare empfiehlt! und kehrte mir den Rücken. Manchmal aber wieder war sie ganz Güte. Sie hörte mir zu, wenn ich erzählte, was in der Stadt vorging; aus meinen Kinderjahren; von dem Beamtenwesen in der Kanzlei, wo wir uns zuerst kennen gelernt. Dabei ließ sie mich aber immer allein

klang ihr: Guten Abend! beinahe wie ein Gott sei Dank!

Aber ich kam wieder und wieder, und sie gab allmählich nach. Nicht als ob ich ihr irgend etwas zu Dank gemacht hätte. Sie schalt und tadelte mich unaufhörlich. Alles war ungeschickt; Gott hatte mir zwei linke Hände erschaffen; mein Rock saß wie an einer Vogelscheuche; ich ging wie die Enten, mit einer Anmahnung an den Haushahn. Besonders zuwider war ihr meine Höflichkeit gegen die Kunden. Da ich nämlich bis zur Eröffnung der Copiranstalt ohne Beschäftigung war, und überlegte, daß ich dort mit dem Publikum zu thun haben würde, so nahm ich, als Vorübung, an dem Kleinverkauf im Grieslergewölbe thätigen Antheil, was mich oft halbe Tage lang festhielt. Ich wog Gewürz ab, zählte den Knaben Nüsse und Welkpflaumen zu, gab klein Geld heraus; letzteres nicht ohne häufige Irrungen, wo denn immer Barbara dazwischen fuhr, gewaltthätig wegnahm, was ich eben in den Händen hielt, und mich vor den Kunden verlachte und verspottete. Machte ich einem der Käufer einen Bückling oder empfahl mich ihnen, so sagte sie barsch, ehe die Leute noch zur Thüre hinaus waren: Die Waare empfiehlt! und kehrte mir den Rücken. Manchmal aber wieder war sie ganz Güte. Sie hörte mir zu, wenn ich erzählte, was in der Stadt vorging; aus meinen Kinderjahren; von dem Beamtenwesen in der Kanzlei, wo wir uns zuerst kennen gelernt. Dabei ließ sie mich aber immer allein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0052"/>
klang ihr: Guten Abend! beinahe wie ein Gott                sei Dank!</p><lb/>
        <p>Aber ich kam wieder und wieder, und sie gab allmählich nach. Nicht als ob ich ihr                irgend etwas zu Dank gemacht hätte. Sie schalt und tadelte mich unaufhörlich. Alles                war ungeschickt; Gott hatte mir zwei linke Hände erschaffen; mein Rock saß wie an                einer Vogelscheuche; ich ging wie die Enten, mit einer Anmahnung an den Haushahn.                Besonders zuwider war ihr meine Höflichkeit gegen die Kunden. Da ich nämlich bis zur                Eröffnung der Copiranstalt ohne Beschäftigung war, und überlegte, daß ich dort mit                dem Publikum zu thun haben würde, so nahm ich, als Vorübung, an dem Kleinverkauf im                Grieslergewölbe thätigen Antheil, was mich oft halbe Tage lang festhielt. Ich wog                Gewürz ab, zählte den Knaben Nüsse und Welkpflaumen zu, gab klein Geld heraus;                letzteres nicht ohne häufige Irrungen, wo denn immer Barbara dazwischen fuhr,                gewaltthätig wegnahm, was ich eben in den Händen hielt, und mich vor den Kunden                verlachte und verspottete. Machte ich einem der Käufer einen Bückling oder empfahl                mich ihnen, so sagte sie barsch, ehe die Leute noch zur Thüre hinaus waren: Die Waare                empfiehlt! und kehrte mir den Rücken. Manchmal aber wieder war sie ganz Güte. Sie                hörte mir zu, wenn ich erzählte, was in der Stadt vorging; aus meinen Kinderjahren;                von dem Beamtenwesen in der Kanzlei, wo wir uns zuerst kennen gelernt. Dabei ließ sie                mich aber immer allein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0052] klang ihr: Guten Abend! beinahe wie ein Gott sei Dank! Aber ich kam wieder und wieder, und sie gab allmählich nach. Nicht als ob ich ihr irgend etwas zu Dank gemacht hätte. Sie schalt und tadelte mich unaufhörlich. Alles war ungeschickt; Gott hatte mir zwei linke Hände erschaffen; mein Rock saß wie an einer Vogelscheuche; ich ging wie die Enten, mit einer Anmahnung an den Haushahn. Besonders zuwider war ihr meine Höflichkeit gegen die Kunden. Da ich nämlich bis zur Eröffnung der Copiranstalt ohne Beschäftigung war, und überlegte, daß ich dort mit dem Publikum zu thun haben würde, so nahm ich, als Vorübung, an dem Kleinverkauf im Grieslergewölbe thätigen Antheil, was mich oft halbe Tage lang festhielt. Ich wog Gewürz ab, zählte den Knaben Nüsse und Welkpflaumen zu, gab klein Geld heraus; letzteres nicht ohne häufige Irrungen, wo denn immer Barbara dazwischen fuhr, gewaltthätig wegnahm, was ich eben in den Händen hielt, und mich vor den Kunden verlachte und verspottete. Machte ich einem der Käufer einen Bückling oder empfahl mich ihnen, so sagte sie barsch, ehe die Leute noch zur Thüre hinaus waren: Die Waare empfiehlt! und kehrte mir den Rücken. Manchmal aber wieder war sie ganz Güte. Sie hörte mir zu, wenn ich erzählte, was in der Stadt vorging; aus meinen Kinderjahren; von dem Beamtenwesen in der Kanzlei, wo wir uns zuerst kennen gelernt. Dabei ließ sie mich aber immer allein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:14:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:14:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910/52
Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910/52>, abgerufen am 13.05.2024.