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Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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So kam das Geleite zum Friedhof. Das Grab war geöffnet. Die Kinder warfen die erste Handvoll Erde hinab. Der Mann that stehend dasselbe. Die Frau kniete und hielt ihr Buch nahe an die Augen. Die Todtengräber vollendeten ihr Geschäft, und der Zug, halb ausgelöst, kehrte zurück. An der Thüre gab es noch einen kleinen Wortwechsel, da die Frau eine Forderung des Leichenbesorgers offenbar zu hoch fand. Die Begleiter zerstreuten sich nach allen Richtungen. Der alte Spielmann war begraben.

Ein Paar Tage darauf -- es war ein Sonntag -- ging ich, von meiner psychologischen Neugierde getrieben, in die Wohnung des Fleischers und nahm zum Vorwände, daß ich die Geige des Alten als Andenken zu besitzen wünschte. Ich fand die Familie beisammen ohne Spur eines zurückgebliebenen besonderen Eindrucks. Doch hing die Geige mit einer Art Symmetrie geordnet neben dem Spiegel einem Krucifix gegenüber an der Wand. Als ich mein Anliegen erklärte und einen verhältnißmäßig hohen Preis anbot, schien der Mann nicht abgeneigt, ein vortheilhaftes Geschäft zu machen. Die Frau aber fuhr vom Stuhle empor und sagte: Warum nicht gar! Die Geige gehört unserem Jakob, und auf ein Paar Gulden mehr oder weniger kommt es uns nicht an! Dabei nahm sie das Instrument von der Wand, besah es von allen Seiten, blies den Staub herab und legte es in die Schublade, die sie, wie einen Raub befürchtend, heftig zustieß und abschloß. Ihr Gesicht war

So kam das Geleite zum Friedhof. Das Grab war geöffnet. Die Kinder warfen die erste Handvoll Erde hinab. Der Mann that stehend dasselbe. Die Frau kniete und hielt ihr Buch nahe an die Augen. Die Todtengräber vollendeten ihr Geschäft, und der Zug, halb ausgelöst, kehrte zurück. An der Thüre gab es noch einen kleinen Wortwechsel, da die Frau eine Forderung des Leichenbesorgers offenbar zu hoch fand. Die Begleiter zerstreuten sich nach allen Richtungen. Der alte Spielmann war begraben.

Ein Paar Tage darauf — es war ein Sonntag — ging ich, von meiner psychologischen Neugierde getrieben, in die Wohnung des Fleischers und nahm zum Vorwände, daß ich die Geige des Alten als Andenken zu besitzen wünschte. Ich fand die Familie beisammen ohne Spur eines zurückgebliebenen besonderen Eindrucks. Doch hing die Geige mit einer Art Symmetrie geordnet neben dem Spiegel einem Krucifix gegenüber an der Wand. Als ich mein Anliegen erklärte und einen verhältnißmäßig hohen Preis anbot, schien der Mann nicht abgeneigt, ein vortheilhaftes Geschäft zu machen. Die Frau aber fuhr vom Stuhle empor und sagte: Warum nicht gar! Die Geige gehört unserem Jakob, und auf ein Paar Gulden mehr oder weniger kommt es uns nicht an! Dabei nahm sie das Instrument von der Wand, besah es von allen Seiten, blies den Staub herab und legte es in die Schublade, die sie, wie einen Raub befürchtend, heftig zustieß und abschloß. Ihr Gesicht war

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[0071] So kam das Geleite zum Friedhof. Das Grab war geöffnet. Die Kinder warfen die erste Handvoll Erde hinab. Der Mann that stehend dasselbe. Die Frau kniete und hielt ihr Buch nahe an die Augen. Die Todtengräber vollendeten ihr Geschäft, und der Zug, halb ausgelöst, kehrte zurück. An der Thüre gab es noch einen kleinen Wortwechsel, da die Frau eine Forderung des Leichenbesorgers offenbar zu hoch fand. Die Begleiter zerstreuten sich nach allen Richtungen. Der alte Spielmann war begraben. Ein Paar Tage darauf — es war ein Sonntag — ging ich, von meiner psychologischen Neugierde getrieben, in die Wohnung des Fleischers und nahm zum Vorwände, daß ich die Geige des Alten als Andenken zu besitzen wünschte. Ich fand die Familie beisammen ohne Spur eines zurückgebliebenen besonderen Eindrucks. Doch hing die Geige mit einer Art Symmetrie geordnet neben dem Spiegel einem Krucifix gegenüber an der Wand. Als ich mein Anliegen erklärte und einen verhältnißmäßig hohen Preis anbot, schien der Mann nicht abgeneigt, ein vortheilhaftes Geschäft zu machen. Die Frau aber fuhr vom Stuhle empor und sagte: Warum nicht gar! Die Geige gehört unserem Jakob, und auf ein Paar Gulden mehr oder weniger kommt es uns nicht an! Dabei nahm sie das Instrument von der Wand, besah es von allen Seiten, blies den Staub herab und legte es in die Schublade, die sie, wie einen Raub befürchtend, heftig zustieß und abschloß. Ihr Gesicht war

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:14:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910/71>, abgerufen am 23.11.2024.