Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.II. allgemeine vergleichung der conjugation. kepazer?) gebez gelautet haben. Die schreibung -tsin gebts, habts drückt folglich den zet-laut aus, kein tß und ich trete Schmellers ansicht, welcher §. 910. statt der dualflexion ein der pluralendung -t suffigier- tes pronomen annimmt, nicht bei. Ein suffixum -s für II. pl. ist aus keiner deutschen mundart zu bewei- sen und daß einige volksdialecte bei vorstehendem eß, ös die pluralform -t setzen (z. b. eß lebt; andere aber: eß lebts) verschlägt nichts. 5) die goth. passivflexion (s. 855.) beruht wie es scheint wesentlich auf der activflexion angehängten vocalen (ind. -a, conj. -au) keine person geht consonantisch aus, jede hat aber zwei vocale, einen vor, einen nach dem cons. Der vorstehende vocal lautet durchgängig im ind. a, im conj. ai, zu welchen sich der ablei- tungavoc. schwacher form wie im activum verhält. Den verfall der passivflexion bezeugt a) ein gänzlicher mangel des praet. b) die einförmigkeit der vorstehen- den vocale, a und ai, da im praes. act. a und i, au und ai gelten. g) die einförmigkeit der consonanzen: I und III. fallen überall zusammen, im pl. sogar I. II. III.; das -aza, aizau der II. sg. scheint aus II. sg. act. -is, -ais zu erwachsen; -ada, -aidau aus III. sg. act. -ith, -aith (welches frühere -aith als III. sg. conj. durch -aidau offenbar bewiesen wird); -anda, -aindau aus III. pl. act. -and. Die form der dritten person hat sich auch in die erste sg., in die beiden ersten pl. ge- drängt; galt wohl fur I. sg. ein älteres -ama (hai- tama, vocor) pl. -amsa (haitamsa, vocamur) für II. pl. -ada (haitada, vocamini und dann in III. sg. hai- tida vocatur)? Parallelen zur unorg. gleichheit der drei plur. pers. geben der alt- und angels. pl. praes. und praet. activi ab, zu der von I. III. sg. der ein- förmige sg. des schwed. oder dän. act. -- In keiner andern mundart vermag ich das goth. pass. sicher nachzuweisen; villada gl. doc. 210b (flagellatur?) steht zu einzeln, sollte auch alth. eigentlich villata heißen; auffallend ist naßara (pluitur) gl. zwetl. 128b von na- ßen (madere)? vielleicht naßata? denn -ara könnte nur der zweiten pers. (goth. -aza) zukommen; beide lesarten sind verdächtig und die ältesten übersetzungen (J. K.) lösen jedes lat. pass. in umschreibung auf. 6) unsere sprache entbehrt einer flexion für das futurum (s. 835.); Ulphilas trägt das griech. fut. durch das II. allgemeine vergleichung der conjugation. këpazêr?) gëbez gelautet haben. Die ſchreibung -tsin gêbts, hâbts drückt folglich den zet-laut aus, kein tß und ich trete Schmellers anſicht, welcher §. 910. ſtatt der dualflexion ein der pluralendung -t ſuffigier- tes pronomen annimmt, nicht bei. Ein ſuffixum -s für II. pl. iſt aus keiner deutſchen mundart zu bewei- ſen und daß einige volksdialecte bei vorſtehendem eß, ös die pluralform -t ſetzen (z. b. eß lêbt; andere aber: eß lêbts) verſchlägt nichts. 5) die goth. paſſivflexion (ſ. 855.) beruht wie es ſcheint weſentlich auf der activflexion angehängten vocalen (ind. -a, conj. -áu) keine perſon geht conſonantiſch aus, jede hat aber zwei vocale, einen vor, einen nach dem conſ. Der vorſtehende vocal lautet durchgängig im ind. a, im conj. ái, zu welchen ſich der ablei- tungavoc. ſchwacher form wie im activum verhält. Den verfall der paſſivflexion bezeugt α) ein gänzlicher mangel des praet. β) die einförmigkeit der vorſtehen- den vocale, a und ái, da im praeſ. act. a und i, áu und ái gelten. γ) die einförmigkeit der conſonanzen: I und III. fallen überall zuſammen, im pl. ſogar I. II. III.; das -aza, áizáu der II. ſg. ſcheint aus II. ſg. act. -is, -áis zu erwachſen; -ada, -áidáu aus III. ſg. act. -iþ, -áiþ (welches frühere -áiþ als III. ſg. conj. durch -áidáu offenbar bewieſen wird); -anda, -áindáu aus III. pl. act. -and. Die form der dritten perſon hat ſich auch in die erſte ſg., in die beiden erſten pl. ge- drängt; galt wohl fur I. ſg. ein älteres -ama (hái- tama, vocor) pl. -amſa (háitamſa, vocamur) für II. pl. -ada (háitada, vocamini und dann in III. ſg. hái- tida vocatur)? Parallelen zur unorg. gleichheit der drei plur. perſ. geben der alt- und angelſ. pl. praeſ. und praet. activi ab, zu der von I. III. ſg. der ein- förmige ſg. des ſchwed. oder dän. act. — In keiner andern mundart vermag ich das goth. paſſ. ſicher nachzuweiſen; villada gl. doc. 210b (flagellatur?) ſteht zu einzeln, ſollte auch alth. eigentlich villata heißen; auffallend iſt naƷara (pluitur) gl. zwetl. 128b von na- Ʒên (madere)? vielleicht naƷata? denn -ara könnte nur der zweiten perſ. (goth. -aza) zukommen; beide leſarten ſind verdächtig und die älteſten überſetzungen (J. K.) löſen jedes lat. paſſ. in umſchreibung auf. 6) unſere ſprache entbehrt einer flexion für das futurum (ſ. 835.); Ulphilas trägt das griech. fut. durch das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item><pb facs="#f1076" n="1050"/><fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">allgemeine vergleichung der conjugation.</hi></fw><lb/> këpazêr?) gëbez gelautet haben. Die ſchreibung -ts<lb/> in gêbts, hâbts drückt folglich den zet-laut aus, kein<lb/> tß und ich trete Schmellers anſicht, welcher §. 910.<lb/> ſtatt der dualflexion ein der pluralendung -t ſuffigier-<lb/> tes pronomen annimmt, nicht bei. Ein ſuffixum -s<lb/> für II. pl. iſt aus keiner deutſchen mundart zu bewei-<lb/> ſen und daß einige volksdialecte bei vorſtehendem <hi rendition="#i">eß</hi>,<lb/> ös die pluralform -t ſetzen (z. b. eß lêbt; andere<lb/> aber: eß lêbts) verſchlägt nichts.</item><lb/> <item>5) die goth. <hi rendition="#i">paſſivflexion</hi> (ſ. 855.) beruht wie es ſcheint<lb/> weſentlich auf der activflexion angehängten vocalen<lb/> (ind. <hi rendition="#i">-a</hi>, conj. <hi rendition="#i">-áu</hi>) keine perſon geht conſonantiſch<lb/> aus, jede hat aber zwei vocale, einen vor, einen nach<lb/> dem conſ. Der vorſtehende vocal lautet durchgängig<lb/> im ind. <hi rendition="#i">a</hi>, im conj. <hi rendition="#i">ái</hi>, zu welchen ſich der ablei-<lb/> tungavoc. ſchwacher form wie im activum verhält.<lb/> Den verfall der paſſivflexion bezeugt <hi rendition="#i">α</hi>) ein gänzlicher<lb/> mangel des praet. <hi rendition="#i">β</hi>) die einförmigkeit der vorſtehen-<lb/> den vocale, a und ái, da im praeſ. act. a und i, áu<lb/> und ái gelten. <hi rendition="#i">γ</hi>) die einförmigkeit der conſonanzen:<lb/> I und III. fallen überall zuſammen, im pl. ſogar I. II.<lb/> III.; das -aza, áizáu der II. ſg. ſcheint aus II. ſg. act.<lb/> -is, -áis zu erwachſen; -ada, -áidáu aus III. ſg. act.<lb/> -iþ, -áiþ (welches frühere -áiþ als III. ſg. conj. durch<lb/> -áidáu offenbar bewieſen wird); -anda, -áindáu aus<lb/> III. pl. act. -and. Die form der dritten perſon hat<lb/> ſich auch in die erſte ſg., in die beiden erſten pl. ge-<lb/> drängt; galt wohl fur I. ſg. ein älteres -ama (hái-<lb/> tama, vocor) pl. -amſa (háitamſa, vocamur) für II.<lb/> pl. -ada (háitada, vocamini und dann in III. ſg. hái-<lb/> tida vocatur)? Parallelen zur unorg. gleichheit der<lb/> drei plur. perſ. geben der alt- und angelſ. pl. praeſ.<lb/> und praet. activi ab, zu der von I. III. ſg. der ein-<lb/> förmige ſg. des ſchwed. oder dän. act. — In keiner<lb/> andern mundart vermag ich das goth. paſſ. ſicher<lb/> nachzuweiſen; <hi rendition="#i">villada</hi> gl. doc. 210<hi rendition="#sup">b</hi> (flagellatur?) ſteht<lb/> zu einzeln, ſollte auch alth. eigentlich villata heißen;<lb/> auffallend iſt <hi rendition="#i">naƷara</hi> (pluitur) gl. zwetl. 128<hi rendition="#sup">b</hi> von na-<lb/> Ʒên (madere)? vielleicht naƷata? denn -ara könnte<lb/> nur der zweiten perſ. (goth. -aza) zukommen; beide<lb/> leſarten ſind verdächtig und die älteſten überſetzungen<lb/> (J. K.) löſen jedes lat. paſſ. in umſchreibung auf.</item><lb/> <item>6) unſere ſprache entbehrt einer flexion für das <hi rendition="#i">futurum</hi><lb/> (ſ. 835.); Ulphilas trägt das griech. fut. durch das<lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1050/1076]
II. allgemeine vergleichung der conjugation.
këpazêr?) gëbez gelautet haben. Die ſchreibung -ts
in gêbts, hâbts drückt folglich den zet-laut aus, kein
tß und ich trete Schmellers anſicht, welcher §. 910.
ſtatt der dualflexion ein der pluralendung -t ſuffigier-
tes pronomen annimmt, nicht bei. Ein ſuffixum -s
für II. pl. iſt aus keiner deutſchen mundart zu bewei-
ſen und daß einige volksdialecte bei vorſtehendem eß,
ös die pluralform -t ſetzen (z. b. eß lêbt; andere
aber: eß lêbts) verſchlägt nichts.
5) die goth. paſſivflexion (ſ. 855.) beruht wie es ſcheint
weſentlich auf der activflexion angehängten vocalen
(ind. -a, conj. -áu) keine perſon geht conſonantiſch
aus, jede hat aber zwei vocale, einen vor, einen nach
dem conſ. Der vorſtehende vocal lautet durchgängig
im ind. a, im conj. ái, zu welchen ſich der ablei-
tungavoc. ſchwacher form wie im activum verhält.
Den verfall der paſſivflexion bezeugt α) ein gänzlicher
mangel des praet. β) die einförmigkeit der vorſtehen-
den vocale, a und ái, da im praeſ. act. a und i, áu
und ái gelten. γ) die einförmigkeit der conſonanzen:
I und III. fallen überall zuſammen, im pl. ſogar I. II.
III.; das -aza, áizáu der II. ſg. ſcheint aus II. ſg. act.
-is, -áis zu erwachſen; -ada, -áidáu aus III. ſg. act.
-iþ, -áiþ (welches frühere -áiþ als III. ſg. conj. durch
-áidáu offenbar bewieſen wird); -anda, -áindáu aus
III. pl. act. -and. Die form der dritten perſon hat
ſich auch in die erſte ſg., in die beiden erſten pl. ge-
drängt; galt wohl fur I. ſg. ein älteres -ama (hái-
tama, vocor) pl. -amſa (háitamſa, vocamur) für II.
pl. -ada (háitada, vocamini und dann in III. ſg. hái-
tida vocatur)? Parallelen zur unorg. gleichheit der
drei plur. perſ. geben der alt- und angelſ. pl. praeſ.
und praet. activi ab, zu der von I. III. ſg. der ein-
förmige ſg. des ſchwed. oder dän. act. — In keiner
andern mundart vermag ich das goth. paſſ. ſicher
nachzuweiſen; villada gl. doc. 210b (flagellatur?) ſteht
zu einzeln, ſollte auch alth. eigentlich villata heißen;
auffallend iſt naƷara (pluitur) gl. zwetl. 128b von na-
Ʒên (madere)? vielleicht naƷata? denn -ara könnte
nur der zweiten perſ. (goth. -aza) zukommen; beide
leſarten ſind verdächtig und die älteſten überſetzungen
(J. K.) löſen jedes lat. paſſ. in umſchreibung auf.
6) unſere ſprache entbehrt einer flexion für das futurum
(ſ. 835.); Ulphilas trägt das griech. fut. durch das
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |