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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. allgemeine vergleichung der conjugation.
fort (vlaht, vluhtun), viele andere griechische haben
es aber im praes. als: tupto, pitto, Rapto etc. Die
siebente und neunte ind. conj, fügt der wurzel n und
na ein, z. b. runadhmi (circumscribo) rundhmas (cir-
cumscribimus) sternati etc. von den wurzeln rudh, ster,
womit sterno, stravi und unser streuen zu vergleichen ist;
gerade so verhalten sich spirn und sporo (s. 1038.);
temno, tamo (temno, temsi) spendo, speiso; findo,
fidi; fundo, fudi; tango, tetigi (goth. teka, taitok);
frango, fregi (brika, brak) etc. und vermuthlich ist
im deutschen binda, standa, gagga etc. der nasallaut
unwurzelhaft, folglich in den altn. praet. batt, stod,
geck etc. weniger ausgestoßen, als unvorhanden; fintha,
vindu wäre buchstäblich das lat. peto (auch der sinn trifft
sich in der bedeutung convenire, suchen; die wörter
peto und bidja, alth pittu berühren sich nicht). Selbst
das -d muß der wurzel standu abgesprochen werden,
wie das alth. praes. stam, das lat. sto, slav. stoju leh-
ren; die erweiterte form stanu drückt ein altslav. fu-
turum aus (Dobrowsk. p. 375.). --
5) fragt es sich nach der anwendung des unterschieds
starker und schwacher form auf die fremden sprachen,
so muß er etwas anders als im deutschen gesaßt wer-
den. Goth. redupl. gebührt nur der starken conj.,
nie der schwachen; die lat. redupl. ist meistens zei-
chen starker conj. (und momordi, totondi ließe sich
auf ein früheres mordo, tondo st. mordeo, tondeo be-
ziehen); die griech. hingegen reicht durchs ganze ver-
bum und steht auch allen ableitungen mit e, a, o zu,
welche den deutschen schwachformigen ableitungen
mit i, o, ai antworten. Auf analoge weise durch-
dringt das bildungsmittel -s, das sich im lat. auf starke,
unabgeleitete verba einschränkt, wiederum die ganze
griech. conj., ein poieso, timeso, misthoso wäre un-
lateinisch, ein pepoieka, tetimeka, memisthoka unlatei-
nisch und undeutsch. Doch der ablaut, folglich das
zweite praet. und der zweite aorist scheint nur griech.
starker form eigen, schwacher entzogen (Buttm. p. 412.
426.) d. h. die formen etimon, ephilon, tetima, pephila,
wiewohl in vielen sprachlehren aufgestellt. sind un-
griechisch. Hieraus ergibt sich. daß der begriff schwa-
cher conj. in die beschränkung, welche abgeleitete
verba erfahren, zu setzen. die besonderheit dieser be-
schränkung aber für jede sprache eigens auszumitteln
sey. Nach historischer abstufung scheinen sich die
II. allgemeine vergleichung der conjugation.
fort (vlaht, vluhtun), viele andere griechiſche haben
es aber im praeſ. als: τύπτω, πίττω, ῥάπτω etc. Die
ſiebente und neunte ind. conj, fügt der wurzel n und
ein, z. b. runadhmi (circumſcribo) rundhmas (cir-
cumſcribimus) ſternâti etc. von den wurzeln rudh, ſter,
womit ſterno, ſtravi und unſer ſtreuen zu vergleichen iſt;
gerade ſo verhalten ſich ſpirn und ſporo (ſ. 1038.);
τέμνω, ταμῶ (temno, temſi) σπένδω, σπείσω; findo,
fidi; fundo, fudi; tango, tetigi (goth. têka, táitôk);
frango, frêgi (brika, brak) etc. und vermuthlich iſt
im deutſchen binda, ſtanda, gagga etc. der naſallaut
unwurzelhaft, folglich in den altn. praet. batt, ſtôd,
gêck etc. weniger ausgeſtoßen, als unvorhanden; finþa,
vindu wäre buchſtäblich das lat. peto (auch der ſinn trifft
ſich in der bedeutung convenire, ſuchen; die wörter
peto und bidja, alth pittu berühren ſich nicht). Selbſt
das -d muß der wurzel ſtandu abgeſprochen werden,
wie das alth. praeſ. ſtâm, das lat. ſto, ſlav. ſtoju leh-
ren; die erweiterte form ſtanu drückt ein altſlav. fu-
turum aus (Dobrowſk. p. 375.). —
5) fragt es ſich nach der anwendung des unterſchieds
ſtarker und ſchwacher form auf die fremden ſprachen,
ſo muß er etwas anders als im deutſchen geſaßt wer-
den. Goth. redupl. gebührt nur der ſtarken conj.,
nie der ſchwachen; die lat. redupl. iſt meiſtens zei-
chen ſtarker conj. (und momordi, totondi ließe ſich
auf ein früheres mordo, tondo ſt. mordeo, tondeo be-
ziehen); die griech. hingegen reicht durchs ganze ver-
bum und ſteht auch allen ableitungen mit ε, α, ο zu,
welche den deutſchen ſchwachformigen ableitungen
mit i, ô, ái antworten. Auf analoge weiſe durch-
dringt das bildungsmittel -s, das ſich im lat. auf ſtarke,
unabgeleitete verba einſchränkt, wiederum die ganze
griech. conj., ein ποιήσω, τιμήσω, μισθώσω wäre un-
lateiniſch, ein πεποίηκα, τετίμηκα, μεμίσθωκα unlatei-
niſch und undeutſch. Doch der ablaut, folglich das
zweite praet. und der zweite aoriſt ſcheint nur griech.
ſtarker form eigen, ſchwacher entzogen (Buttm. p. 412.
426.) d. h. die formen ἔτιμον, ἔφιλον, τέτιμα, πέφιλα,
wiewohl in vielen ſprachlehren aufgeſtellt. ſind un-
griechiſch. Hieraus ergibt ſich. daß der begriff ſchwa-
cher conj. in die beſchränkung, welche abgeleitete
verba erfahren, zu ſetzen. die beſonderheit dieſer be-
ſchränkung aber für jede ſprache eigens auszumitteln
ſey. Nach hiſtoriſcher abſtufung ſcheinen ſich die
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[1060/1086] II. allgemeine vergleichung der conjugation. fort (vlaht, vluhtun), viele andere griechiſche haben es aber im praeſ. als: τύπτω, πίττω, ῥάπτω etc. Die ſiebente und neunte ind. conj, fügt der wurzel n und nâ ein, z. b. runadhmi (circumſcribo) rundhmas (cir- cumſcribimus) ſternâti etc. von den wurzeln rudh, ſter, womit ſterno, ſtravi und unſer ſtreuen zu vergleichen iſt; gerade ſo verhalten ſich ſpirn und ſporo (ſ. 1038.); τέμνω, ταμῶ (temno, temſi) σπένδω, σπείσω; findo, fidi; fundo, fudi; tango, tetigi (goth. têka, táitôk); frango, frêgi (brika, brak) etc. und vermuthlich iſt im deutſchen binda, ſtanda, gagga etc. der naſallaut unwurzelhaft, folglich in den altn. praet. batt, ſtôd, gêck etc. weniger ausgeſtoßen, als unvorhanden; finþa, vindu wäre buchſtäblich das lat. peto (auch der ſinn trifft ſich in der bedeutung convenire, ſuchen; die wörter peto und bidja, alth pittu berühren ſich nicht). Selbſt das -d muß der wurzel ſtandu abgeſprochen werden, wie das alth. praeſ. ſtâm, das lat. ſto, ſlav. ſtoju leh- ren; die erweiterte form ſtanu drückt ein altſlav. fu- turum aus (Dobrowſk. p. 375.). — 5) fragt es ſich nach der anwendung des unterſchieds ſtarker und ſchwacher form auf die fremden ſprachen, ſo muß er etwas anders als im deutſchen geſaßt wer- den. Goth. redupl. gebührt nur der ſtarken conj., nie der ſchwachen; die lat. redupl. iſt meiſtens zei- chen ſtarker conj. (und momordi, totondi ließe ſich auf ein früheres mordo, tondo ſt. mordeo, tondeo be- ziehen); die griech. hingegen reicht durchs ganze ver- bum und ſteht auch allen ableitungen mit ε, α, ο zu, welche den deutſchen ſchwachformigen ableitungen mit i, ô, ái antworten. Auf analoge weiſe durch- dringt das bildungsmittel -s, das ſich im lat. auf ſtarke, unabgeleitete verba einſchränkt, wiederum die ganze griech. conj., ein ποιήσω, τιμήσω, μισθώσω wäre un- lateiniſch, ein πεποίηκα, τετίμηκα, μεμίσθωκα unlatei- niſch und undeutſch. Doch der ablaut, folglich das zweite praet. und der zweite aoriſt ſcheint nur griech. ſtarker form eigen, ſchwacher entzogen (Buttm. p. 412. 426.) d. h. die formen ἔτιμον, ἔφιλον, τέτιμα, πέφιλα, wiewohl in vielen ſprachlehren aufgeſtellt. ſind un- griechiſch. Hieraus ergibt ſich. daß der begriff ſchwa- cher conj. in die beſchränkung, welche abgeleitete verba erfahren, zu ſetzen. die beſonderheit dieſer be- ſchränkung aber für jede ſprache eigens auszumitteln ſey. Nach hiſtoriſcher abſtufung ſcheinen ſich die

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 1060. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/1086>, abgerufen am 22.11.2024.