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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. althochdeutsche consonanten. linguales.
mittelh. für letztere *) die auflösung des zischlauts in tz
(consequenter wäre ts gewesen) gebräuchlich wurde und
dem übelstand einigermaßen half. Wer die neuvorge-
schlagenen zeichen z und ß billigt, kann des zz, ß
und tz gänzlich entrathen, es fragt sich nur, wie beim ff,
ob man wagen dürfe, critisch die alten hss. zu verbeßern?
Der grammatik wenigstens, wenn sie ohne nene vocal-
zeichen nicht ausreicht. muß es auch die consonanten
schicklicher und der historisch erweislichen aussprache
angemeßener zu bezeichnen vergönnt seyn. Und sollen
wir das schwanken der hss. gelten laßen, mit K. 35b
meßu, 38a meßu. 29b sizan, 30b sizzan edieren? bald
eßan, beßiro, luzil, bald eßan, beßiro, luzzil, nach-
dem die texte beides untereinander zeigen? Die durch-
führung des isidorischen und mittelh. tz **) wäre eben-
wohl neuerung, will man es aber (im in- und auslaut?)
und daneben ß (im inlaut) beibehalten, so darf min-
destens letzteres nur bei vorausgehendem einfachen vo-
cal und nie bei doppeltem geschrieben werden. Das
befolgen auch in der regel die guten alth. hss. obgleich
ausnahmsweise: T. 5, 9. heißent; 7, 4. heißan; 4, 18.
suoßa etc. K. 15b mnaßot; 25a stoßon; 16a eban
loßon etc. stehet, und J. 341. 388. heizssit, 368. fuozssei,
389. suuozssera, ja 345. die monstrose schreibung chi-
lothzssom (consortibus) st. chiloßom ***). -- (SS.) diese
organische gemination entspricht dem goth. und sächs. ss;
die wichtigsten belege sind; huasso, später wasso (acri-

*) Sogar im auslaut seatz, wofür alth. jedenfalls scaz geschrie-
ben werden muß, da jede inlautende gemin. auslautend
wegfällt. Inzwischen könnte man tz für eine composition
und nicht gemin. ausehen.
**) Wenn man das tz dem pph (pf) und cch vergleicht, es
folglich in tts auflöst, so wäre es freilich etwas stärker,
als das bloße z auszusprechen. Unähnlich scheinen sich
die drei fälle darin, daß pf im an- in- und ausl., cch
nur im inlaut, tz bei J. auch nur im inlaut vorkommt.
Man könnte sich tz für gewisse inlaute (wo entschieden ein
altes tt war) gefallen laßen, obgleich es N. auch in solchen
nicht schreibt.
***) Wie im goth, attiuhan (at-tiuhan) ist natürlich keine ge-
mination da, wenn in der zus. setzung ein auslautendes
ß, an ein anlautendes z rührt, alth. aßziohan (attrahere),
aß-zasi (utensile): vermothlich assimilieren sich hier beide
zischlaute, es fragt sich ob in aßiohan, aßasi oder in
azziohan, azzasi? ich muthmaße letzteres, Hier wäre nun
aziohan, azasi falsche schreibung.

I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
mittelh. für letztere *) die auflöſung des ziſchlauts in tz
(conſequenter wäre tſ geweſen) gebräuchlich wurde und
dem übelſtand einigermaßen half. Wer die neuvorge-
ſchlagenen zeichen z und Ʒ billigt, kann des zz, ƷƷ
und tz gänzlich entrathen, es fragt ſich nur, wie beim ff,
ob man wagen dürfe, critiſch die alten hſſ. zu verbeßern?
Der grammatik wenigſtens, wenn ſie ohne nene vocal-
zeichen nicht ausreicht. muß es auch die conſonanten
ſchicklicher und der hiſtoriſch erweiſlichen ausſprache
angemeßener zu bezeichnen vergönnt ſeyn. Und ſollen
wir das ſchwanken der hſſ. gelten laßen, mit K. 35b
mëƷƷu, 38a mëƷu. 29b ſizan, 30b ſizzan edieren? bald
ëƷan, beƷiro, luzil, bald ëƷƷan, beƷƷiro, luzzil, nach-
dem die texte beides untereinander zeigen? Die durch-
führung des iſidoriſchen und mittelh. tz **) wäre eben-
wohl neuerung, will man es aber (im in- und auslaut?)
und daneben ƷƷ (im inlaut) beibehalten, ſo darf min-
deſtens letzteres nur bei vorausgehendem einfachen vo-
cal und nie bei doppeltem geſchrieben werden. Das
befolgen auch in der regel die guten alth. hſſ. obgleich
ausnahmsweiſe: T. 5, 9. heiƷƷent; 7, 4. heiƷƷan; 4, 18.
ſuoƷƷà etc. K. 15b mnaƷƷôt; 25a ſtôƷƷôn; 16a ëban
lôƷƷon etc. ſtehet, und J. 341. 388. heizſſit, 368. fuozſſî,
389. ſuuozſſera, ja 345. die monſtroſe ſchreibung chi-
lôthzſſom (conſortibus) ſt. chilôƷom ***). — (SS.) dieſe
organiſche gemination entſpricht dem goth. und ſächſ. ſſ;
die wichtigſten belege ſind; huaſſo, ſpäter waſſo (acri-

*) Sogar im auslaut ſeatz, wofür alth. jedenfalls ſcaz geſchrie-
ben werden muß, da jede inlautende gemin. auslautend
wegfällt. Inzwiſchen könnte man tz für eine compoſition
und nicht gemin. auſehen.
**) Wenn man das tz dem pph (pf) und cch vergleicht, es
folglich in ttſ auflöſt, ſo wäre es freilich etwas ſtärker,
als das bloße z auszuſprechen. Unähnlich ſcheinen ſich
die drei fälle darin, daß pf im an- in- und ausl., cch
nur im inlaut, tz bei J. auch nur im inlaut vorkommt.
Man könnte ſich tz für gewiſſe inlaute (wo entſchieden ein
altes tt war) gefallen laßen, obgleich es N. auch in ſolchen
nicht ſchreibt.
***) Wie im goth, attiuhan (at-tiuhan) iſt natürlich keine ge-
mination da, wenn in der zuſ. ſetzung ein auslautendes
Ʒ, an ein anlautendes z rührt, alth. aƷziohan (attrahere),
aƷ-zaſi (utenſile): vermothlich aſſimilieren ſich hier beide
ziſchlaute, es fragt ſich ob in aƷƷiohan, aƷƷaſi oder in
azziohan, azzaſi? ich muthmaße letzteres, Hier wäre nun
aziohan, azaſi falſche ſchreibung.
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[170/0196] I. althochdeutſche conſonanten. linguales. mittelh. für letztere *) die auflöſung des ziſchlauts in tz (conſequenter wäre tſ geweſen) gebräuchlich wurde und dem übelſtand einigermaßen half. Wer die neuvorge- ſchlagenen zeichen z und Ʒ billigt, kann des zz, ƷƷ und tz gänzlich entrathen, es fragt ſich nur, wie beim ff, ob man wagen dürfe, critiſch die alten hſſ. zu verbeßern? Der grammatik wenigſtens, wenn ſie ohne nene vocal- zeichen nicht ausreicht. muß es auch die conſonanten ſchicklicher und der hiſtoriſch erweiſlichen ausſprache angemeßener zu bezeichnen vergönnt ſeyn. Und ſollen wir das ſchwanken der hſſ. gelten laßen, mit K. 35b mëƷƷu, 38a mëƷu. 29b ſizan, 30b ſizzan edieren? bald ëƷan, beƷiro, luzil, bald ëƷƷan, beƷƷiro, luzzil, nach- dem die texte beides untereinander zeigen? Die durch- führung des iſidoriſchen und mittelh. tz **) wäre eben- wohl neuerung, will man es aber (im in- und auslaut?) und daneben ƷƷ (im inlaut) beibehalten, ſo darf min- deſtens letzteres nur bei vorausgehendem einfachen vo- cal und nie bei doppeltem geſchrieben werden. Das befolgen auch in der regel die guten alth. hſſ. obgleich ausnahmsweiſe: T. 5, 9. heiƷƷent; 7, 4. heiƷƷan; 4, 18. ſuoƷƷà etc. K. 15b mnaƷƷôt; 25a ſtôƷƷôn; 16a ëban lôƷƷon etc. ſtehet, und J. 341. 388. heizſſit, 368. fuozſſî, 389. ſuuozſſera, ja 345. die monſtroſe ſchreibung chi- lôthzſſom (conſortibus) ſt. chilôƷom ***). — (SS.) dieſe organiſche gemination entſpricht dem goth. und ſächſ. ſſ; die wichtigſten belege ſind; huaſſo, ſpäter waſſo (acri- *) Sogar im auslaut ſeatz, wofür alth. jedenfalls ſcaz geſchrie- ben werden muß, da jede inlautende gemin. auslautend wegfällt. Inzwiſchen könnte man tz für eine compoſition und nicht gemin. auſehen. **) Wenn man das tz dem pph (pf) und cch vergleicht, es folglich in ttſ auflöſt, ſo wäre es freilich etwas ſtärker, als das bloße z auszuſprechen. Unähnlich ſcheinen ſich die drei fälle darin, daß pf im an- in- und ausl., cch nur im inlaut, tz bei J. auch nur im inlaut vorkommt. Man könnte ſich tz für gewiſſe inlaute (wo entſchieden ein altes tt war) gefallen laßen, obgleich es N. auch in ſolchen nicht ſchreibt. ***) Wie im goth, attiuhan (at-tiuhan) iſt natürlich keine ge- mination da, wenn in der zuſ. ſetzung ein auslautendes Ʒ, an ein anlautendes z rührt, alth. aƷziohan (attrahere), aƷ-zaſi (utenſile): vermothlich aſſimilieren ſich hier beide ziſchlaute, es fragt ſich ob in aƷƷiohan, aƷƷaſi oder in azziohan, azzaſi? ich muthmaße letzteres, Hier wäre nun aziohan, azaſi falſche ſchreibung.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/196>, abgerufen am 12.05.2024.