ken die roman. mundarten selbst zwischen v und b, als prouver, probar, prueven; diavolo, diable, tiuvel, tievel; tabula, tavola, tavel. Zu bischof, -ves, halte man nicht das lat. episcopus, vielmehr das ital. ves- covo, zu steven (Wilh. 2, 40b 102b) nicht das lat. stephanus, sondern das rom. esteve, estevenon (Ro- quef. h. v.).
(W) da die schreiber die vocale u, iu, ou, uo, ue häufig durch v, iv, ov, vo, ve bezeichneten, war ihnen auch st. der alth. schreibung des spiranten uu ein unver- schlungenes vv geläufig. Beßer unterscheiden grammatik und ausgaben durchgehends vocal von der consonanz und ziehen jene vv in w zusammen. Ferner sparen die schreiber gerne vor w und nach w ein u, indem sie z. b. niwe setzen, wo offenbar (im klingreim) ninwe stehen muß, oder wnne, swnge f. wunne, swunge. Hat die s. 138-140. entwickelte ansicht grund, so muß man sie gleichwohl im mittelh. anfgeben und für alle und jede w dieselbe aussprache, folglich schreibung an- nehmen, wie denn auch nach s. t. z die bewährtesten hss. w und kein u setzen.
1) der anlaut w ist unbedenklich, daher überall von der anl. zweiten asp. zu scheiden; war (cura) win- den, want, wunden von var (eat) vinden, vant, vun- den; zugleich wohl ein grund für die schreibung vun- den st. funden.
2) das inlautende w stehet a) in der regel zwischen zwein vocalen, z. b. frouwe, riuwe, senewe, doch kann der vordere voc. den umständen nach wegfallen, als senwe, melwe, varwe, nie aber der hintere, ohne daß sich w entw. ganz verlöre oder in den voc. u auflöste. -- b) in der wurzel macht w nach langen vocalen keinen anstoß, vgl. grawen (canescere) bra- wen (superciliis) clawen (ungulis) pfawe (pavo) gawan (n. pr.) ewen (seculis) snewes (nivis) klewes (trifolii) wewen (malis) sewen (undare) [zweifelhaft lewe, leo und kewe, faux, eigentlich os hiulcum; in jenem, als fremden wort follte man ein e vermuthen und die mons. gl. 329. 339. 345. haben gewon, oscitare, lewinchili, leunculus, wo wieder ein langes, kein kurzes e, weil diese gl. für ew-, wenn ich nicht irre, immer ow oder onw gebrauchen] getrauwen, bauwen; nach o ist mir kein w. bekannt, es müste in fremden namen seyn; nach ei in dem fremden eiwein, eiwan
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I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
ken die roman. mundarten ſelbſt zwiſchen v und b, als prouver, probar, prueven; diavolo, diable, tiuvel, tievel; tabula, tavola, tâvel. Zu biſchof, -ves, halte man nicht das lat. epiſcopus, vielmehr das ital. veſ- covo, zu ſtëven (Wilh. 2, 40b 102b) nicht das lat. ſtephanus, ſondern das rom. eſteve, eſtevenon (Ro- quef. h. v.).
(W) da die ſchreiber die vocale u, iu, ou, uo, ue häufig durch v, iv, ov, vo, ve bezeichneten, war ihnen auch ſt. der alth. ſchreibung des ſpiranten uu ein unver- ſchlungenes vv geläufig. Beßer unterſcheiden grammatik und ausgaben durchgehends vocal von der conſonanz und ziehen jene vv in w zuſammen. Ferner ſparen die ſchreiber gerne vor w und nach w ein u, indem ſie z. b. niwe ſetzen, wo offenbar (im klingreim) ninwe ſtehen muß, oder wnne, ſwnge f. wunne, ſwunge. Hat die ſ. 138-140. entwickelte anſicht grund, ſo muß man ſie gleichwohl im mittelh. anfgeben und für alle und jede w dieſelbe ausſprache, folglich ſchreibung an- nehmen, wie denn auch nach ſ. t. z die bewährteſten hſſ. w und kein u ſetzen.
1) der anlaut w iſt unbedenklich, daher überall von der anl. zweiten aſp. zu ſcheiden; war (cura) win- den, want, wunden von var (eat) vinden, vant, vun- den; zugleich wohl ein grund für die ſchreibung vun- den ſt. funden.
2) das inlautende w ſtehet a) in der regel zwiſchen zwein vocalen, z. b. frouwe, riuwe, ſënewe, doch kann der vordere voc. den umſtänden nach wegfallen, als ſënwe, mëlwe, varwe, nie aber der hintere, ohne daß ſich w entw. ganz verlöre oder in den voc. u auflöſte. — b) in der wurzel macht w nach langen vocalen keinen anſtoß, vgl. grâwen (caneſcere) brâ- wen (ſuperciliis) clâwen (ungulis) pfàwe (pavo) gâwân (n. pr.) êwen (ſeculis) ſnêwes (nivis) klêwes (trifolii) wêwen (malis) ſêwen (undare) [zweifelhaft lêwe, leo und kêwe, faux, eigentlich os hiulcum; in jenem, als fremden wort follte man ein ê vermuthen und die monſ. gl. 329. 339. 345. haben gêwôn, oſcitare, lêwinchilì, leunculus, wo wieder ein langes, kein kurzes e, weil dieſe gl. für ew-, wenn ich nicht irre, immer ôw oder onw gebrauchen] getrûwen, bûwen; nach ô iſt mir kein w. bekannt, es müſte in fremden namen ſeyn; nach î in dem fremden îwein, îwân
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I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
ken die roman. mundarten ſelbſt zwiſchen v und b,
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tievel; tabula, tavola, tâvel. Zu biſchof, -ves, halte
man nicht das lat. epiſcopus, vielmehr das ital. veſ-
covo, zu ſtëven (Wilh. 2, 40b 102b) nicht das lat.
ſtephanus, ſondern das rom. eſteve, eſtevenon (Ro-
quef. h. v.).
(W) da die ſchreiber die vocale u, iu, ou, uo, ue
häufig durch v, iv, ov, vo, ve bezeichneten, war ihnen
auch ſt. der alth. ſchreibung des ſpiranten uu ein unver-
ſchlungenes vv geläufig. Beßer unterſcheiden grammatik
und ausgaben durchgehends vocal von der conſonanz
und ziehen jene vv in w zuſammen. Ferner ſparen
die ſchreiber gerne vor w und nach w ein u, indem
ſie z. b. niwe ſetzen, wo offenbar (im klingreim) ninwe
ſtehen muß, oder wnne, ſwnge f. wunne, ſwunge.
Hat die ſ. 138-140. entwickelte anſicht grund, ſo muß
man ſie gleichwohl im mittelh. anfgeben und für alle
und jede w dieſelbe ausſprache, folglich ſchreibung an-
nehmen, wie denn auch nach ſ. t. z die bewährteſten
hſſ. w und kein u ſetzen.
1) der anlaut w iſt unbedenklich, daher überall von
der anl. zweiten aſp. zu ſcheiden; war (cura) win-
den, want, wunden von var (eat) vinden, vant, vun-
den; zugleich wohl ein grund für die ſchreibung vun-
den ſt. funden.
2) das inlautende w ſtehet a) in der regel zwiſchen
zwein vocalen, z. b. frouwe, riuwe, ſënewe, doch
kann der vordere voc. den umſtänden nach wegfallen,
als ſënwe, mëlwe, varwe, nie aber der hintere, ohne
daß ſich w entw. ganz verlöre oder in den voc. u
auflöſte. — b) in der wurzel macht w nach langen
vocalen keinen anſtoß, vgl. grâwen (caneſcere) brâ-
wen (ſuperciliis) clâwen (ungulis) pfàwe (pavo) gâwân
(n. pr.) êwen (ſeculis) ſnêwes (nivis) klêwes (trifolii)
wêwen (malis) ſêwen (undare) [zweifelhaft lêwe, leo
und kêwe, faux, eigentlich os hiulcum; in jenem,
als fremden wort follte man ein ê vermuthen und
die monſ. gl. 329. 339. 345. haben gêwôn, oſcitare,
lêwinchilì, leunculus, wo wieder ein langes, kein
kurzes e, weil dieſe gl. für ew-, wenn ich nicht irre,
immer ôw oder onw gebrauchen] getrûwen, bûwen;
nach ô iſt mir kein w. bekannt, es müſte in fremden
namen ſeyn; nach î in dem fremden îwein, îwân
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/427>, abgerufen am 22.11.2024.
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