(AI) ai, haufig ay geschrieben, entspricht dem an- gels. äg, als dai (dies) lai (jacuit) mai (valet) wai (via) sai (dicere) brain (cerebr.) main (vis) fain (laetus) ogaine (contra) frain (interrogare) faire (pulcer) und so häufig in fremden wörtern sertaine (certain) gawaine (Rits. 1, 65. auf swaine, famulus, angels. svan) kai (Rits. 1, 4. 16. auf mai, ai, semper) etc.
(EA) ea, wird zuweilen st. des üblichen e geschrie- ben, vgl. Rits. 2, 131. earen (auribus): tearen (lacrimis) angels. earum, tearum; neuengl. ears, tears.
(EI) ei oder ey kommt in fällen des angels. eag, eah vor, ist also (wie ai = ag, äg) auflösung des g in den vocallaut, und eigentlich ei, wiewohl in der re- gel das g und gar gh noch dazu geschrieben wird, z. b. eie (oculus) eije, eige, deie (mori) heie (altus). Andere beispiele sind: neighe (prope) beighe (annulus) heighe (altus) seighe (videbat) fleighe (volabat) sleighe (callidus). Einigermahl fürs angels. eo, als leie (mentiri) dreie (pati). Da diese -eighe im Tristr. auf -eie (46. 184. auf creie, ermoneie) reimen, könnte man hieraus auf die ausspra- che ei für ei schließen, mindestens auf eine annäherung. -- Ganz verschieden ist das ei in den part. askeing, snoweing d. h. askeing, snoweing, mit kurzem i auf thing reimig.
(EO) eo, selten noch geschrieben in teone, teon, fleon (angels. teona, teon, fleon) st. des üblicheren tene, ten, flen, vgl. Rits. 2, 106. 119. 121. 127.
(EU) eu, zuweilen im auslaut für ew, als bleu (flavit) Rits. 2, 145.
(OU) ou*), auch ow geschrieben, vertritt durchge- hends das angels. au, wie das neuh. au das mittelh. au, vgl. brouke (uti) roune (mysterium) house (domus) kouth (notus) mouth (os) loud (sonorus, angels. hlaud) etc. und gilt auch vor ld, nd statt des kurzen u, moulde (pulvis) hound (canis) mount (mons) stounde (hora) etc. Vor gh pflegt ou statt o = hochd. uo zu stehn, als ynough (abunde) lough (risit) wough (curvum). --
Schlußbemerkungen. 1) der organismus der vocale ist entstellter, als in irgend einer anderen deutschen sprache, wozu namentlich die eingangs bemerkte nei-
*) Den herausgebern begegnet es oft, diesen diphth. für on zu halten, so setzt Scott nicht nur überall Isonde f. Isou- de, nephon f. nephou, sondern Rits. sogar ins glossar die unwörter cronde, londe, da doch 2, 145. offenbar croude (premi, celeriter moveri): loude (cum sonitu) zu lesen war.
I. mittelengliſche vocale.
(AI) ai, haufig ay geſchrieben, entſpricht dem an- gelſ. äg, als dai (dies) lai (jacuit) mai (valet) wai (via) ſai (dicere) brain (cerebr.) main (vis) fain (laetus) ogaine (contra) frain (interrogare) faire (pulcer) und ſo häufig in fremden wörtern ſertaine (certain) gawaine (Ritſ. 1, 65. auf ſwaine, famulus, angelſ. ſvân) kai (Ritſ. 1, 4. 16. auf mai, ai, ſemper) etc.
(EA) ea, wird zuweilen ſt. des üblichen ê geſchrie- ben, vgl. Ritſ. 2, 131. earen (auribus): tearen (lacrimis) angelſ. eárum, tëarum; neuengl. ears, tears.
(EI) ei oder ey kommt in fällen des angelſ. eág, eáh vor, iſt alſo (wie ai = ag, äg) auflöſung des g in den vocallaut, und eigentlich êi, wiewohl in der re- gel das g und gar gh noch dazu geſchrieben wird, z. b. eie (oculus) eije, eige, deie (mori) heie (altus). Andere beiſpiele ſind: neighe (prope) beighe (annulus) heighe (altus) ſeighe (videbat) fleighe (volabat) ſleighe (callidus). Einigermahl fürs angelſ. ëo, als leie (mentiri) dreie (pati). Da dieſe -eighe im Triſtr. auf -îe (46. 184. auf crîe, ermonîe) reimen, könnte man hieraus auf die ausſpra- che ei für î ſchließen, mindeſtens auf eine annäherung. — Ganz verſchieden iſt das ei in den part. aſkeing, ſnoweing d. h. aſkeìng, ſnoweìng, mit kurzem i auf thing reimig.
(EO) eo, ſelten noch geſchrieben in teone, teon, fleon (angelſ. tëóna, tëón, flëón) ſt. des üblicheren têne, tên, flên, vgl. Ritſ. 2, 106. 119. 121. 127.
(EU) eu, zuweilen im auslaut für ew, als bleu (flavit) Ritſ. 2, 145.
(OU) ou*), auch ow geſchrieben, vertritt durchge- hends das angelſ. û, wie das neuh. au das mittelh. û, vgl. brouke (uti) roune (myſterium) houſe (domus) kouth (notus) mouth (os) loud (ſonorus, angelſ. hlûd) etc. und gilt auch vor ld, nd ſtatt des kurzen u, moulde (pulvis) hound (canis) mount (mons) ſtounde (hora) etc. Vor gh pflegt ou ſtatt ô = hochd. uo zu ſtehn, als ynough (abunde) lough (riſit) wough (curvum). —
Schlußbemerkungen. 1) der organiſmus der vocale iſt entſtellter, als in irgend einer anderen deutſchen ſprache, wozu namentlich die eingangs bemerkte nei-
*) Den herausgebern begegnet es oft, dieſen diphth. für on zu halten, ſo ſetzt Scott nicht nur überall Iſonde f. Iſou- de, nephon f. nephou, ſondern Ritſ. ſogar ins gloſſar die unwörter cronde, londe, da doch 2, 145. offenbar croude (premi, celeriter moveri): loude (cum ſonitu) zu leſen war.
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[511/0537]
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ſai (dicere) brain (cerebr.) main (vis) fain (laetus) ogaine
(contra) frain (interrogare) faire (pulcer) und ſo häufig
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mai, ai, ſemper) etc.
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ben, vgl. Ritſ. 2, 131. earen (auribus): tearen (lacrimis)
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(EI) ei oder ey kommt in fällen des angelſ. eág,
eáh vor, iſt alſo (wie ai = ag, äg) auflöſung des g in
den vocallaut, und eigentlich êi, wiewohl in der re-
gel das g und gar gh noch dazu geſchrieben wird, z. b.
eie (oculus) eije, eige, deie (mori) heie (altus). Andere
beiſpiele ſind: neighe (prope) beighe (annulus) heighe
(altus) ſeighe (videbat) fleighe (volabat) ſleighe (callidus).
Einigermahl fürs angelſ. ëo, als leie (mentiri) dreie (pati).
Da dieſe -eighe im Triſtr. auf -îe (46. 184. auf crîe,
ermonîe) reimen, könnte man hieraus auf die ausſpra-
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Ganz verſchieden iſt das ei in den part. aſkeing, ſnoweing
d. h. aſkeìng, ſnoweìng, mit kurzem i auf thing reimig.
(EO) eo, ſelten noch geſchrieben in teone, teon,
fleon (angelſ. tëóna, tëón, flëón) ſt. des üblicheren têne,
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(EU) eu, zuweilen im auslaut für ew, als bleu
(flavit) Ritſ. 2, 145.
(OU) ou *), auch ow geſchrieben, vertritt durchge-
hends das angelſ. û, wie das neuh. au das mittelh. û,
vgl. brouke (uti) roune (myſterium) houſe (domus) kouth
(notus) mouth (os) loud (ſonorus, angelſ. hlûd) etc. und
gilt auch vor ld, nd ſtatt des kurzen u, moulde (pulvis)
hound (canis) mount (mons) ſtounde (hora) etc. Vor gh
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Schlußbemerkungen. 1) der organiſmus der vocale
iſt entſtellter, als in irgend einer anderen deutſchen
ſprache, wozu namentlich die eingangs bemerkte nei-
*) Den herausgebern begegnet es oft, dieſen diphth. für on
zu halten, ſo ſetzt Scott nicht nur überall Iſonde f. Iſou-
de, nephon f. nephou, ſondern Ritſ. ſogar ins gloſſar die
unwörter cronde, londe, da doch 2, 145. offenbar croude
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/537>, abgerufen am 22.11.2024.
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