mit k zu vertauschen ist (kein sprekan f. sprechan) so wäre das hochd. k für ch ganz verwerflich, von den beiden lauten g und k aber der eine überflüßig und zwar der theorie nach das g. Die hochd. sprache hätte also eigentlich nicht mehr kehllaute, als die goth., dem goth. k entspräche ch, dem g aber k. Gleichwohl scheint es mir, daß es einen dritten fall gibt, wo das alth. g nothwendig steht, d. h. weder durch k, noch durch ch abgelöst werden darf; dieser fall ist kein anderer, als das schwankende verhältnis zwischen h und g (s. 427.). Hier spielt das goth. g eine doppelte rolle, in thragjan (currere) guma (vir) erscheint ein anderes als in augo (oculus) tagram (la- crimis). Dieses kann erst durch vergleichung fremder urverwandter sprachen deutlich werden.
Bei solchen vergleichungen, die hier keineswegs ausführlich gepflogen werden, vielmehr nur unsere deut- schen lautverhältnisse unter den rechten gesichtspunct zu stellen beitragen sollen, geht man billig von den con- sonanten aus. Läßt sich für diese eine gegründete be- stimmung ermitteln und annehmen, so werden dadurch vielleicht auch einige blicke in die geschichte der vocale vergönnt.
Vorerst begegnen wir dem wichtigen satze: liquidae und spirantes stimmen in allen wesentlichen verhältnissen zu der art und einrichtung deutscher zunge. Dasjenige, so scheint es, worin die verzweigungen deutscher sprache unter einander nicht abweichen, wird sich un- abweichend in der lat. griech. und indischen nachwei- sen. Ausdrücklich erkennt das sanskrit noch r und l als vocale an und gebraucht in diesem sinne r oft, l seltner. Die schwächung des älteren m in ein späteres n er- scheint überall, eine menge von wörtern mit m im sanskr. und lat. bekommen im griech. n; gerade wie der mit- telh. auslaut n inlautend wieder zu m wird (lein, lei- mes; arn, armes, s. 386.) so verhält sich en zu emen (lat. eram, eramus, vgl. neon mit novnm). Analoge ver- wandlungen des s in r bieten sich allenthalben dar. na- mentlich ist das latein dem r vorzugsweise ergeben, r aber immer als jüngere form zu betrachten. Den wech- sel der spiranten v (des digamma) s. h. bezeugen espera, vespera; epta, septem; us, sus; erpo, serpo; ekuros,
I. vergleichung fremder buchſtaben.
mit k zu vertauſchen iſt (kein ſprëkan f. ſprëchan) ſo wäre das hochd. k für ch ganz verwerflich, von den beiden lauten g und k aber der eine überflüßig und zwar der theorie nach das g. Die hochd. ſprache hätte alſo eigentlich nicht mehr kehllaute, als die goth., dem goth. k entſpräche ch, dem g aber k. Gleichwohl ſcheint es mir, daß es einen dritten fall gibt, wo das alth. g nothwendig ſteht, d. h. weder durch k, noch durch ch abgelöſt werden darf; dieſer fall iſt kein anderer, als das ſchwankende verhältnis zwiſchen h und g (ſ. 427.). Hier ſpielt das goth. g eine doppelte rolle, in þragjan (currere) guma (vir) erſcheint ein anderes als in áugô (oculus) tagram (la- crimis). Dieſes kann erſt durch vergleichung fremder urverwandter ſprachen deutlich werden.
Bei ſolchen vergleichungen, die hier keineswegs ausführlich gepflogen werden, vielmehr nur unſere deut- ſchen lautverhältniſſe unter den rechten geſichtspunct zu ſtellen beitragen ſollen, geht man billig von den con- ſonanten aus. Läßt ſich für dieſe eine gegründete be- ſtimmung ermitteln und annehmen, ſo werden dadurch vielleicht auch einige blicke in die geſchichte der vocale vergönnt.
Vorerſt begegnen wir dem wichtigen ſatze: liquidae und ſpirantes ſtimmen in allen weſentlichen verhältniſſen zu der art und einrichtung deutſcher zunge. Dasjenige, ſo ſcheint es, worin die verzweigungen deutſcher ſprache unter einander nicht abweichen, wird ſich un- abweichend in der lat. griech. und indiſchen nachwei- ſen. Ausdrücklich erkennt das ſanſkrit noch r und l als vocale an und gebraucht in dieſem ſinne r oft, l ſeltner. Die ſchwächung des älteren m in ein ſpäteres n er- ſcheint überall, eine menge von wörtern mit m im ſanſkr. und lat. bekommen im griech. n; gerade wie der mit- telh. auslaut n inlautend wieder zu m wird (lein, lei- mes; arn, armes, ſ. 386.) ſo verhält ſich ἦν zu ἦμεν (lat. eram, eramus, vgl. νέον mit novnm). Analoge ver- wandlungen des ſ in r bieten ſich allenthalben dar. na- mentlich iſt das latein dem r vorzugsweiſe ergeben, r aber immer als jüngere form zu betrachten. Den wech- ſel der ſpiranten v (des digamma) ſ. h. bezeugen ἑσπέρα, veſpera; ἑπτὰ, ſeptem; ὗς, ſus; ἕρπω, ſerpo; ἑκυρὸς,
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I. vergleichung fremder buchſtaben.
mit k zu vertauſchen iſt (kein ſprëkan f. ſprëchan)
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den beiden lauten g und k aber der eine überflüßig
und zwar der theorie nach das g. Die hochd. ſprache
hätte alſo eigentlich nicht mehr kehllaute, als die
goth., dem goth. k entſpräche ch, dem g aber k.
Gleichwohl ſcheint es mir, daß es einen dritten fall
gibt, wo das alth. g nothwendig ſteht, d. h. weder
durch k, noch durch ch abgelöſt werden darf; dieſer
fall iſt kein anderer, als das ſchwankende verhältnis
zwiſchen h und g (ſ. 427.). Hier ſpielt das goth. g
eine doppelte rolle, in þragjan (currere) guma (vir)
erſcheint ein anderes als in áugô (oculus) tagram (la-
crimis). Dieſes kann erſt durch vergleichung fremder
urverwandter ſprachen deutlich werden.
Bei ſolchen vergleichungen, die hier keineswegs
ausführlich gepflogen werden, vielmehr nur unſere deut-
ſchen lautverhältniſſe unter den rechten geſichtspunct
zu ſtellen beitragen ſollen, geht man billig von den con-
ſonanten aus. Läßt ſich für dieſe eine gegründete be-
ſtimmung ermitteln und annehmen, ſo werden dadurch
vielleicht auch einige blicke in die geſchichte der vocale
vergönnt.
Vorerſt begegnen wir dem wichtigen ſatze: liquidae
und ſpirantes ſtimmen in allen weſentlichen verhältniſſen
zu der art und einrichtung deutſcher zunge. Dasjenige,
ſo ſcheint es, worin die verzweigungen deutſcher
ſprache unter einander nicht abweichen, wird ſich un-
abweichend in der lat. griech. und indiſchen nachwei-
ſen. Ausdrücklich erkennt das ſanſkrit noch r und l als
vocale an und gebraucht in dieſem ſinne r oft, l ſeltner.
Die ſchwächung des älteren m in ein ſpäteres n er-
ſcheint überall, eine menge von wörtern mit m im ſanſkr.
und lat. bekommen im griech. n; gerade wie der mit-
telh. auslaut n inlautend wieder zu m wird (lein, lei-
mes; arn, armes, ſ. 386.) ſo verhält ſich ἦν zu ἦμεν (lat.
eram, eramus, vgl. νέον mit novnm). Analoge ver-
wandlungen des ſ in r bieten ſich allenthalben dar. na-
mentlich iſt das latein dem r vorzugsweiſe ergeben, r
aber immer als jüngere form zu betrachten. Den wech-
ſel der ſpiranten v (des digamma) ſ. h. bezeugen ἑσπέρα,
veſpera; ἑπτὰ, ſeptem; ὗς, ſus; ἕρπω, ſerpo; ἑκυρὸς,
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/609>, abgerufen am 22.11.2024.
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