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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. vergleichung fremder buchstaben.
c) die lautverschiebung erfolgt in der masse, thut sich
aber im einzelnen niemahls rein ab; es bleiben
wörter in dem verhältnisse der alten einrichtung
stehn, der strom der neuerung ist an ihnen vorbei-
gefloßen. Schutz gewährten ihnen zumahl (nicht
immer) die verbindung mit den unwandelbaren li-
quiden und spiranten. Also haben a) einzelne wör-
ter der goth. etc. sprache noch das gepräge der lat.
griech. ordnung, z. b. das s. 152. beigebrachte du,
dis, vgl. mit dem sächs. to und alth. zuo, zi, zer;
unrichtig war daddjan (dän. deie) angeführt, welches
sich ganz nach der sechsten gleichung zu thaein ver-
hält, und mit dem angels. tit nichts zu schaffen hat.
Weitere beispiele sind das alts. sedel st. setel (s. 217.)
das altn. pt statt ft (s. 314.). Die verwandtschaft
zwischen dies, dags, däg, dagr wäre nicht anders
zu nehmen. -- b) einzelne der alth. das gepräge
der gothischen etc., wohin die s. 154. 155. 394. auf-
gezählten wörter. -- g) einzeine goth. und alth.
(letztere folglich durch zwei lautverschiebungen un-
versehrte) stimmen zum lat. und griech. z. b. das
eben angezogene angels. tit, engl. teat, alth. tutto
(s. 155.) gr. titthe. weiter: longus, laggs, langr;
angustus, aggvus, engi; gramen, gras etc. *); --
d) von zwein cons. eines worts kann der eine ver-
schoben, der andere erhalten seyn, z. b. in taunga,
zunga, lingua blieb das g, während d (dingua) sich
abstufte; in prudentia, goth. frodei, litth. protas
stimmt die lingualis nicht; so mag auch gaudere
mit einem goth. gatjan (facere ut aliquis obtineat,
restituere, von gitan, wie nasjan von nisan) mittelh.
ergetzen nahverwandt seyn, und für die strengere
form katjan (altn. katr, laetus, neben geta acquirere
und getaz, acquiescere) mittelh. erchetzen hingehen.
*) Das alth. mit, miti passt zum griech. meta, haut, hautei zu
cutis, nicht zum goth. mith, altn. haudh, ich zweifle ob
von andern s. 159. in der note angeführten oder gemeinten
alth. wörtern ebenso geurtheilt werden kann. Bemerkens-
werth ist der widerspruch gegen die lingualvergleichung
in den wörtern pater, meter; pater, mater, frater; goth.
sadrs (?) brothar; angels, fäder, moder, brodher (vgl.
s. 514. 544.) astlt, vatar, muotar, pruodar; die deutschen
sprachen stimmen unter sich, so wie das lat, frater zu
ihnen; aber pather, mether sollte es heißen? Schwerlich,
im sanskr. haben alle drei die nämliche org. tenuis.
I. vergleichung fremder buchſtaben.
c) die lautverſchiebung erfolgt in der maſſe, thut ſich
aber im einzelnen niemahls rein ab; es bleiben
wörter in dem verhältniſſe der alten einrichtung
ſtehn, der ſtrom der neuerung iſt an ihnen vorbei-
gefloßen. Schutz gewährten ihnen zumahl (nicht
immer) die verbindung mit den unwandelbaren li-
quiden und ſpiranten. Alſo haben α) einzelne wör-
ter der goth. etc. ſprache noch das gepräge der lat.
griech. ordnung, z. b. das ſ. 152. beigebrachte du,
dis, vgl. mit dem ſächſ. tô und alth. zuo, zi, zër;
unrichtig war daddjan (dän. dîe) angeführt, welches
ſich ganz nach der ſechſten gleichung zu θάειν ver-
hält, und mit dem angelſ. tit nichts zu ſchaffen hat.
Weitere beiſpiele ſind das altſ. ſëdel ſt. ſëtel (ſ. 217.)
das altn. pt ſtatt ft (ſ. 314.). Die verwandtſchaft
zwiſchen dies, dags, däg, dagr wäre nicht anders
zu nehmen. — β) einzelne der alth. das gepräge
der gothiſchen etc., wohin die ſ. 154. 155. 394. auf-
gezählten wörter. — γ) einzeine goth. und alth.
(letztere folglich durch zwei lautverſchiebungen un-
verſehrte) ſtimmen zum lat. und griech. z. b. das
eben angezogene angelſ. tit, engl. teat, alth. tutto
(ſ. 155.) gr. τίτθη. weiter: longus, laggs, lângr;
anguſtus, aggvus, engi; gramen, gras etc. *); —
δ) von zwein conſ. eines worts kann der eine ver-
ſchoben, der andere erhalten ſeyn, z. b. in tûnga,
zunga, lingua blieb das g, während d (dingua) ſich
abſtufte; in prudentia, goth. frôdei, litth. protas
ſtimmt die lingualis nicht; ſo mag auch gaudere
mit einem goth. gatjan (facere ut aliquis obtineat,
reſtituere, von gitan, wie naſjan von niſan) mittelh.
ergetzen nahverwandt ſeyn, und für die ſtrengere
form katjan (altn. kâtr, laetus, neben gëta acquirere
und gëtaz, acquieſcere) mittelh. erchetzen hingehen.
*) Das alth. mit, miti paſſt zum griech. μετὰ, hût, hûtî zu
cutis, nicht zum goth. miþ, altn. hûdh, ich zweifle ob
von andern ſ. 159. in der note angeführten oder gemeinten
alth. wörtern ebenſo geurtheilt werden kann. Bemerkens-
werth iſt der widerſpruch gegen die lingualvergleichung
in den wörtern πατὴρ, μήτηρ; pater, mater, frater; goth.
ſadrs (?) brôþar; angelſ, fäder, môder, brôdher (vgl.
ſ. 514. 544.) aſtlt, vatar, muotar, pruodar; die deutſchen
ſprachen ſtimmen unter ſich, ſo wie das lat, frater zu
ihnen; aber παθὴρ, μήθηρ ſollte es heißen? Schwerlich,
im ſanſkr. haben alle drei die nämliche org. tenuis.
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[590/0616] I. vergleichung fremder buchſtaben. c) die lautverſchiebung erfolgt in der maſſe, thut ſich aber im einzelnen niemahls rein ab; es bleiben wörter in dem verhältniſſe der alten einrichtung ſtehn, der ſtrom der neuerung iſt an ihnen vorbei- gefloßen. Schutz gewährten ihnen zumahl (nicht immer) die verbindung mit den unwandelbaren li- quiden und ſpiranten. Alſo haben α) einzelne wör- ter der goth. etc. ſprache noch das gepräge der lat. griech. ordnung, z. b. das ſ. 152. beigebrachte du, dis, vgl. mit dem ſächſ. tô und alth. zuo, zi, zër; unrichtig war daddjan (dän. dîe) angeführt, welches ſich ganz nach der ſechſten gleichung zu θάειν ver- hält, und mit dem angelſ. tit nichts zu ſchaffen hat. Weitere beiſpiele ſind das altſ. ſëdel ſt. ſëtel (ſ. 217.) das altn. pt ſtatt ft (ſ. 314.). Die verwandtſchaft zwiſchen dies, dags, däg, dagr wäre nicht anders zu nehmen. — β) einzelne der alth. das gepräge der gothiſchen etc., wohin die ſ. 154. 155. 394. auf- gezählten wörter. — γ) einzeine goth. und alth. (letztere folglich durch zwei lautverſchiebungen un- verſehrte) ſtimmen zum lat. und griech. z. b. das eben angezogene angelſ. tit, engl. teat, alth. tutto (ſ. 155.) gr. τίτθη. weiter: longus, laggs, lângr; anguſtus, aggvus, engi; gramen, gras etc. *); — δ) von zwein conſ. eines worts kann der eine ver- ſchoben, der andere erhalten ſeyn, z. b. in tûnga, zunga, lingua blieb das g, während d (dingua) ſich abſtufte; in prudentia, goth. frôdei, litth. protas ſtimmt die lingualis nicht; ſo mag auch gaudere mit einem goth. gatjan (facere ut aliquis obtineat, reſtituere, von gitan, wie naſjan von niſan) mittelh. ergetzen nahverwandt ſeyn, und für die ſtrengere form katjan (altn. kâtr, laetus, neben gëta acquirere und gëtaz, acquieſcere) mittelh. erchetzen hingehen. *) Das alth. mit, miti paſſt zum griech. μετὰ, hût, hûtî zu cutis, nicht zum goth. miþ, altn. hûdh, ich zweifle ob von andern ſ. 159. in der note angeführten oder gemeinten alth. wörtern ebenſo geurtheilt werden kann. Bemerkens- werth iſt der widerſpruch gegen die lingualvergleichung in den wörtern πατὴρ, μήτηρ; pater, mater, frater; goth. ſadrs (?) brôþar; angelſ, fäder, môder, brôdher (vgl. ſ. 514. 544.) aſtlt, vatar, muotar, pruodar; die deutſchen ſprachen ſtimmen unter ſich, ſo wie das lat, frater zu ihnen; aber παθὴρ, μήθηρ ſollte es heißen? Schwerlich, im ſanſkr. haben alle drei die nämliche org. tenuis.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/616>, abgerufen am 22.11.2024.