Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.II. goth. subst. stark. masc. crste u. zweite decl. 2) die mit s schließenden wurzeln nehmen im nom. sg. kein casus -s an, machen ihn also dem acc. gleich; so stehet ans (trabs) urruns (anatole) drus (casus) f. anß, druß, urrunß. Dadurch mengen sich scheinbar formen wie runs (origo) runsis, runsa, runs (Luc. 1, 78. Matth. 8, 11.) mit runs (Rusis) runis, runa, run (Luc. 8, 43, 44. Marc. 5, 25. Matth. 8, 32.) oder ans, anzis mit der endung -ans, -anis. 3) es scheint, daß auch dem Gothen -r -s hart vorkam, (wenn kein weiterer cons. vorausgieng, wie in akrs) und der nom. dem acc. gleichstand; wenigstens finde ich durchgehends vair (vir) und nicht vairs, vielleicht zum unterschiede von der org. verbindung vairs (pe- jus)? und Neh. 5, 18. stiur (vitulus) f. stiurs; ebenso würde denn auch decl. 4. baur (silius) nicht baurs ste- hen, Doch vergl. die adj. decl.
1) diese decl. ist theoretisch ganz die vorige, indem das zwischentretende i zur bildung, nicht zur decl. gehört, weshalb eigentlich aufzustellen wäre: hari-s, harj-is, harj-a, hari; harj-os, harj-e, harj-am, harj-ans. Für die sprachgeschichte gewährt aber jene practische aufstellung vortheil und ist auch beizubehalten, weil 2) im nom. und gen. sg. eine merkwürdige verschieden- heit eintritt. Geht nämlich eine kurze, bloße wurzel- silbe voraus, so bleibt-jis, als: harjis (exercitus) nithjis (cognatus) andastathjis (adversarius); geht aber eine lange silbe, oder gehn mehrere silben voraus, so wandelt sich ji in ei (vgl. s. 36. über i und ei). Dieser fall ist un- gleich gewöhnlicher; er begreift a) andeis (finis) asneis (mercenarius) blostreis (cultor) vitoda-fasteis (legis peritus) hairdeis (pastor) hvaiteis (triticum) leikeis (me- dicus) faura-mathleis (praefectus) ragineis (consiliarius) siponeis (discipulus) und ohne zweifel, wenn berusjos (parentes) eines sg. fähig ist, würde dieser beruseis (parens) lauten *); auch der pl. silbasiunjos (testes ocu- *) Diese beiden wörter siponeis und bernsjes, in allen übri-
gen mundarten unerhört, sind dunkeler herkunst; die alth. form würde ungefähr siphuoni, parusa, parasa seyn. II. goth. ſubſt. ſtark. maſc. crſte u. zweite decl. 2) die mit s ſchließenden wurzeln nehmen im nom. ſg. kein caſus -s an, machen ihn alſo dem acc. gleich; ſo ſtehet ans (trabs) urruns (ὰνατολὴ) drus (caſus) f. anß, druß, urrunß. Dadurch mengen ſich ſcheinbar formen wie runs (origo) runſis, runſa, runs (Luc. 1, 78. Matth. 8, 11.) mit runs (ῥύσις) runis, runa, run (Luc. 8, 43, 44. Marc. 5, 25. Matth. 8, 32.) oder ans, anzis mit der endung -ans, -anis. 3) es ſcheint, daß auch dem Gothen -r -s hart vorkam, (wenn kein weiterer conſ. vorausgieng, wie in akrs) und der nom. dem acc. gleichſtand; wenigſtens finde ich durchgehends vair (vir) und nicht vairs, vielleicht zum unterſchiede von der org. verbindung vaírs (pe- jus)? und Neh. 5, 18. ſtiur (vitulus) f. ſtiurs; ebenſo würde denn auch decl. 4. baúr (ſilius) nicht baúrs ſte- hen, Doch vergl. die adj. decl.
1) dieſe decl. iſt theoretiſch ganz die vorige, indem das zwiſchentretende i zur bildung, nicht zur decl. gehört, weshalb eigentlich aufzuſtellen wäre: hari-s, harj-is, harj-a, hari; harj-ôs, harj-ê, harj-am, harj-ans. Für die ſprachgeſchichte gewährt aber jene practiſche aufſtellung vortheil und iſt auch beizubehalten, weil 2) im nom. und gen. ſg. eine merkwürdige verſchieden- heit eintritt. Geht nämlich eine kurze, bloße wurzel- ſilbe voraus, ſo bleibt-jis, als: harjis (exercitus) niþjis (cognatus) andaſtaþjis (adverſarius); geht aber eine lange ſilbe, oder gehn mehrere ſilben voraus, ſo wandelt ſich ji in ei (vgl. ſ. 36. über i und ei). Dieſer fall iſt un- gleich gewöhnlicher; er begreift a) andeis (finis) aſneis (mercenarius) blôſtreis (cultor) vitôda-faſteis (legis peritus) haírdeis (paſtor) hváiteis (triticum) leikeis (me- dicus) faúra-maþleis (praefectus) ragineis (conſiliarius) ſipôneis (diſcipulus) und ohne zweifel, wenn bêruſjôs (parentes) eines ſg. fähig iſt, würde dieſer bêruſeis (parens) lauten *); auch der pl. ſilbaſiunjôs (teſtes ocu- *) Dieſe beiden wörter ſipôneis und bêrnſjês, in allen übri-
gen mundarten unerhört, ſind dunkeler herkunſt; die alth. form würde ungefähr ſiphuoni, pâruſâ, pâraſâ ſeyn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <pb facs="#f0625" n="599"/> <fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">goth. ſubſt. ſtark. maſc. crſte u. zweite decl.</hi></fw><lb/> <item>2) die mit s ſchließenden wurzeln nehmen im nom. ſg.<lb/> kein caſus -s an, machen ihn alſo dem acc. gleich;<lb/> ſo ſtehet ans (trabs) urruns (<hi rendition="#i">ὰνατολὴ</hi>) drus (caſus) f.<lb/> anß, druß, urrunß. Dadurch mengen ſich ſcheinbar<lb/> formen wie runs (origo) runſis, runſa, runs (Luc. 1, 78.<lb/> Matth. 8, 11.) mit runs (<hi rendition="#i">ῥύσις</hi>) runis, runa, run<lb/> (Luc. 8, 43, 44. Marc. 5, 25. Matth. 8, 32.) oder ans, anzis<lb/> mit der endung -ans, -anis.</item><lb/> <item>3) es ſcheint, daß auch dem Gothen -r -s hart vorkam,<lb/> (wenn kein weiterer conſ. vorausgieng, wie in akrs)<lb/> und der nom. dem acc. gleichſtand; wenigſtens finde<lb/> ich durchgehends vair (vir) und nicht vairs, vielleicht<lb/> zum unterſchiede von der org. verbindung vaírs (pe-<lb/> jus)? und Neh. 5, 18. ſtiur (vitulus) f. ſtiurs; ebenſo<lb/> würde denn auch decl. 4. baúr (ſilius) nicht baúrs ſte-<lb/> hen, Doch vergl. die adj. decl.</item> </list><lb/> <table> <head> <hi rendition="#i">Starkes maſc. zweite declination.</hi> </head> <row> <cell rows="5">beiſpiel:</cell> <cell> har-jis</cell> <cell rows="5">pl.</cell> <cell> har-jôs</cell> <cell>haírd-eis</cell> <cell rows="5">pl.</cell> <cell> haírd-jôs</cell> </row> <row> <cell>har-jis</cell> <cell>har-jê</cell> <cell>haírd-eis</cell> <cell>haírd-jê</cell> </row> <row> <cell>har-ja</cell> <cell>har-jam</cell> <cell>haírd-ja</cell> <cell>haírd-jam</cell> </row> <row> <cell>har-i</cell> <cell>har jans</cell> <cell>haírd-i</cell> <cell>haírd-jans</cell> </row> <row> <cell>har-i</cell> <cell/> <cell>haírd-i (ei)</cell> <cell/> </row><lb/> </table> <list> <item>1) dieſe decl. iſt theoretiſch ganz die vorige, indem das<lb/> zwiſchentretende i zur bildung, nicht zur decl. gehört,<lb/> weshalb eigentlich aufzuſtellen wäre: hari-s, harj-is,<lb/> harj-a, hari; harj-ôs, harj-ê, harj-am, harj-ans.<lb/> Für die ſprachgeſchichte gewährt aber jene practiſche<lb/> aufſtellung vortheil und iſt auch beizubehalten, weil</item><lb/> <item>2) im nom. und gen. ſg. eine merkwürdige verſchieden-<lb/> heit eintritt. Geht nämlich eine kurze, bloße wurzel-<lb/> ſilbe voraus, ſo bleibt-jis, als: harjis (exercitus) niþjis<lb/> (cognatus) andaſtaþjis (adverſarius); geht aber eine lange<lb/> ſilbe, oder gehn mehrere ſilben voraus, ſo wandelt ſich<lb/><hi rendition="#i">ji</hi> in <hi rendition="#i">ei</hi> (vgl. ſ. 36. über i und ei). Dieſer fall iſt un-<lb/> gleich gewöhnlicher; er begreift a) andeis (finis) aſneis<lb/> (mercenarius) blôſtreis (cultor) vitôda-faſteis (legis<lb/> peritus) haírdeis (paſtor) hváiteis (triticum) leikeis (me-<lb/> dicus) faúra-maþleis (praefectus) ragineis (conſiliarius)<lb/> ſipôneis (diſcipulus) und ohne zweifel, wenn bêruſjôs<lb/> (parentes) eines ſg. fähig iſt, würde dieſer bêruſeis<lb/> (parens) lauten <note place="foot" n="*)">Dieſe beiden wörter ſipôneis und bêrnſjês, in allen übri-<lb/> gen mundarten unerhört, ſind dunkeler herkunſt; die<lb/> alth. form würde ungefähr ſiphuoni, pâruſâ, pâraſâ ſeyn.</note>; auch der pl. ſilbaſiunjôs (teſtes ocu-<lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [599/0625]
II. goth. ſubſt. ſtark. maſc. crſte u. zweite decl.
2) die mit s ſchließenden wurzeln nehmen im nom. ſg.
kein caſus -s an, machen ihn alſo dem acc. gleich;
ſo ſtehet ans (trabs) urruns (ὰνατολὴ) drus (caſus) f.
anß, druß, urrunß. Dadurch mengen ſich ſcheinbar
formen wie runs (origo) runſis, runſa, runs (Luc. 1, 78.
Matth. 8, 11.) mit runs (ῥύσις) runis, runa, run
(Luc. 8, 43, 44. Marc. 5, 25. Matth. 8, 32.) oder ans, anzis
mit der endung -ans, -anis.
3) es ſcheint, daß auch dem Gothen -r -s hart vorkam,
(wenn kein weiterer conſ. vorausgieng, wie in akrs)
und der nom. dem acc. gleichſtand; wenigſtens finde
ich durchgehends vair (vir) und nicht vairs, vielleicht
zum unterſchiede von der org. verbindung vaírs (pe-
jus)? und Neh. 5, 18. ſtiur (vitulus) f. ſtiurs; ebenſo
würde denn auch decl. 4. baúr (ſilius) nicht baúrs ſte-
hen, Doch vergl. die adj. decl.
Starkes maſc. zweite declination.
beiſpiel: har-jis pl. har-jôs haírd-eis pl. haírd-jôs
har-jis har-jê haírd-eis haírd-jê
har-ja har-jam haírd-ja haírd-jam
har-i har jans haírd-i haírd-jans
har-i haírd-i (ei)
1) dieſe decl. iſt theoretiſch ganz die vorige, indem das
zwiſchentretende i zur bildung, nicht zur decl. gehört,
weshalb eigentlich aufzuſtellen wäre: hari-s, harj-is,
harj-a, hari; harj-ôs, harj-ê, harj-am, harj-ans.
Für die ſprachgeſchichte gewährt aber jene practiſche
aufſtellung vortheil und iſt auch beizubehalten, weil
2) im nom. und gen. ſg. eine merkwürdige verſchieden-
heit eintritt. Geht nämlich eine kurze, bloße wurzel-
ſilbe voraus, ſo bleibt-jis, als: harjis (exercitus) niþjis
(cognatus) andaſtaþjis (adverſarius); geht aber eine lange
ſilbe, oder gehn mehrere ſilben voraus, ſo wandelt ſich
ji in ei (vgl. ſ. 36. über i und ei). Dieſer fall iſt un-
gleich gewöhnlicher; er begreift a) andeis (finis) aſneis
(mercenarius) blôſtreis (cultor) vitôda-faſteis (legis
peritus) haírdeis (paſtor) hváiteis (triticum) leikeis (me-
dicus) faúra-maþleis (praefectus) ragineis (conſiliarius)
ſipôneis (diſcipulus) und ohne zweifel, wenn bêruſjôs
(parentes) eines ſg. fähig iſt, würde dieſer bêruſeis
(parens) lauten *); auch der pl. ſilbaſiunjôs (teſtes ocu-
*) Dieſe beiden wörter ſipôneis und bêrnſjês, in allen übri-
gen mundarten unerhört, ſind dunkeler herkunſt; die
alth. form würde ungefähr ſiphuoni, pâruſâ, pâraſâ ſeyn.
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