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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. allg. vergleichung der declination.
kein umlaut). Die altnord. abweichung des gen. bra-
gar, dat. brag von fisks, fiski verdient aufmerksamkeit.
Sollte der pl. balgeis aus balgjis entspringen? Dem
adj. überhaupt und dem subst. neutr. mangelt diese
vierte decl.
29) in der weibl. ersten decl. verstehe ich den wechsel
zwischen dem -ai und o der flexionen wie anm. 25,
womit sich auch der unterschied alth. mundarten,
welche den gen. sg. und nom. pl. bald -a, bald -o
machen (s. 616. 617. 723.), aufklärt *). Der sprach-
geist hieng entw. dem alten -o an (ohne es einmahl
in uo zu wandeln, s. 96.) oder brauchte die natürliche
länge a. Letztere herrscht wohl in allen altn. gen.
und plur. formen -ar = goth. -os, -ais): blindrar,
blindar giafar, astar. sonar, bragar. Im alth. adj. und
dat. pl. haftete o stärker. Schwerer bleibt mir die
auslegung des -u im nom. sg. (st. des goth. -a) ob-
schon es sich dem -um des männl. dat. pl. (goth. -am)
vergleicht; das dative -u wäre wohl -au (? -uo).
30) der zweiten weibl. subst. decl. thivi (f. thiuja) acc.
thiuja, pl. thiujos steht das pron. si, acc. ija, pl. ijos zu
vergleichen; der alth. nom. siu, acc. sia parallel dem
adj. mitju, mitja könnte dann doch das s. 628. ver-
worfene maneghju (J. 363.) vgl. meßhaftju (K. 37a)
rechtfertigen, zumahl wenn man das angels. menigo
(s. 642.), woneben menigeo (wie heo), anschlägt.
31) die dritte fällt zus. mit der dritten männl. (vgl.
anm. 2. a).
32) die vierte hat, den gen. dat. sg. abgezählt, männ-
liche flexion; denn hieße auch der gen. anstis, dat.
ansta, so wäre die einstimmung mit balgs vollständig
und diese wörter gehörten in die zweite anm. (s. 801.).
Wie aber anstais, anstai sich den formen gibos, gibai
nähern, scheinen auch die pl. haimos, haimo, dailos
(s. 605.) hervorzugehen. Indessen haben diese ausnah-
men keinen fortgang und spätere sprachen halten
die erste und vierte weibl. decl. fortwährend geson-
dert. --
33) die fortschreitende sprache unterdrückt die bildungs-
vocale i und u allmählig, wir sehen schon im goth.
*) Vielleicht auch der alth. pl. neutr. zuei, dei; angels. tva,
tha (s. 761. 791.) vgl. mit dem goth. tho, hvo.
II. allg. vergleichung der declination.
kein umlaut). Die altnord. abweichung des gen. bra-
gâr, dat. brag von fiſks, fiſki verdient aufmerkſamkeit.
Sollte der pl. balgeis aus balgjis entſpringen? Dem
adj. überhaupt und dem ſubſt. neutr. mangelt dieſe
vierte decl.
29) in der weibl. erſten decl. verſtehe ich den wechſel
zwiſchen dem -ái und ô der flexionen wie anm. 25,
womit ſich auch der unterſchied alth. mundarten,
welche den gen. ſg. und nom. pl. bald -â, bald -ô
machen (ſ. 616. 617. 723.), aufklärt *). Der ſprach-
geiſt hieng entw. dem alten -ô an (ohne es einmahl
in uo zu wandeln, ſ. 96.) oder brauchte die natürliche
länge â. Letztere herrſcht wohl in allen altn. gen.
und plur. formen -âr = goth. -ôs, -áis): blindrâr,
blindâr giafâr, âſtâr. ſonâr, bragâr. Im alth. adj. und
dat. pl. haftete ô ſtärker. Schwerer bleibt mir die
auslegung des -u im nom. ſg. (ſt. des goth. -a) ob-
ſchon es ſich dem -um des männl. dat. pl. (goth. -am)
vergleicht; das dative -u wäre wohl -û (? -uo).
30) der zweiten weibl. ſubſt. decl. þivi (f. þiuja) acc.
þiuja, pl. þiujôs ſteht das pron. ſi, acc. ïja, pl. ïjôs zu
vergleichen; der alth. nom. ſiu, acc. ſia parallel dem
adj. mitju, mitja könnte dann doch das ſ. 628. ver-
worfene maneghju (J. 363.) vgl. mëƷhaftju (K. 37a)
rechtfertigen, zumahl wenn man das angelſ. menigo
(ſ. 642.), woneben menigëó (wie hëó), anſchlägt.
31) die dritte fällt zuſ. mit der dritten männl. (vgl.
anm. 2. a).
32) die vierte hat, den gen. dat. ſg. abgezählt, männ-
liche flexion; denn hieße auch der gen. anſtis, dat.
anſta, ſo wäre die einſtimmung mit balgs vollſtändig
und dieſe wörter gehörten in die zweite anm. (ſ. 801.).
Wie aber anſtáis, anſtái ſich den formen gibôs, gibái
nähern, ſcheinen auch die pl. háimôs, háimô, dáilôs
(ſ. 605.) hervorzugehen. Indeſſen haben dieſe ausnah-
men keinen fortgang und ſpätere ſprachen halten
die erſte und vierte weibl. decl. fortwährend geſon-
dert. —
33) die fortſchreitende ſprache unterdrückt die bildungs-
vocale i und u allmählig, wir ſehen ſchon im goth.
*) Vielleicht auch der alth. pl. neutr. zuei, dei; angelſ. tvâ,
þâ (ſ. 761. 791.) vgl. mit dem goth. þô, hvô.
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[812/0838] II. allg. vergleichung der declination. kein umlaut). Die altnord. abweichung des gen. bra- gâr, dat. brag von fiſks, fiſki verdient aufmerkſamkeit. Sollte der pl. balgeis aus balgjis entſpringen? Dem adj. überhaupt und dem ſubſt. neutr. mangelt dieſe vierte decl. 29) in der weibl. erſten decl. verſtehe ich den wechſel zwiſchen dem -ái und ô der flexionen wie anm. 25, womit ſich auch der unterſchied alth. mundarten, welche den gen. ſg. und nom. pl. bald -â, bald -ô machen (ſ. 616. 617. 723.), aufklärt *). Der ſprach- geiſt hieng entw. dem alten -ô an (ohne es einmahl in uo zu wandeln, ſ. 96.) oder brauchte die natürliche länge â. Letztere herrſcht wohl in allen altn. gen. und plur. formen -âr = goth. -ôs, -áis): blindrâr, blindâr giafâr, âſtâr. ſonâr, bragâr. Im alth. adj. und dat. pl. haftete ô ſtärker. Schwerer bleibt mir die auslegung des -u im nom. ſg. (ſt. des goth. -a) ob- ſchon es ſich dem -um des männl. dat. pl. (goth. -am) vergleicht; das dative -u wäre wohl -û (? -uo). 30) der zweiten weibl. ſubſt. decl. þivi (f. þiuja) acc. þiuja, pl. þiujôs ſteht das pron. ſi, acc. ïja, pl. ïjôs zu vergleichen; der alth. nom. ſiu, acc. ſia parallel dem adj. mitju, mitja könnte dann doch das ſ. 628. ver- worfene maneghju (J. 363.) vgl. mëƷhaftju (K. 37a) rechtfertigen, zumahl wenn man das angelſ. menigo (ſ. 642.), woneben menigëó (wie hëó), anſchlägt. 31) die dritte fällt zuſ. mit der dritten männl. (vgl. anm. 2. a). 32) die vierte hat, den gen. dat. ſg. abgezählt, männ- liche flexion; denn hieße auch der gen. anſtis, dat. anſta, ſo wäre die einſtimmung mit balgs vollſtändig und dieſe wörter gehörten in die zweite anm. (ſ. 801.). Wie aber anſtáis, anſtái ſich den formen gibôs, gibái nähern, ſcheinen auch die pl. háimôs, háimô, dáilôs (ſ. 605.) hervorzugehen. Indeſſen haben dieſe ausnah- men keinen fortgang und ſpätere ſprachen halten die erſte und vierte weibl. decl. fortwährend geſon- dert. — 33) die fortſchreitende ſprache unterdrückt die bildungs- vocale i und u allmählig, wir ſehen ſchon im goth. *) Vielleicht auch der alth. pl. neutr. zuei, dei; angelſ. tvâ, þâ (ſ. 761. 791.) vgl. mit dem goth. þô, hvô.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 812. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/838>, abgerufen am 28.07.2024.