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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. althochdeutsche starke conjugation.
fo wie I. pl. praet. durchgehends mit der III. pl. schäd-
lich mengen. N. setzt überall -n. -- 3) eine merkwür-
dige spur der I. sg. conj. auf -m, statt des vocals,
gewährt ar-welim (ferverem) gl. hrab. 952b, woraus
freilich die nothwendigkeit des dem pl. angefügten -es
hervorgienge, so wie seine erläßlichkeit, sobald dem sg.
das -m mangelt. Was früher z. b. lasi-m (legerem) laseimes
(legeremus) lautete, konnte später lasi (legerem) laseim
(legeremus) heißen; auch hier sehe ich den gemuthmaß-
ten dat. sg. palkim, dat. pl. palkimer (s. 808.) bestä-
tigt. -- 4) spurweise bei O und T., entschieden bei N.,
lautet die II. pl. jedes modi der III. pl. ind. gleich auf
-nt, während im praet. und conj die III. pl. selbst die-
ses t frei bleibt. -- 5) II. sg. praes. ind. conj. und
praet. conj. beginnt bey O. hin und wieder dem -s
ein t zuzufügen; bei N herrscht dieses -st statt -s aus-
gemacht. -- 6) II. sg. praet. ind. hat kein dem goth. -t
paralleles - ß, sondern -i, und, wo der ablaut des sg.
von dem des pl. abweicht, stets mit dem wurzelvocal
und dem cons. des pl. ind., folglich zugleich des sg. pl.
praet. conj. z. b. chos, churi; was, wari; screi, scriri;
sluoh, sluogi; zeh, zigi; zoh. zugi; sah, sahi; meit,
miti; sot, suti; war, wurri etc. -- 7) das -n des inf.
mangelt höchst selten, z. b. in den gl. wirceb, wo
aber die lesart nicht hinreichend sicher ist. -- b)
flexionsvocale 1) I. praes. sg. ind. hat -u statt des
goth. -a (wie der nom. des starken fem. erster decl.);
N gebraucht dafür -o. -- 2) langes e in II. sg. und
I. II. III. pl. praes. conj. folgt theils aus dem goth.
ai, theils aus N. schreibung -e, theils aus kangees
K. 26b etc., das e in -mes aus winnamees, pittamees etc.
K. 27a 28a. -- 3) langes ei in II. sg. und I. II. III. pl. praet.
conj. wiederum aus dem goth. -ei und N. circumflec-
tiertem -ei -- 4) I und III. sg. praes. conj. scheint frü-
her zuweilen -a statt -e, vgl. geba (dem) samarit.,
wesa (sit) misc. 2, 288. werda (fiat) ibid., was für die
kürze des -e streitet, da das goth. -au, -ai lieber lan-
gen voc. muthmaßen ließe. -- 5) allmählig wandeln sich
alle kurzen flexions -a in tonlose -e, die weder e noch
e (umgelautetes a) sind; später die kurzen -u und -i
in eben ein solches -e; bei N. sind bereits die drei
kurzen vocale gemischt, doch noch von den langen ge-
schieden. -- g) zur übersicht der abstufung setze ich die
flexionen nach O und N. her, welche man mit obigem,
den ältesten quellen gemäßem paradigma vergleichen

II. althochdeutſche ſtarke conjugation.
fo wie I. pl. praet. durchgehends mit der III. pl. ſchäd-
lich mengen. N. ſetzt überall -n. — 3) eine merkwür-
dige ſpur der I. ſg. conj. auf -m, ſtatt des vocals,
gewährt ar-wêlim (ferverem) gl. hrab. 952b, woraus
freilich die nothwendigkeit des dem pl. angefügten -ês
hervorgienge, ſo wie ſeine erläßlichkeit, ſobald dem ſg.
das -m mangelt. Was früher z. b. lâſi-m (legerem) laſîmês
(legeremus) lautete, konnte ſpäter lâſi (legerem) lâſîm
(legeremus) heißen; auch hier ſehe ich den gemuthmaß-
ten dat. ſg. palkim, dat. pl. palkimêr (ſ. 808.) beſtä-
tigt. — 4) ſpurweiſe bei O und T., entſchieden bei N.,
lautet die II. pl. jedes modi der III. pl. ind. gleich auf
-nt, während im praet. und conj die III. pl. ſelbſt die-
ſes t frei bleibt. — 5) II. ſg. praeſ. ind. conj. und
praet. conj. beginnt bey O. hin und wieder dem -s
ein t zuzufügen; bei N herrſcht dieſes -ſt ſtatt -s aus-
gemacht. — 6) II. ſg. praet. ind. hat kein dem goth. -t
paralleles - Ʒ, ſondern -i, und, wo der ablaut des ſg.
von dem des pl. abweicht, ſtets mit dem wurzelvocal
und dem conſ. des pl. ind., folglich zugleich des ſg. pl.
praet. conj. z. b. chôs, churi; was, wâri; ſcrei, ſcriri;
ſluoh, ſluogi; zêh, zigi; zôh. zugi; ſah, ſâhi; meit,
miti; ſôt, ſuti; war, wurri etc. — 7) das -n des inf.
mangelt höchſt ſelten, z. b. in den gl. wirceb, wo
aber die lesart nicht hinreichend ſicher iſt. — β)
flexionsvocale 1) I. praeſ. ſg. ind. hat -u ſtatt des
goth. -a (wie der nom. des ſtarken fem. erſter decl.);
N gebraucht dafür -o. — 2) langes ê in II. ſg. und
I. II. III. pl. praeſ. conj. folgt theils aus dem goth.
ái, theils aus N. ſchreibung -ê, theils aus kangees
K. 26b etc., das ê in -mês aus winnamees, pittamees etc.
K. 27a 28a. — 3) langes î in II. ſg. und I. II. III. pl. praet.
conj. wiederum aus dem goth. -ei und N. circumflec-
tiertem -î — 4) I und III. ſg. praeſ. conj. ſcheint frü-
her zuweilen -a ſtatt -e, vgl. gëba (dem) ſamarit.,
weſa (ſit) miſc. 2, 288. wërda (fiat) ibid., was für die
kürze des -e ſtreitet, da das goth. -áu, -ái lieber lan-
gen voc. muthmaßen ließe. — 5) allmählig wandeln ſich
alle kurzen flexions -a in tonloſe -e, die weder ë noch
e (umgelautetes a) ſind; ſpäter die kurzen -u und -i
in eben ein ſolches -e; bei N. ſind bereits die drei
kurzen vocale gemiſcht, doch noch von den langen ge-
ſchieden. — γ) zur überſicht der abſtufung ſetze ich die
flexionen nach O und N. her, welche man mit obigem,
den älteſten quellen gemäßem paradigma vergleichen

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[857/0883] II. althochdeutſche ſtarke conjugation. fo wie I. pl. praet. durchgehends mit der III. pl. ſchäd- lich mengen. N. ſetzt überall -n. — 3) eine merkwür- dige ſpur der I. ſg. conj. auf -m, ſtatt des vocals, gewährt ar-wêlim (ferverem) gl. hrab. 952b, woraus freilich die nothwendigkeit des dem pl. angefügten -ês hervorgienge, ſo wie ſeine erläßlichkeit, ſobald dem ſg. das -m mangelt. Was früher z. b. lâſi-m (legerem) laſîmês (legeremus) lautete, konnte ſpäter lâſi (legerem) lâſîm (legeremus) heißen; auch hier ſehe ich den gemuthmaß- ten dat. ſg. palkim, dat. pl. palkimêr (ſ. 808.) beſtä- tigt. — 4) ſpurweiſe bei O und T., entſchieden bei N., lautet die II. pl. jedes modi der III. pl. ind. gleich auf -nt, während im praet. und conj die III. pl. ſelbſt die- ſes t frei bleibt. — 5) II. ſg. praeſ. ind. conj. und praet. conj. beginnt bey O. hin und wieder dem -s ein t zuzufügen; bei N herrſcht dieſes -ſt ſtatt -s aus- gemacht. — 6) II. ſg. praet. ind. hat kein dem goth. -t paralleles - Ʒ, ſondern -i, und, wo der ablaut des ſg. von dem des pl. abweicht, ſtets mit dem wurzelvocal und dem conſ. des pl. ind., folglich zugleich des ſg. pl. praet. conj. z. b. chôs, churi; was, wâri; ſcrei, ſcriri; ſluoh, ſluogi; zêh, zigi; zôh. zugi; ſah, ſâhi; meit, miti; ſôt, ſuti; war, wurri etc. — 7) das -n des inf. mangelt höchſt ſelten, z. b. in den gl. wirceb, wo aber die lesart nicht hinreichend ſicher iſt. — β) flexionsvocale 1) I. praeſ. ſg. ind. hat -u ſtatt des goth. -a (wie der nom. des ſtarken fem. erſter decl.); N gebraucht dafür -o. — 2) langes ê in II. ſg. und I. II. III. pl. praeſ. conj. folgt theils aus dem goth. ái, theils aus N. ſchreibung -ê, theils aus kangees K. 26b etc., das ê in -mês aus winnamees, pittamees etc. K. 27a 28a. — 3) langes î in II. ſg. und I. II. III. pl. praet. conj. wiederum aus dem goth. -ei und N. circumflec- tiertem -î — 4) I und III. ſg. praeſ. conj. ſcheint frü- her zuweilen -a ſtatt -e, vgl. gëba (dem) ſamarit., weſa (ſit) miſc. 2, 288. wërda (fiat) ibid., was für die kürze des -e ſtreitet, da das goth. -áu, -ái lieber lan- gen voc. muthmaßen ließe. — 5) allmählig wandeln ſich alle kurzen flexions -a in tonloſe -e, die weder ë noch e (umgelautetes a) ſind; ſpäter die kurzen -u und -i in eben ein ſolches -e; bei N. ſind bereits die drei kurzen vocale gemiſcht, doch noch von den langen ge- ſchieden. — γ) zur überſicht der abſtufung ſetze ich die flexionen nach O und N. her, welche man mit obigem, den älteſten quellen gemäßem paradigma vergleichen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 857. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/883>, abgerufen am 28.07.2024.