wörter scheinen bloß neben einander gestellt und etwa durch ausgelassene conjunctionen in verbindung gebracht. Ich sondere hier folgende einzelne fälle:
1) [vergleichung], diese deutung ist vornämlich auf adjectivische zus. setzung anwendbar und findet bei sub- stantivischer selten statt. Das erste wort enthält die sache, der das zweite gleicht. Ahd. golt-vincho (aurivittis) der vogel, dessen gefieder wie gold glänzt; sun-chever (bru- chus) N. 104, 34. der käfer, mit leuchtenden flügeln (oder der in der sonnenwärme hervorkommt?). Nhd. laub-frosch (grün, wie laub); beisam-käfer (wie bisam riechend); staub-regen (fein wie st.); mann-weib (wie ein mann); feuer-kopf (roth, hitzig wie feuer). Doch berühren sich hiermit uneigentliche composita, wie hunds- auge (kunos ommat' ekhon) schafs-kopf (kopf von einem sch.) und altn. bedeutet dauna-logn federstille, wann sich in der lust keine flocke regt, aber dauna ist gen. pl.
2) [species und genus] in thier-, pflanzen- und steinnamen erscheinen oft zwei verwandte wörter neben- einander, das erste gibt die art zu dem geschlecht an. Ahd. hint-chalp (hinnulus) nhd. reh-kalb, reh-kauh, hirsch-kauh; ahd. stuot-hros, stuot-ros trev. 11b ags. stod- hors, stod-myre, altn. stod-hroß, nhd. mutter-pferd; mhd. eber-swein Nib. troj. 46a, vgl. das alts. ko-swein in der freckenh. urk.; nhd. reh-thier, gems-thier, maul- thier, reh-bock, schaf-bock, rind-vieh, schaf-vieh; wal- fisc jun. 277. nhd. wall-fisch. Eine menge zusammen- setzungen mit -baum, -beere, -gras, -kraut, -lauch, -wurz, -kohl, z. b. goth. veina-triu, aleva-bagms, ahd. oli-poum, nhd. apfel-baum etc. Beispiele aus dem erd- reich: ahd. vlins-stein, nhd. kiesel-stein (ags. ceosol-stan und sand-ceosol, sabulum) etc. *). Nun ließen sich zwar einige solcher wörter präpositionell faßen, z. b. hintkalb wäre das von der hindin geborne, apfelbaum der mit äpfeln behangne baum. Die deutung scheint mir aber falsch, theils weil sie bei den wenigsten zutrifft, theils weil bei den baumnamen das erste wort eben nicht die frucht ausdrückt. Die frucht des veinatriu heißt veina- basi, des eichbaums eichel, jene ansicht forderte also vei- nabasitriu, eichelbaum. Ueberhaupt mag in diesen com-
*) man kann hierher auch viele composita mit strom und fluß zählen, z. b. meri-strom, aha-strom, rein-strom, elb-strom; vgl. hernach 4, a.
III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit comp.
wörter ſcheinen bloß neben einander geſtellt und etwa durch ausgelaſſene conjunctionen in verbindung gebracht. Ich ſondere hier folgende einzelne fälle:
1) [vergleichung], dieſe deutung iſt vornämlich auf adjectiviſche zuſ. ſetzung anwendbar und findet bei ſub- ſtantiviſcher ſelten ſtatt. Das erſte wort enthält die ſache, der das zweite gleicht. Ahd. golt-vincho (aurivittis) der vogel, deſſen gefieder wie gold glänzt; ſun-chëver (bru- chus) N. 104, 34. der käfer, mit leuchtenden flügeln (oder der in der ſonnenwärme hervorkommt?). Nhd. laub-froſch (grün, wie laub); bîſam-käfer (wie biſam riechend); ſtaub-rêgen (fein wie ſt.); mann-weib (wie ein mann); feuer-kopf (roth, hitzig wie feuer). Doch berühren ſich hiermit uneigentliche compoſita, wie hunds- auge (κυνὸς ὄμματ᾽ ἔχων) ſchâfs-kopf (kopf von einem ſch.) und altn. bedeutet dûna-logn federſtille, wann ſich in der luſt keine flocke regt, aber dûna iſt gen. pl.
2) [ſpecies und genus] in thier-, pflanzen- und ſteinnamen erſcheinen oft zwei verwandte wörter neben- einander, das erſte gibt die art zu dem geſchlecht an. Ahd. hint-chalp (hinnulus) nhd. rêh-kalb, rêh-kûh, hirſch-kûh; ahd. ſtuot-hros, ſtuot-ros trev. 11b agſ. ſtôd- hors, ſtôd-myre, altn. ſtôd-hroß, nhd. mutter-pferd; mhd. ëber-ſwîn Nib. troj. 46a, vgl. das altſ. kô-ſwîn in der freckenh. urk.; nhd. rêh-thier, gems-thier, maul- thier, rêh-bock, ſchâf-bock, rind-vieh, ſchâf-vieh; wal- fiſc jun. 277. nhd. wall-fiſch. Eine menge zuſammen- ſetzungen mit -baum, -beere, -gras, -kraut, -lauch, -wurz, -kohl, z. b. goth. veina-triu, alêva-bagms, ahd. oli-poum, nhd. apfel-baum etc. Beiſpiele aus dem erd- reich: ahd. vlins-ſtein, nhd. kieſel-ſtein (agſ. cëoſol-ſtân und ſand-cëoſol, ſabulum) etc. *). Nun ließen ſich zwar einige ſolcher wörter präpoſitionell faßen, z. b. hintkalb wäre das von der hindin geborne, apfelbaum der mit äpfeln behangne baum. Die deutung ſcheint mir aber falſch, theils weil ſie bei den wenigſten zutrifft, theils weil bei den baumnamen das erſte wort eben nicht die frucht ausdrückt. Die frucht des veinatriu heißt veina- baſi, des eichbaums eichel, jene anſicht forderte alſo vei- nabaſitriu, eichelbaum. Ueberhaupt mag in dieſen com-
*) man kann hierher auch viele compoſita mit ſtrom und fluß zählen, z. b. meri-ſtrôm, aha-ſtrôm, rîn-ſtrôm, elb-ſtrôm; vgl. hernach 4, α.
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III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit comp.
wörter ſcheinen bloß neben einander geſtellt und etwa
durch ausgelaſſene conjunctionen in verbindung gebracht.
Ich ſondere hier folgende einzelne fälle:
1) [vergleichung], dieſe deutung iſt vornämlich auf
adjectiviſche zuſ. ſetzung anwendbar und findet bei ſub-
ſtantiviſcher ſelten ſtatt. Das erſte wort enthält die ſache,
der das zweite gleicht. Ahd. golt-vincho (aurivittis) der
vogel, deſſen gefieder wie gold glänzt; ſun-chëver (bru-
chus) N. 104, 34. der käfer, mit leuchtenden flügeln
(oder der in der ſonnenwärme hervorkommt?). Nhd.
laub-froſch (grün, wie laub); bîſam-käfer (wie biſam
riechend); ſtaub-rêgen (fein wie ſt.); mann-weib (wie
ein mann); feuer-kopf (roth, hitzig wie feuer). Doch
berühren ſich hiermit uneigentliche compoſita, wie hunds-
auge (κυνὸς ὄμματ᾽ ἔχων) ſchâfs-kopf (kopf von einem
ſch.) und altn. bedeutet dûna-logn federſtille, wann ſich
in der luſt keine flocke regt, aber dûna iſt gen. pl.
2) [ſpecies und genus] in thier-, pflanzen- und
ſteinnamen erſcheinen oft zwei verwandte wörter neben-
einander, das erſte gibt die art zu dem geſchlecht an.
Ahd. hint-chalp (hinnulus) nhd. rêh-kalb, rêh-kûh,
hirſch-kûh; ahd. ſtuot-hros, ſtuot-ros trev. 11b agſ. ſtôd-
hors, ſtôd-myre, altn. ſtôd-hroß, nhd. mutter-pferd;
mhd. ëber-ſwîn Nib. troj. 46a, vgl. das altſ. kô-ſwîn in
der freckenh. urk.; nhd. rêh-thier, gems-thier, maul-
thier, rêh-bock, ſchâf-bock, rind-vieh, ſchâf-vieh; wal-
fiſc jun. 277. nhd. wall-fiſch. Eine menge zuſammen-
ſetzungen mit -baum, -beere, -gras, -kraut, -lauch,
-wurz, -kohl, z. b. goth. veina-triu, alêva-bagms, ahd.
oli-poum, nhd. apfel-baum etc. Beiſpiele aus dem erd-
reich: ahd. vlins-ſtein, nhd. kieſel-ſtein (agſ. cëoſol-ſtân
und ſand-cëoſol, ſabulum) etc. *). Nun ließen ſich zwar
einige ſolcher wörter präpoſitionell faßen, z. b. hintkalb
wäre das von der hindin geborne, apfelbaum der mit
äpfeln behangne baum. Die deutung ſcheint mir aber
falſch, theils weil ſie bei den wenigſten zutrifft, theils
weil bei den baumnamen das erſte wort eben nicht die
frucht ausdrückt. Die frucht des veinatriu heißt veina-
baſi, des eichbaums eichel, jene anſicht forderte alſo vei-
nabaſitriu, eichelbaum. Ueberhaupt mag in dieſen com-
*) man kann hierher auch viele compoſita mit ſtrom und fluß
zählen, z. b. meri-ſtrôm, aha-ſtrôm, rîn-ſtrôm, elb-ſtrôm; vgl.
hernach 4, α.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/458>, abgerufen am 22.11.2024.
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