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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. subst. uneig. comp. -- subst. mit subst. gen.
z. b. ludwigs freund, schillers werke. b) bei einigen an-
dern subst., welche gleich den eigennamen keinen be-
stimmten artikel vor sich leiden, namentlich gott: gottes
sohn, gottes ehre. g) bei den subst. auf -er, welche aus
ortsnamen gebildet werden, tritt der gen. pl. (nicht sg.)
unzusammengesetzt vor das ihn regierende wort, z. b.
frankfurter geld, nürnberger waaren. d) für einzelne
redensarten, z. b. frühlings anfang. In allen andern fäl-
len ist der vorausgehende gen. an das subst. gewachsen *),
von welchem er abhängt, d. h. wirkliche (uneigentliche)
comp. eingetreten:

1) beispiele, wo sie schon im ahd. und mhd. möglich
war: a) hessen-land, franken-land, däne-mark, königs-
berg, franken-berg, franken-thal, manns-feld, thüringer-
wald, reinharts-wald. b) kriegs-mann, beckers-frau,
winds-braut, königs-sohn, königs-tochter, wirts-frau,
kriegs-gott, glücks-kind, teufels-kerl, himmels-bote. c)
benennungen der volkssprache für manche insecten, z. b.
die libelle heißt drachen-hure, pfaffen-köchin. d) pflan-
zen-namen, wiederum meist unter dem gemeinen volk:
bären-klau, hahnen-fuß, hasen-öhrlein, hirsch-brunst,
hüner-darm, katzen-schwanz, kröten-stuhl (fungus, plattd.
padden-stol) löwen-zahn, marien-pantoffel, pfaffen-hut, teu-
fels-klau, wolfs-milch etc. e) hahnen-feder, hahnen-kamm,
kalbs-fell, hunds-nase, löwen-herz, ochsen-fell, schwanen-fe-
der, schweins-leber, gänse-leber, wolfs-zahn, f) linden-blatt,
gersten-korn, samen-korn, trauben-kern, trauben-saft, schier-
sings-saft. g) hier weiß ich dem mhd. nichts entsprechendes,
man componiert eigentlich: sammet-rock, sammet-mütze,
scharlach-kleid, vermuthlich weil diese wörter längst einge-
wohnt und wie andere deutsche zu behandeln sind. h)
hosen-schnalle, pfannen-stiel. i) jahrs-tag, gerichts-tag,
abschieds-tag, jahrs-zeit, tags-zeit, sommers-zeit. k)
glücks-rad, mühl-rad, todten-kopf (todten ist gen. sg.
von: der todte) von kinds-beinen, harfen-schlag, brücken-
schlag, bluts-tropfe, menschen-heil.

2) beispiele nhd. composita, wo früher der lose gen.
statt fand: hungers-noth, feuers-noth, waßers-noth,

*) und zeichen davon, daß die alleinstehend veraltete schw.
genitivflexion fortdauert, sei es nun für einzelne fälle des gen.
sg. masc. oder für den gen. sg. fem. und neutr. insgemein, z. b. hah-
nen-kamm, sonnen-wärme, augen-blick, da wir jetzt declinieren:
des hahns, der sonne, des auges.

III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
z. b. ludwigs freund, ſchillers werke. β) bei einigen an-
dern ſubſt., welche gleich den eigennamen keinen be-
ſtimmten artikel vor ſich leiden, namentlich gott: gottes
ſohn, gottes ehre. γ) bei den ſubſt. auf -er, welche aus
ortsnamen gebildet werden, tritt der gen. pl. (nicht ſg.)
unzuſammengeſetzt vor das ihn regierende wort, z. b.
frankfurter geld, nürnberger waaren. δ) für einzelne
redensarten, z. b. frühlings anfang. In allen andern fäl-
len iſt der vorausgehende gen. an das ſubſt. gewachſen *),
von welchem er abhängt, d. h. wirkliche (uneigentliche)
comp. eingetreten:

1) beiſpiele, wo ſie ſchon im ahd. und mhd. möglich
war: a) heſſen-land, franken-land, däne-mark, königs-
berg, franken-berg, franken-thal, manns-feld, thüringer-
wald, reinharts-wald. b) kriegs-mann, beckers-frau,
winds-braut, königs-ſohn, königs-tochter, wirts-frau,
kriegs-gott, glücks-kind, teufels-kerl, himmels-bote. c)
benennungen der volksſprache für manche inſecten, z. b.
die libelle heißt drachen-hure, pfaffen-köchin. d) pflan-
zen-namen, wiederum meiſt unter dem gemeinen volk:
bären-klau, hahnen-fuß, haſen-öhrlein, hirſch-brunſt,
hüner-darm, katzen-ſchwanz, kröten-ſtuhl (fungus, plattd.
padden-ſtol) löwen-zahn, marien-pantoffel, pfaffen-hut, teu-
fels-klau, wolfs-milch etc. e) hahnen-feder, hahnen-kamm,
kalbs-fell, hunds-naſe, löwen-herz, ochſen-fell, ſchwanen-fe-
der, ſchweins-leber, gänſe-leber, wolfs-zahn, f) linden-blatt,
gerſten-korn, ſamen-korn, trauben-kern, trauben-ſaft, ſchier-
ſings-ſaft. g) hier weiß ich dem mhd. nichts entſprechendes,
man componiert eigentlich: ſammet-rock, ſammet-mütze,
ſcharlach-kleid, vermuthlich weil dieſe wörter längſt einge-
wohnt und wie andere deutſche zu behandeln ſind. h)
hoſen-ſchnalle, pfannen-ſtiel. i) jahrs-tag, gerichts-tag,
abſchieds-tag, jahrs-zeit, tags-zeit, ſommers-zeit. k)
glücks-rad, mühl-rad, todten-kopf (todten iſt gen. ſg.
von: der todte) von kinds-beinen, harfen-ſchlag, brücken-
ſchlag, bluts-tropfe, menſchen-heil.

2) beiſpiele nhd. compoſita, wo früher der loſe gen.
ſtatt fand: hungers-noth, feuers-noth, waßers-noth,

*) und zeichen davon, daß die alleinſtehend veraltete ſchw.
genitivflexion fortdauert, ſei es nun für einzelne fälle des gen.
ſg. maſc. oder für den gen. ſg. fem. und neutr. insgemein, z. b. hah-
nen-kamm, ſonnen-wärme, augen-blick, da wir jetzt declinieren:
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[608/0626] III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen. z. b. ludwigs freund, ſchillers werke. β) bei einigen an- dern ſubſt., welche gleich den eigennamen keinen be- ſtimmten artikel vor ſich leiden, namentlich gott: gottes ſohn, gottes ehre. γ) bei den ſubſt. auf -er, welche aus ortsnamen gebildet werden, tritt der gen. pl. (nicht ſg.) unzuſammengeſetzt vor das ihn regierende wort, z. b. frankfurter geld, nürnberger waaren. δ) für einzelne redensarten, z. b. frühlings anfang. In allen andern fäl- len iſt der vorausgehende gen. an das ſubſt. gewachſen *), von welchem er abhängt, d. h. wirkliche (uneigentliche) comp. eingetreten: 1) beiſpiele, wo ſie ſchon im ahd. und mhd. möglich war: a) heſſen-land, franken-land, däne-mark, königs- berg, franken-berg, franken-thal, manns-feld, thüringer- wald, reinharts-wald. b) kriegs-mann, beckers-frau, winds-braut, königs-ſohn, königs-tochter, wirts-frau, kriegs-gott, glücks-kind, teufels-kerl, himmels-bote. c) benennungen der volksſprache für manche inſecten, z. b. die libelle heißt drachen-hure, pfaffen-köchin. d) pflan- zen-namen, wiederum meiſt unter dem gemeinen volk: bären-klau, hahnen-fuß, haſen-öhrlein, hirſch-brunſt, hüner-darm, katzen-ſchwanz, kröten-ſtuhl (fungus, plattd. padden-ſtol) löwen-zahn, marien-pantoffel, pfaffen-hut, teu- fels-klau, wolfs-milch etc. e) hahnen-feder, hahnen-kamm, kalbs-fell, hunds-naſe, löwen-herz, ochſen-fell, ſchwanen-fe- der, ſchweins-leber, gänſe-leber, wolfs-zahn, f) linden-blatt, gerſten-korn, ſamen-korn, trauben-kern, trauben-ſaft, ſchier- ſings-ſaft. g) hier weiß ich dem mhd. nichts entſprechendes, man componiert eigentlich: ſammet-rock, ſammet-mütze, ſcharlach-kleid, vermuthlich weil dieſe wörter längſt einge- wohnt und wie andere deutſche zu behandeln ſind. h) hoſen-ſchnalle, pfannen-ſtiel. i) jahrs-tag, gerichts-tag, abſchieds-tag, jahrs-zeit, tags-zeit, ſommers-zeit. k) glücks-rad, mühl-rad, todten-kopf (todten iſt gen. ſg. von: der todte) von kinds-beinen, harfen-ſchlag, brücken- ſchlag, bluts-tropfe, menſchen-heil. 2) beiſpiele nhd. compoſita, wo früher der loſe gen. ſtatt fand: hungers-noth, feuers-noth, waßers-noth, *) und zeichen davon, daß die alleinſtehend veraltete ſchw. genitivflexion fortdauert, ſei es nun für einzelne fälle des gen. ſg. maſc. oder für den gen. ſg. fem. und neutr. insgemein, z. b. hah- nen-kamm, ſonnen-wärme, augen-blick, da wir jetzt declinieren: des hahns, der ſonne, des auges.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/626>, abgerufen am 22.11.2024.