III. subst. uneig. comp. -- subst. mit subst. gen.
-er halte ich meist für uneigentliche, z. b. bilder-dienst, eier-schale, geister-beschwörung, götter-speise, hörner- schall, kleiderpracht, kinder-geschrei, länder-tausch, lie- der-sal, völker-scheide etc. da in der regel dieses -er nicht in die zus. setzung mit eingeht, (s. 539. vgl. s. 578.); ausnahmsweise scheinen eigentliche: blätter-teig, kräuter- suppe, eier-fladen u. a. m.
2) der unterschied zwischen eigentlicher und unei- gentlicher zusammensetzung beruht nicht allein in der form, sondern auch in der bedeutung beider. Die ei- gentliche soll einen unbestimmten, sonst nicht (mit den zwei worten allein) faßbaren begriff ausdrücken; die un- eigentliche, aus wörtlicher genitivrection erwachsen, be- schränkt sich auf ihren bestimmten sinn. Beide arten stehen einander in denselben wörtern oft entgegen und dürfen nicht willkürlich vertauscht werden. Vgl. nhd. wind-mühle, winds-braut; esel-treiber, esels-ohr; don- ner-strahl, donners-tag; hunger-blume, hungers-noth; land-adel, landes-herr; land-mann, landes-gewohnheit; tag-stern, tags-licht; feuer-tause, feuers-noth; waßer- mann, waßers-noth; kindheit, kinds-kinder; amt-mann, amts-diener; könig-reich, königs-berg; kaiser-thum, kaisers-lautern; brunn-quell, brunnen-rand; thor-heit, thoren-kleid; ohr-ring, ohren-schmaus; aug-apfel, au- gen-weh; kirch-hof, kirchen-versammlung; welches undeutsch, wer sagen wollte winds-mühle, wind- braut, kirchen-hof, kirch-versammlung! die drei ersten wären sinnlos, das letzte würde versammlung in der kirche, nicht concilium bedeuten. Mhd. eber-swein, ebe- res-zan; ritter-spil, ritter-schaft, ritters-art; man-slaht, mannes-velt; streit-geselle (kampfgenoß) Trist. streites helt; lant-herre (indigena, nobilis) Barl. 20, 35. landes herre (princeps) Barl. 44, 28; burc-grabe (grabe um die burg) Wigal. 76. burge-tor (porta arcis) Wigal. 28. 46. 139. 167. Nib. 3201; boum-garte, boumes stam a. Tit. 97; bote-schaft, boten-brot; vgl. s. 512. die eigentl. comp. und die genitive bei genoß. Altn. barn-domr (infantia) barna-börn (nepotes); dverg-mal (echo) dverga-smidi (fabrica nanorum); dag-bok, dags-lios; veg-ferd (iter) vegs ummerki (vestigia); egg-varp (ovatio) eggja-skurn (testa ovi); fiall-baui (monticola) fialls-hlid (latus montis); gud-domr (divinitas) guds-ord (verbum dei); haf-frau (syren) hafs-braun (horizon marinus); skip-raum (locus in- ter nautas) skips-folk (nautae); heim-bod (invitatio) heims- jadar (cardo mundi); hund-teik (canicula, appositionell)
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III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
-er halte ich meiſt für uneigentliche, z. b. bilder-dienſt, eier-ſchale, geiſter-beſchwörung, götter-ſpeiſe, hörner- ſchall, kleiderpracht, kinder-geſchrei, länder-tauſch, lie- der-ſal, völker-ſcheide etc. da in der regel dieſes -er nicht in die zuſ. ſetzung mit eingeht, (ſ. 539. vgl. ſ. 578.); ausnahmsweiſe ſcheinen eigentliche: blätter-teig, kräuter- ſuppe, eier-fladen u. a. m.
2) der unterſchied zwiſchen eigentlicher und unei- gentlicher zuſammenſetzung beruht nicht allein in der form, ſondern auch in der bedeutung beider. Die ei- gentliche ſoll einen unbeſtimmten, ſonſt nicht (mit den zwei worten allein) faßbaren begriff ausdrücken; die un- eigentliche, aus wörtlicher genitivrection erwachſen, be- ſchränkt ſich auf ihren beſtimmten ſinn. Beide arten ſtehen einander in denſelben wörtern oft entgegen und dürfen nicht willkürlich vertauſcht werden. Vgl. nhd. wind-mühle, winds-braut; eſel-treiber, eſels-ohr; don- ner-ſtrahl, donners-tag; hunger-blume, hungers-noth; land-adel, landes-herr; land-mann, landes-gewohnheit; tag-ſtern, tags-licht; feuer-tauſe, feuers-noth; waßer- mann, waßers-noth; kindheit, kinds-kinder; amt-mann, amts-diener; könig-reich, königs-berg; kaiſer-thum, kaiſers-lautern; brunn-quell, brunnen-rand; thor-heit, thoren-kleid; ohr-ring, ohren-ſchmaus; aug-apfel, au- gen-weh; kirch-hof, kirchen-verſammlung; welches undeutſch, wer ſagen wollte winds-mühle, wind- braut, kirchen-hof, kirch-verſammlung! die drei erſten wären ſinnlos, das letzte würde verſammlung in der kirche, nicht concilium bedeuten. Mhd. ëber-ſwîn, ëbe- res-zan; ritter-ſpil, ritter-ſchaft, ritters-art; man-ſlaht, mannes-vëlt; ſtrît-geſelle (kampfgenoß) Triſt. ſtrîtes helt; lant-hërre (indigena, nobilis) Barl. 20, 35. landes hërre (princeps) Barl. 44, 28; burc-grabe (grabe um die burg) Wigal. 76. burge-tor (porta arcis) Wigal. 28. 46. 139. 167. Nib. 3201; boum-garte, boumes ſtam a. Tit. 97; bote-ſchaft, boten-brôt; vgl. ſ. 512. die eigentl. comp. und die genitive bei genôƷ. Altn. barn-dômr (infantia) barna-börn (nepotes); dvërg-mâl (echo) dvërga-ſmidi (fabrica nanorum); dag-bôk, dags-liós; vëg-ferd (iter) vëgs ummerki (veſtigia); egg-varp (ovatio) eggja-ſkurn (teſta ovi); fiall-bûi (monticola) fialls-hlid (latus montis); gud-dômr (divinitas) guds-ord (verbum dei); haf-frû (ſyren) hafs-brûn (horizon marinus); ſkip-rûm (locus in- ter nautas) ſkips-fôlk (nautae); heim-bod (invitatio) heims- jadar (cardo mundi); hund-tîk (canicula, appoſitionell)
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III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
-er halte ich meiſt für uneigentliche, z. b. bilder-dienſt,
eier-ſchale, geiſter-beſchwörung, götter-ſpeiſe, hörner-
ſchall, kleiderpracht, kinder-geſchrei, länder-tauſch, lie-
der-ſal, völker-ſcheide etc. da in der regel dieſes -er
nicht in die zuſ. ſetzung mit eingeht, (ſ. 539. vgl. ſ. 578.);
ausnahmsweiſe ſcheinen eigentliche: blätter-teig, kräuter-
ſuppe, eier-fladen u. a. m.
2) der unterſchied zwiſchen eigentlicher und unei-
gentlicher zuſammenſetzung beruht nicht allein in der
form, ſondern auch in der bedeutung beider. Die ei-
gentliche ſoll einen unbeſtimmten, ſonſt nicht (mit den
zwei worten allein) faßbaren begriff ausdrücken; die un-
eigentliche, aus wörtlicher genitivrection erwachſen, be-
ſchränkt ſich auf ihren beſtimmten ſinn. Beide arten
ſtehen einander in denſelben wörtern oft entgegen und
dürfen nicht willkürlich vertauſcht werden. Vgl. nhd.
wind-mühle, winds-braut; eſel-treiber, eſels-ohr; don-
ner-ſtrahl, donners-tag; hunger-blume, hungers-noth;
land-adel, landes-herr; land-mann, landes-gewohnheit;
tag-ſtern, tags-licht; feuer-tauſe, feuers-noth; waßer-
mann, waßers-noth; kindheit, kinds-kinder; amt-mann,
amts-diener; könig-reich, königs-berg; kaiſer-thum,
kaiſers-lautern; brunn-quell, brunnen-rand; thor-heit,
thoren-kleid; ohr-ring, ohren-ſchmaus; aug-apfel, au-
gen-weh; kirch-hof, kirchen-verſammlung; welches
undeutſch, wer ſagen wollte winds-mühle, wind-
braut, kirchen-hof, kirch-verſammlung! die drei erſten
wären ſinnlos, das letzte würde verſammlung in der
kirche, nicht concilium bedeuten. Mhd. ëber-ſwîn, ëbe-
res-zan; ritter-ſpil, ritter-ſchaft, ritters-art; man-ſlaht,
mannes-vëlt; ſtrît-geſelle (kampfgenoß) Triſt. ſtrîtes helt;
lant-hërre (indigena, nobilis) Barl. 20, 35. landes hërre
(princeps) Barl. 44, 28; burc-grabe (grabe um die burg)
Wigal. 76. burge-tor (porta arcis) Wigal. 28. 46. 139.
167. Nib. 3201; boum-garte, boumes ſtam a. Tit. 97;
bote-ſchaft, boten-brôt; vgl. ſ. 512. die eigentl. comp.
und die genitive bei genôƷ. Altn. barn-dômr (infantia)
barna-börn (nepotes); dvërg-mâl (echo) dvërga-ſmidi
(fabrica nanorum); dag-bôk, dags-liós; vëg-ferd (iter)
vëgs ummerki (veſtigia); egg-varp (ovatio) eggja-ſkurn
(teſta ovi); fiall-bûi (monticola) fialls-hlid (latus montis);
gud-dômr (divinitas) guds-ord (verbum dei); haf-frû
(ſyren) hafs-brûn (horizon marinus); ſkip-rûm (locus in-
ter nautas) ſkips-fôlk (nautae); heim-bod (invitatio) heims-
jadar (cardo mundi); hund-tîk (canicula, appoſitionell)
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/629>, abgerufen am 22.11.2024.
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