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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. laut u. ablaut. verwaiste wurzeln.
badmr, scheint folglich aus pagam (wie später meit
aus maget, magit) hervorgegangen *).
d) andere schwierigkeit machen späterhin vergröberte und
vermischte consonantverhältnisse. Namentlich zähle
ich hierher die weitgreifende verwandlung des s in r
und die aphärese der spiranten h und v. Wenn jener
zarte unterschied zwischen s und r individuelle wurzeln
bildet, z. b. nr. 292. visan nr. 572. vairan; nr. 547. svisan,
nr. 328. svairan; nr. 548. kisan, nr. 576. kairan, ohne
vergleichung mehrerer mundarten daher, zu welchem
stamme das alth. char (vas) gehöre, [es dürste formell
zu beiden letzteren nicht nur, sondern auch zu einem
karan, kor oder kasan, kos] unbestimmbar sein würde;
so sind verwaiste wurzeln mit diesen buchstaben nicht
leichtsinnig aus ihrem dunkel zu reißen. Das alth.
peri (bacca) fügt sich nicht zu bairan (nr. 325.) weil
die goth. form basi lautet, welches ein bisan, bas, be-
sun verlangt, oder zu basan, bos (nr. 484.) fällt. Dem
worte star (sturnus) z. b. getraue ich mir nicht seinen
stamm anzuweisen, etwas leichter wäre es für alth.
aro (aquila) altn. ari, wo auch im goth. ara das r
bleibt, also kein isan, as, esun, eher ein airan, ar,
erun, aurans, da andere gründe wider ein aran, or
stimmen. Ferner, da in den späteren mundarten, nach
abgefallenem anlaut h und v, ganz unterschiedene
wurzeln scheinbar vereinigt werden, so sind wörter
mit anlautendem l, n, r, v, wo bedeutung und analogie
keinen ausschlag gibt, lieber als verwaiste wurzeln
aufzustellen und nicht unvorsichtig mit anderen wör-
tern zu verbinden, die mit ihnen auf gleicher reihe
oder selbst im ablaut zu stehen scheinen. Viele etymo-
logen halten z. b. die mhd. wörter wolf (lupus) und
welf (catulus) für einer wurzel, da sie ursprünglich
gar nichts, weder an- noch auslautend miteinander
gemein haben (jenes goth. vulfs, alth. wolf, wolves,
altn. aulfr; dieses alth. huelf, huelfes, altn. hvelpr). --
e) fremde eingeführte wörter sind in der regel nicht auf
ein deutsches ablautsverhältnis zu beziehen, noch mit
echtdeutschen, die ihnen buchstäblich verwandt schei-
*) Diese wahrnehmung wird wichtig für das ags. ea (1, 238.),
das verwiekelter und abgewichener, als das alth. au, ou erscheint;
aus bägm, beagm wurde beavm, beam (stipes, arbor, lignum)
vgl. bym (tuba, blaseinstrument aus holz). Doch bleiben zweifel;
team, ahd. zoum gemahnt an nr. 320!
III. laut u. ablaut. verwaiſte wurzeln.
badmr, ſcheint folglich aus pagam (wie ſpäter meit
aus maget, magit) hervorgegangen *).
d) andere ſchwierigkeit machen ſpäterhin vergröberte und
vermiſchte conſonantverhältniſſe. Namentlich zähle
ich hierher die weitgreifende verwandlung des ſ in r
und die aphäreſe der ſpiranten h und v. Wenn jener
zarte unterſchied zwiſchen ſ und r individuelle wurzeln
bildet, z. b. nr. 292. viſan nr. 572. vaíran; nr. 547. ſviſan,
nr. 328. ſvaíran; nr. 548. kiſan, nr. 576. kaíran, ohne
vergleichung mehrerer mundarten daher, zu welchem
ſtamme das alth. char (vas) gehöre, [es dürſte formell
zu beiden letzteren nicht nur, ſondern auch zu einem
karan, kôr oder kaſan, kôs] unbeſtimmbar ſein würde;
ſo ſind verwaiſte wurzeln mit dieſen buchſtaben nicht
leichtſinnig aus ihrem dunkel zu reißen. Das alth.
peri (bacca) fügt ſich nicht zu baíran (nr. 325.) weil
die goth. form baſi lautet, welches ein biſan, bas, bê-
ſun verlangt, oder zu baſan, bôs (nr. 484.) fällt. Dem
worte ſtâr (ſturnus) z. b. getraue ich mir nicht ſeinen
ſtamm anzuweiſen, etwas leichter wäre es für alth.
aro (aquila) altn. ari, wo auch im goth. ara das r
bleibt, alſo kein ïſan, as, êſun, eher ein aíran, ar,
êrun, aúrans, da andere gründe wider ein aran, ôr
ſtimmen. Ferner, da in den ſpäteren mundarten, nach
abgefallenem anlaut h und v, ganz unterſchiedene
wurzeln ſcheinbar vereinigt werden, ſo ſind wörter
mit anlautendem l, n, r, v, wo bedeutung und analogie
keinen ausſchlag gibt, lieber als verwaiſte wurzeln
aufzuſtellen und nicht unvorſichtig mit anderen wör-
tern zu verbinden, die mit ihnen auf gleicher reihe
oder ſelbſt im ablaut zu ſtehen ſcheinen. Viele etymo-
logen halten z. b. die mhd. wörter wolf (lupus) und
wëlf (catulus) für einer wurzel, da ſie urſprünglich
gar nichts, weder an- noch auslautend miteinander
gemein haben (jenes goth. vulfs, alth. wolf, wolves,
altn. ûlfr; dieſes alth. huëlf, huëlfes, altn. hvëlpr). —
e) fremde eingeführte wörter ſind in der regel nicht auf
ein deutſches ablautsverhältnis zu beziehen, noch mit
echtdeutſchen, die ihnen buchſtäblich verwandt ſchei-
*) Dieſe wahrnehmung wird wichtig für das agſ. (1, 238.),
das verwiekelter und abgewichener, als das alth. au, ou erſcheint;
aus bägm, bëagm wurde bëavm, beám (ſtipes, arbor, lignum)
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[66/0084] III. laut u. ablaut. verwaiſte wurzeln. badmr, ſcheint folglich aus pagam (wie ſpäter meit aus maget, magit) hervorgegangen *). d) andere ſchwierigkeit machen ſpäterhin vergröberte und vermiſchte conſonantverhältniſſe. Namentlich zähle ich hierher die weitgreifende verwandlung des ſ in r und die aphäreſe der ſpiranten h und v. Wenn jener zarte unterſchied zwiſchen ſ und r individuelle wurzeln bildet, z. b. nr. 292. viſan nr. 572. vaíran; nr. 547. ſviſan, nr. 328. ſvaíran; nr. 548. kiſan, nr. 576. kaíran, ohne vergleichung mehrerer mundarten daher, zu welchem ſtamme das alth. char (vas) gehöre, [es dürſte formell zu beiden letzteren nicht nur, ſondern auch zu einem karan, kôr oder kaſan, kôs] unbeſtimmbar ſein würde; ſo ſind verwaiſte wurzeln mit dieſen buchſtaben nicht leichtſinnig aus ihrem dunkel zu reißen. Das alth. peri (bacca) fügt ſich nicht zu baíran (nr. 325.) weil die goth. form baſi lautet, welches ein biſan, bas, bê- ſun verlangt, oder zu baſan, bôs (nr. 484.) fällt. Dem worte ſtâr (ſturnus) z. b. getraue ich mir nicht ſeinen ſtamm anzuweiſen, etwas leichter wäre es für alth. aro (aquila) altn. ari, wo auch im goth. ara das r bleibt, alſo kein ïſan, as, êſun, eher ein aíran, ar, êrun, aúrans, da andere gründe wider ein aran, ôr ſtimmen. Ferner, da in den ſpäteren mundarten, nach abgefallenem anlaut h und v, ganz unterſchiedene wurzeln ſcheinbar vereinigt werden, ſo ſind wörter mit anlautendem l, n, r, v, wo bedeutung und analogie keinen ausſchlag gibt, lieber als verwaiſte wurzeln aufzuſtellen und nicht unvorſichtig mit anderen wör- tern zu verbinden, die mit ihnen auf gleicher reihe oder ſelbſt im ablaut zu ſtehen ſcheinen. Viele etymo- logen halten z. b. die mhd. wörter wolf (lupus) und wëlf (catulus) für einer wurzel, da ſie urſprünglich gar nichts, weder an- noch auslautend miteinander gemein haben (jenes goth. vulfs, alth. wolf, wolves, altn. ûlfr; dieſes alth. huëlf, huëlfes, altn. hvëlpr). — e) fremde eingeführte wörter ſind in der regel nicht auf ein deutſches ablautsverhältnis zu beziehen, noch mit echtdeutſchen, die ihnen buchſtäblich verwandt ſchei- *) Dieſe wahrnehmung wird wichtig für das agſ. eá (1, 238.), das verwiekelter und abgewichener, als das alth. au, ou erſcheint; aus bägm, bëagm wurde bëavm, beám (ſtipes, arbor, lignum) vgl. bŷm (tuba, blaſeinſtrument aus holz). Doch bleiben zweifel; teám, ahd. zoum gemahnt an nr. 320!

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/84>, abgerufen am 21.11.2024.