Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. partikelcomp. -- untr. part. mit verb.
er-hören; ahd. in-grauen (s. 809.) und ir-grauison (s. 828.);
ahd. in-firnen (s 812.) ir-firnen (s. 822.); in-prinnan
(s. 811.) ir-prinnan (s. 828.); ahd. ur-erban, nhd. ent-
erben; mhd. er-bluejen, nhd. ent-blühen; mhd. er-
zünden, nhd. ent-zünden; mhd. er-springen, nhd. ent-
springen etc. oft stehen sie einander entgegen: nhd. er-
mannen und ent-mannen; er-ledigen (perficere) ent-ledigen
(liberare); er-fliegen; ent-fliegen, g) ver-, im ahd. wechseln
ar- und far- häufig, späterhin steht ver- oft statt des ältern
er-, zumahl in den privativen bedeutungen unter 7. Bei-
spiele sind genug angegeben. Bisweilen ist der gebrauch
noch jetzt gleichgültig, z. b. er-löschen, ver-löschen, ge-
wöhnlich findet ein abstand statt: er-kaufen, ver-kaufen;
er-wünschen, ver-wünschen; er-geben, ver-geben; er-
blühen, ver-blühen; er-bitten, ver-bitten etc. das hat
aber der gebrauch festgesetzt und an sich hätte jede part.
beides auszudrücken vermocht. d) ge-, wovon unten.

[ge-] die form ist schon oben s. 732. 733. zur sprache
gekommen, hier aber einiges hinzuzufügen. Goth. über-
all ga-, alts. gi-, ags. ge-, mhd. nhd. ge-, altengl. y-, plattd. e-.
Ahd. der anlautende kehlbuchstabe gewöhnlich k. (c.) oder
g., bei N. ten. und med. nach seiner bekannten regel abwech-
selnd, bei J. und sonst einigemahl ch., in der gl. jun. zu-
weilen gh. Der vocal schwankt zwischen a, e, i (nie-
mahls ist er u, o) und zwar haben im ganzen ka-, ga-
die welche ar-, far- (exhort. hrab. emmer. ker. bis 32.);
ke-, ge-, die er-, fer- (K. und jun. theilweise, N. W.);
ki-, gi-, die ir-, fir- (ker. von 32. 33. an, mons. bis
401, O. T.) schreiben, einiges ausgenommen z. b. im T.
stehet for-, nicht fir-). K. braucht neben dem vor-
herschenden e auch a und i. Der vocalwechsel der part.
ent- läßt sich nicht parallelisieren, denn theils zeigen auch
solche int-, in-, die sich zu ka-, ar-, far- bekennen,
theils steht das spurweise bei den ältesten vor verbis
erscheinende ant- in der regel vor nominibus, welche
niemahls int- oder ent- leiden, während ge- und ver-
vor diesen mit dem vocal wie vor jenen schwanken,
doch das er- dem ent- darin gleicht, daß es vor no-
minibus meist die besondere a-form behauptet. Seite 751.
752. habe ich für ga- ein uraltes gan- gemuthmaßt;
ein solches auch hier in dem gan-weison (visitare) K.
23a = goth. ga-veison anzunehmen, wäre doch höchst
gewagt, vielmehr scheint gan weison das invisere visitare
wiederzugeben, obgleich in Holstens lat. text invisere
richtiger fehlt und K. fast immer kan oder kankan für

III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
er-hören; ahd. in-grûên (ſ. 809.) und ir-grûiſôn (ſ. 828.);
ahd. in-firnên (ſ 812.) ir-firnên (ſ. 822.); in-prinnan
(ſ. 811.) ir-prinnan (ſ. 828.); ahd. ur-erban, nhd. ent-
erben; mhd. er-bluejen, nhd. ent-blühen; mhd. er-
zünden, nhd. ent-zünden; mhd. er-ſpringen, nhd. ent-
ſpringen etc. oft ſtehen ſie einander entgegen: nhd. er-
mannen und ent-mannen; er-ledigen (perficere) ent-ledigen
(liberare); er-fliegen; ent-fliegen, γ) ver-, im ahd. wechſeln
ar- und far- häufig, ſpäterhin ſteht ver- oft ſtatt des ältern
er-, zumahl in den privativen bedeutungen unter 7. Bei-
ſpiele ſind genug angegeben. Bisweilen iſt der gebrauch
noch jetzt gleichgültig, z. b. er-löſchen, ver-löſchen, ge-
wöhnlich findet ein abſtand ſtatt: er-kaufen, ver-kaufen;
er-wünſchen, ver-wünſchen; er-geben, ver-geben; er-
blühen, ver-blühen; er-bitten, ver-bitten etc. das hat
aber der gebrauch feſtgeſetzt und an ſich hätte jede part.
beides auszudrücken vermocht. δ) ge-, wovon unten.

[ge-] die form iſt ſchon oben ſ. 732. 733. zur ſprache
gekommen, hier aber einiges hinzuzufügen. Goth. über-
all ga-, altſ. gi-, agſ. ge-, mhd. nhd. ge-, altengl. y-, plattd. e-.
Ahd. der anlautende kehlbuchſtabe gewöhnlich k. (c.) oder
g., bei N. ten. und med. nach ſeiner bekannten regel abwech-
ſelnd, bei J. und ſonſt einigemahl ch., in der gl. jun. zu-
weilen gh. Der vocal ſchwankt zwiſchen a, e, i (nie-
mahls iſt er u, o) und zwar haben im ganzen ka-, ga-
die welche ar-, far- (exhort. hrab. emmer. ker. bis 32.);
ke-, ge-, die er-, fer- (K. und jun. theilweiſe, N. W.);
ki-, gi-, die ir-, fir- (ker. von 32. 33. an, monſ. bis
401, O. T.) ſchreiben, einiges ausgenommen z. b. im T.
ſtehet for-, nicht fir-). K. braucht neben dem vor-
herſchenden e auch a und i. Der vocalwechſel der part.
ent- läßt ſich nicht paralleliſieren, denn theils zeigen auch
ſolche int-, in-, die ſich zu ka-, ar-, far- bekennen,
theils ſteht das ſpurweiſe bei den älteſten vor verbis
erſcheinende ant- in der regel vor nominibus, welche
niemahls int- oder ent- leiden, während ge- und ver-
vor dieſen mit dem vocal wie vor jenen ſchwanken,
doch das er- dem ent- darin gleicht, daß es vor no-
minibus meiſt die beſondere â-form behauptet. Seite 751.
752. habe ich für ga- ein uraltes gan- gemuthmaßt;
ein ſolches auch hier in dem gan-wîſôn (viſitare) K.
23a = goth. ga-veiſôn anzunehmen, wäre doch höchſt
gewagt, vielmehr ſcheint gân wîſôn das inviſere viſitare
wiederzugeben, obgleich in Holſtens lat. text inviſere
richtiger fehlt und K. faſt immer kân oder kankan für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0850" n="832"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">partikelcomp. &#x2014; untr. part. mit verb.</hi></hi></fw><lb/>
er-hören; ahd. in-grûên (&#x017F;. 809.) und ir-grûi&#x017F;ôn (&#x017F;. 828.);<lb/>
ahd. in-firnên (&#x017F; 812.) ir-firnên (&#x017F;. 822.); in-prinnan<lb/>
(&#x017F;. 811.) ir-prinnan (&#x017F;. 828.); ahd. ur-erban, nhd. ent-<lb/>
erben; mhd. er-bluejen, nhd. ent-blühen; mhd. er-<lb/>
zünden, nhd. ent-zünden; mhd. er-&#x017F;pringen, nhd. ent-<lb/>
&#x017F;pringen etc. oft &#x017F;tehen &#x017F;ie einander entgegen: nhd. er-<lb/>
mannen und ent-mannen; er-ledigen (perficere) ent-ledigen<lb/>
(liberare); er-fliegen; ent-fliegen, <hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>) <hi rendition="#i">ver-</hi>, im ahd. wech&#x017F;eln<lb/>
ar- und far- häufig, &#x017F;päterhin &#x017F;teht ver- oft &#x017F;tatt des ältern<lb/>
er-, zumahl in den privativen bedeutungen unter 7. Bei-<lb/>
&#x017F;piele &#x017F;ind genug angegeben. Bisweilen i&#x017F;t der gebrauch<lb/>
noch jetzt gleichgültig, z. b. er-lö&#x017F;chen, ver-lö&#x017F;chen, ge-<lb/>
wöhnlich findet ein ab&#x017F;tand &#x017F;tatt: er-kaufen, ver-kaufen;<lb/>
er-wün&#x017F;chen, ver-wün&#x017F;chen; er-geben, ver-geben; er-<lb/>
blühen, ver-blühen; er-bitten, ver-bitten etc. das hat<lb/>
aber der gebrauch fe&#x017F;tge&#x017F;etzt und an &#x017F;ich hätte jede part.<lb/>
beides auszudrücken vermocht. <hi rendition="#i">&#x03B4;</hi>) <hi rendition="#i">ge-</hi>, wovon unten.</p><lb/>
                <p>[<hi rendition="#i">ge-</hi>] die form i&#x017F;t &#x017F;chon oben &#x017F;. 732. 733. zur &#x017F;prache<lb/>
gekommen, hier aber einiges hinzuzufügen. Goth. über-<lb/>
all <hi rendition="#i">ga-</hi>, alt&#x017F;. <hi rendition="#i">gi-</hi>, ag&#x017F;. <hi rendition="#i">ge-</hi>, mhd. nhd. <hi rendition="#i">ge-</hi>, altengl. <hi rendition="#i">y-</hi>, plattd. <hi rendition="#i">e-</hi>.<lb/>
Ahd. der anlautende kehlbuch&#x017F;tabe gewöhnlich <hi rendition="#i">k</hi>. (c.) oder<lb/>
g., bei N. ten. und med. nach &#x017F;einer bekannten regel abwech-<lb/>
&#x017F;elnd, bei J. und &#x017F;on&#x017F;t einigemahl ch., in der gl. jun. zu-<lb/>
weilen gh. Der vocal &#x017F;chwankt zwi&#x017F;chen a, e, i (nie-<lb/>
mahls i&#x017F;t er u, o) und zwar haben im ganzen <hi rendition="#i">ka-</hi>, <hi rendition="#i">ga-</hi><lb/>
die welche ar-, far- (exhort. hrab. emmer. ker. bis 32.);<lb/><hi rendition="#i">ke-</hi>, <hi rendition="#i">ge-</hi>, die er-, fer- (K. und jun. theilwei&#x017F;e, N. W.);<lb/><hi rendition="#i">ki-</hi>, <hi rendition="#i">gi-</hi>, die ir-, fir- (ker. von 32. 33. an, mon&#x017F;. bis<lb/>
401, O. T.) &#x017F;chreiben, einiges ausgenommen z. b. im T.<lb/>
&#x017F;tehet for-, nicht fir-). K. braucht neben dem vor-<lb/>
her&#x017F;chenden e auch a und i. Der vocalwech&#x017F;el der part.<lb/>
ent- läßt &#x017F;ich nicht paralleli&#x017F;ieren, denn theils zeigen auch<lb/>
&#x017F;olche int-, in-, die &#x017F;ich zu ka-, ar-, far- bekennen,<lb/>
theils &#x017F;teht das &#x017F;purwei&#x017F;e bei den älte&#x017F;ten vor verbis<lb/>
er&#x017F;cheinende ant- in der regel vor nominibus, welche<lb/>
niemahls int- oder ent- leiden, während ge- und ver-<lb/>
vor die&#x017F;en mit dem vocal wie vor jenen &#x017F;chwanken,<lb/>
doch das er- dem ent- darin gleicht, daß es vor no-<lb/>
minibus mei&#x017F;t die be&#x017F;ondere â-form behauptet. Seite 751.<lb/>
752. habe ich für ga- ein uraltes <hi rendition="#i">gan-</hi> gemuthmaßt;<lb/>
ein &#x017F;olches auch hier in dem gan-wî&#x017F;ôn (vi&#x017F;itare) K.<lb/>
23<hi rendition="#sup">a</hi> = goth. ga-vei&#x017F;ôn anzunehmen, wäre doch höch&#x017F;t<lb/>
gewagt, vielmehr &#x017F;cheint gân wî&#x017F;ôn das invi&#x017F;ere vi&#x017F;itare<lb/>
wiederzugeben, obgleich in Hol&#x017F;tens lat. text invi&#x017F;ere<lb/>
richtiger fehlt und K. fa&#x017F;t immer kân oder kankan für<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[832/0850] III. partikelcomp. — untr. part. mit verb. er-hören; ahd. in-grûên (ſ. 809.) und ir-grûiſôn (ſ. 828.); ahd. in-firnên (ſ 812.) ir-firnên (ſ. 822.); in-prinnan (ſ. 811.) ir-prinnan (ſ. 828.); ahd. ur-erban, nhd. ent- erben; mhd. er-bluejen, nhd. ent-blühen; mhd. er- zünden, nhd. ent-zünden; mhd. er-ſpringen, nhd. ent- ſpringen etc. oft ſtehen ſie einander entgegen: nhd. er- mannen und ent-mannen; er-ledigen (perficere) ent-ledigen (liberare); er-fliegen; ent-fliegen, γ) ver-, im ahd. wechſeln ar- und far- häufig, ſpäterhin ſteht ver- oft ſtatt des ältern er-, zumahl in den privativen bedeutungen unter 7. Bei- ſpiele ſind genug angegeben. Bisweilen iſt der gebrauch noch jetzt gleichgültig, z. b. er-löſchen, ver-löſchen, ge- wöhnlich findet ein abſtand ſtatt: er-kaufen, ver-kaufen; er-wünſchen, ver-wünſchen; er-geben, ver-geben; er- blühen, ver-blühen; er-bitten, ver-bitten etc. das hat aber der gebrauch feſtgeſetzt und an ſich hätte jede part. beides auszudrücken vermocht. δ) ge-, wovon unten. [ge-] die form iſt ſchon oben ſ. 732. 733. zur ſprache gekommen, hier aber einiges hinzuzufügen. Goth. über- all ga-, altſ. gi-, agſ. ge-, mhd. nhd. ge-, altengl. y-, plattd. e-. Ahd. der anlautende kehlbuchſtabe gewöhnlich k. (c.) oder g., bei N. ten. und med. nach ſeiner bekannten regel abwech- ſelnd, bei J. und ſonſt einigemahl ch., in der gl. jun. zu- weilen gh. Der vocal ſchwankt zwiſchen a, e, i (nie- mahls iſt er u, o) und zwar haben im ganzen ka-, ga- die welche ar-, far- (exhort. hrab. emmer. ker. bis 32.); ke-, ge-, die er-, fer- (K. und jun. theilweiſe, N. W.); ki-, gi-, die ir-, fir- (ker. von 32. 33. an, monſ. bis 401, O. T.) ſchreiben, einiges ausgenommen z. b. im T. ſtehet for-, nicht fir-). K. braucht neben dem vor- herſchenden e auch a und i. Der vocalwechſel der part. ent- läßt ſich nicht paralleliſieren, denn theils zeigen auch ſolche int-, in-, die ſich zu ka-, ar-, far- bekennen, theils ſteht das ſpurweiſe bei den älteſten vor verbis erſcheinende ant- in der regel vor nominibus, welche niemahls int- oder ent- leiden, während ge- und ver- vor dieſen mit dem vocal wie vor jenen ſchwanken, doch das er- dem ent- darin gleicht, daß es vor no- minibus meiſt die beſondere â-form behauptet. Seite 751. 752. habe ich für ga- ein uraltes gan- gemuthmaßt; ein ſolches auch hier in dem gan-wîſôn (viſitare) K. 23a = goth. ga-veiſôn anzunehmen, wäre doch höchſt gewagt, vielmehr ſcheint gân wîſôn das inviſere viſitare wiederzugeben, obgleich in Holſtens lat. text inviſere richtiger fehlt und K. faſt immer kân oder kankan für

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/850
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 832. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/850>, abgerufen am 22.11.2024.