ter, d. h. solche deren vereinigenden begriff wir verloren haben. So scheint es unthunlich, bora (terebrare) an bera (nr. 325.), forare an ferre, zu knüpfen; wahrschein- lich ist, wie in berja und ferire, ein activer sinn hervor- gehoben, vielleicht bohrer das die späne herausschaffende werkzeug? vgl. auß-bora (scobs) gl. flor 990a. Die ver- suchte einstellung mancher wörter unter verbliebene oder verlorne starke verba betrachte man als ein vorläufiges wagestück, dessen formelle gültigkeit materielle gewähr erst in der folge erlangen kann. Formelle schwierigkeiten sind dabei immer beachtet worden und ich habe mich z. b. gehütet, analog dem aus kalb und kolbe vermuthe- ten kilban (nr. 581.), silber (argentum) und salbe (unguen- tum) auf ein silban zu ziehen, weil schon im goth. silubr und salbon (weder silbr noch salubon) von einander weichen.
10) keine form bleibt bei sich stehen, sie ändert ihre gestalt, doch sie springt nie ganz von ihrem wesen ab, sonst würde sie zur unform und unerfaßlich. Ebensowe- nig haftet der begriff des wortes fest, aber auch seine wechsel, töne und farben sind niemahls sprünge, sondern einander verknüpft durch offene und verborgene fäden. Oft scheinen die verwandlungen des stoffs und des sinns mit einander gleichsam schritt zu halten, oft weichen sie zu noch festerer harmonie des ganzen ab, brechen hier oder dort aus, zögern oder eilen vor, treffen ein oder fehlen. Auf solcher durchdringung und entäußerung be- ruhet am ende reichthum und armuth der sprache, ja, weil sich nicht alles an einer stelle entfalten kann, die nothwendigkeit der dialecte.
An den wechsel der buchstaben und laute sind wir mehr gewohnt, er muß unserer betrachtung geordneter und faßlicher scheinen, als der hohe, kühne flug der ge- danken. Nähern wir uns einmahl diesem, so wird uns auch die vorher roh erfaßte form tiefere geheimnisse verrathen. Im grunde sind beide eins, gestalt und bedeu- tung, von dem gedanken lieb auf laub überzugehen ist nicht gewagter, als von den buchstaben iu auf au. Mit hülfe der form müßen wir anfangs zu dem geist aufstei- gen, bis wir dann wieder von ihm auf sie zurückschließen können. Auch der gedanke mag misgreifen und auf ab- wege gerathen, wie die form auf ausnahmen und ano- malien; in beide hat sich unorganisches und fremdartiges eingedrängt.
III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
ter, d. h. ſolche deren vereinigenden begriff wir verloren haben. So ſcheint es unthunlich, bora (terebrare) an bëra (nr. 325.), forare an ferre, zu knüpfen; wahrſchein- lich iſt, wie in berja und ferire, ein activer ſinn hervor- gehoben, vielleicht bohrer das die ſpäne herausſchaffende werkzeug? vgl. ûƷ-bora (ſcobs) gl. flor 990a. Die ver- ſuchte einſtellung mancher wörter unter verbliebene oder verlorne ſtarke verba betrachte man als ein vorläufiges wageſtück, deſſen formelle gültigkeit materielle gewähr erſt in der folge erlangen kann. Formelle ſchwierigkeiten ſind dabei immer beachtet worden und ich habe mich z. b. gehütet, analog dem aus kalb und kolbe vermuthe- ten kilban (nr. 581.), ſilber (argentum) und ſalbe (unguen- tum) auf ein ſilban zu ziehen, weil ſchon im goth. ſilubr und ſalbôn (weder ſilbr noch ſalubôn) von einander weichen.
10) keine form bleibt bei ſich ſtehen, ſie ändert ihre geſtalt, doch ſie ſpringt nie ganz von ihrem weſen ab, ſonſt würde ſie zur unform und unerfaßlich. Ebenſowe- nig haftet der begriff des wortes feſt, aber auch ſeine wechſel, töne und farben ſind niemahls ſprünge, ſondern einander verknüpft durch offene und verborgene fäden. Oft ſcheinen die verwandlungen des ſtoffs und des ſinns mit einander gleichſam ſchritt zu halten, oft weichen ſie zu noch feſterer harmonie des ganzen ab, brechen hier oder dort aus, zögern oder eilen vor, treffen ein oder fehlen. Auf ſolcher durchdringung und entäußerung be- ruhet am ende reichthum und armuth der ſprache, ja, weil ſich nicht alles an einer ſtelle entfalten kann, die nothwendigkeit der dialecte.
An den wechſel der buchſtaben und laute ſind wir mehr gewohnt, er muß unſerer betrachtung geordneter und faßlicher ſcheinen, als der hohe, kühne flug der ge- danken. Nähern wir uns einmahl dieſem, ſo wird uns auch die vorher roh erfaßte form tiefere geheimniſſe verrathen. Im grunde ſind beide eins, geſtalt und bedeu- tung, von dem gedanken lieb auf laub überzugehen iſt nicht gewagter, als von den buchſtaben iu auf au. Mit hülfe der form müßen wir anfangs zu dem geiſt aufſtei- gen, bis wir dann wieder von ihm auf ſie zurückſchließen können. Auch der gedanke mag misgreifen und auf ab- wege gerathen, wie die form auf ausnahmen und ano- malien; in beide hat ſich unorganiſches und fremdartiges eingedrängt.
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III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
ter, d. h. ſolche deren vereinigenden begriff wir verloren
haben. So ſcheint es unthunlich, bora (terebrare) an
bëra (nr. 325.), forare an ferre, zu knüpfen; wahrſchein-
lich iſt, wie in berja und ferire, ein activer ſinn hervor-
gehoben, vielleicht bohrer das die ſpäne herausſchaffende
werkzeug? vgl. ûƷ-bora (ſcobs) gl. flor 990a. Die ver-
ſuchte einſtellung mancher wörter unter verbliebene oder
verlorne ſtarke verba betrachte man als ein vorläufiges
wageſtück, deſſen formelle gültigkeit materielle gewähr
erſt in der folge erlangen kann. Formelle ſchwierigkeiten
ſind dabei immer beachtet worden und ich habe mich
z. b. gehütet, analog dem aus kalb und kolbe vermuthe-
ten kilban (nr. 581.), ſilber (argentum) und ſalbe (unguen-
tum) auf ein ſilban zu ziehen, weil ſchon im goth. ſilubr
und ſalbôn (weder ſilbr noch ſalubôn) von einander
weichen.
10) keine form bleibt bei ſich ſtehen, ſie ändert ihre
geſtalt, doch ſie ſpringt nie ganz von ihrem weſen ab,
ſonſt würde ſie zur unform und unerfaßlich. Ebenſowe-
nig haftet der begriff des wortes feſt, aber auch ſeine
wechſel, töne und farben ſind niemahls ſprünge, ſondern
einander verknüpft durch offene und verborgene fäden.
Oft ſcheinen die verwandlungen des ſtoffs und des ſinns
mit einander gleichſam ſchritt zu halten, oft weichen ſie
zu noch feſterer harmonie des ganzen ab, brechen hier
oder dort aus, zögern oder eilen vor, treffen ein oder
fehlen. Auf ſolcher durchdringung und entäußerung be-
ruhet am ende reichthum und armuth der ſprache, ja,
weil ſich nicht alles an einer ſtelle entfalten kann, die
nothwendigkeit der dialecte.
An den wechſel der buchſtaben und laute ſind wir
mehr gewohnt, er muß unſerer betrachtung geordneter
und faßlicher ſcheinen, als der hohe, kühne flug der ge-
danken. Nähern wir uns einmahl dieſem, ſo wird uns
auch die vorher roh erfaßte form tiefere geheimniſſe
verrathen. Im grunde ſind beide eins, geſtalt und bedeu-
tung, von dem gedanken lieb auf laub überzugehen iſt
nicht gewagter, als von den buchſtaben iu auf au. Mit
hülfe der form müßen wir anfangs zu dem geiſt aufſtei-
gen, bis wir dann wieder von ihm auf ſie zurückſchließen
können. Auch der gedanke mag misgreifen und auf ab-
wege gerathen, wie die form auf ausnahmen und ano-
malien; in beide hat ſich unorganiſches und fremdartiges
eingedrängt.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/96>, abgerufen am 24.11.2024.
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