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Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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einen Tag warten, ihn dann, noch ohne Antwort zu haben, dem Briefe nachreisen, und endlich sehen wir ihn wieder in Theresens kleine Stube eintreten, wo er sie wieder allein trifft.

Die Tante, der dieser Besuch sehr auffällig gewesen war, da ja Albert so weit hatte fortreisen wollen und nun so bald wieder erschien und so sehr lange bei ihrer Nichte blieb, nahm sich endlich ein Herz und trat ein. Therese saß diesmal am Ofen, die Hände im Schooß gefaltet, Albert an ihrem Schreibtische und so sehr in seine Arbeit vertieft, daß er nichts bemerkte und ruhig fortschrieb. So traf es sich denn, daß er, ohne aufzusehen zu Therese sagte: Ich schreibe gleich, daß sich deine Tante sehr gefreut hat, es bleibt ihr ja gar nichts Anderes übrig, und sie ist eine so vortreffliche Frau -- Hier brach Therese in lautes Lachen aus, und er sah auf.

Bleiben Sie ruhig sitzen, lieber Albert, rief die Tante und ihr ganzes Gesicht stimmte in Theresens Heiterkeit ein, und da doch von mir die Rede ist, so bemerken Sie nur gleich, daß die Tante sich allerdings sehr freute, aber die beiden Leute nicht belästigte, sondern nur gratulirte und sie allein ließ. Damit ging sie fort. Albert aber stand doch von seinem Briefe auf und setzte sich neben Therese, und die Zeit verging, als hätte sie nie so große Eile gehabt. Und wenn ja

einen Tag warten, ihn dann, noch ohne Antwort zu haben, dem Briefe nachreisen, und endlich sehen wir ihn wieder in Theresens kleine Stube eintreten, wo er sie wieder allein trifft.

Die Tante, der dieser Besuch sehr auffällig gewesen war, da ja Albert so weit hatte fortreisen wollen und nun so bald wieder erschien und so sehr lange bei ihrer Nichte blieb, nahm sich endlich ein Herz und trat ein. Therese saß diesmal am Ofen, die Hände im Schooß gefaltet, Albert an ihrem Schreibtische und so sehr in seine Arbeit vertieft, daß er nichts bemerkte und ruhig fortschrieb. So traf es sich denn, daß er, ohne aufzusehen zu Therese sagte: Ich schreibe gleich, daß sich deine Tante sehr gefreut hat, es bleibt ihr ja gar nichts Anderes übrig, und sie ist eine so vortreffliche Frau — Hier brach Therese in lautes Lachen aus, und er sah auf.

Bleiben Sie ruhig sitzen, lieber Albert, rief die Tante und ihr ganzes Gesicht stimmte in Theresens Heiterkeit ein, und da doch von mir die Rede ist, so bemerken Sie nur gleich, daß die Tante sich allerdings sehr freute, aber die beiden Leute nicht belästigte, sondern nur gratulirte und sie allein ließ. Damit ging sie fort. Albert aber stand doch von seinem Briefe auf und setzte sich neben Therese, und die Zeit verging, als hätte sie nie so große Eile gehabt. Und wenn ja

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[0083] einen Tag warten, ihn dann, noch ohne Antwort zu haben, dem Briefe nachreisen, und endlich sehen wir ihn wieder in Theresens kleine Stube eintreten, wo er sie wieder allein trifft. Die Tante, der dieser Besuch sehr auffällig gewesen war, da ja Albert so weit hatte fortreisen wollen und nun so bald wieder erschien und so sehr lange bei ihrer Nichte blieb, nahm sich endlich ein Herz und trat ein. Therese saß diesmal am Ofen, die Hände im Schooß gefaltet, Albert an ihrem Schreibtische und so sehr in seine Arbeit vertieft, daß er nichts bemerkte und ruhig fortschrieb. So traf es sich denn, daß er, ohne aufzusehen zu Therese sagte: Ich schreibe gleich, daß sich deine Tante sehr gefreut hat, es bleibt ihr ja gar nichts Anderes übrig, und sie ist eine so vortreffliche Frau — Hier brach Therese in lautes Lachen aus, und er sah auf. Bleiben Sie ruhig sitzen, lieber Albert, rief die Tante und ihr ganzes Gesicht stimmte in Theresens Heiterkeit ein, und da doch von mir die Rede ist, so bemerken Sie nur gleich, daß die Tante sich allerdings sehr freute, aber die beiden Leute nicht belästigte, sondern nur gratulirte und sie allein ließ. Damit ging sie fort. Albert aber stand doch von seinem Briefe auf und setzte sich neben Therese, und die Zeit verging, als hätte sie nie so große Eile gehabt. Und wenn ja

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:24:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:24:04Z)

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Zitationshilfe: Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_kind_1910/83>, abgerufen am 27.05.2024.