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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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packen kann." -- "Aber Großmutter, was hast
du für ein entsetzlich großes Maul!" -- "daß
ich dich besser fressen kann." Damit sprang
der Wolf aus dem Bett, sprang auf das arme
Rothkäppchen, und verschlang es.

Wie der Wolf den fetten Bissen erlangt
hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein
und fing an, überlaut zu schnarchen. Der Jä-
ger ging eben vorbei und gedacht wie kann die
alte Frau so schnarchen, du mußt einmal nach-
sehen. Da trat er hinein und wie er vors
Bett kam, da lag der Wolf den er lange ge-
sucht, der hat gewiß die Großmutter gefressen
vielleicht ist sie noch zu retten, ich will nicht
schießen, dachte der Jäger. Da nahm er die
Scheere und schnitt ihm den Bauch auf, und
wie er ein paar Schnitte gethan, da sah er das
rothe Käppchen leuchten, und wie er noch ein
wenig geschnitten, da sprang das Mädchen her-
aus und rief: "ach wie war ich erschrocken,
was wars so dunkel in dem Wolf seinem Leib;"
und dann kam die Großmutter auch lebendig
heraus. Rothkäppchen aber holte große schwere
Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib,
und wie er aufwachte, wollte er fortspringen,
aber die Steine waren so schwer, daß er sich
todt fiel.

Da waren alle drei vergnügt, der Jäger
nahm den Pelz vom Wolf, die Großmutter aß

packen kann.“ — „Aber Großmutter, was haſt
du fuͤr ein entſetzlich großes Maul!“ — „daß
ich dich beſſer freſſen kann.“ Damit ſprang
der Wolf aus dem Bett, ſprang auf das arme
Rothkaͤppchen, und verſchlang es.

Wie der Wolf den fetten Biſſen erlangt
hatte, legte er ſich wieder ins Bett, ſchlief ein
und fing an, uͤberlaut zu ſchnarchen. Der Jaͤ-
ger ging eben vorbei und gedacht wie kann die
alte Frau ſo ſchnarchen, du mußt einmal nach-
ſehen. Da trat er hinein und wie er vors
Bett kam, da lag der Wolf den er lange ge-
ſucht, der hat gewiß die Großmutter gefreſſen
vielleicht iſt ſie noch zu retten, ich will nicht
ſchießen, dachte der Jaͤger. Da nahm er die
Scheere und ſchnitt ihm den Bauch auf, und
wie er ein paar Schnitte gethan, da ſah er das
rothe Kaͤppchen leuchten, und wie er noch ein
wenig geſchnitten, da ſprang das Maͤdchen her-
aus und rief: „ach wie war ich erſchrocken,
was wars ſo dunkel in dem Wolf ſeinem Leib;“
und dann kam die Großmutter auch lebendig
heraus. Rothkaͤppchen aber holte große ſchwere
Steine, damit fuͤllten ſie dem Wolf den Leib,
und wie er aufwachte, wollte er fortſpringen,
aber die Steine waren ſo ſchwer, daß er ſich
todt fiel.

Da waren alle drei vergnuͤgt, der Jaͤger
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[116/0150] packen kann.“ — „Aber Großmutter, was haſt du fuͤr ein entſetzlich großes Maul!“ — „daß ich dich beſſer freſſen kann.“ Damit ſprang der Wolf aus dem Bett, ſprang auf das arme Rothkaͤppchen, und verſchlang es. Wie der Wolf den fetten Biſſen erlangt hatte, legte er ſich wieder ins Bett, ſchlief ein und fing an, uͤberlaut zu ſchnarchen. Der Jaͤ- ger ging eben vorbei und gedacht wie kann die alte Frau ſo ſchnarchen, du mußt einmal nach- ſehen. Da trat er hinein und wie er vors Bett kam, da lag der Wolf den er lange ge- ſucht, der hat gewiß die Großmutter gefreſſen vielleicht iſt ſie noch zu retten, ich will nicht ſchießen, dachte der Jaͤger. Da nahm er die Scheere und ſchnitt ihm den Bauch auf, und wie er ein paar Schnitte gethan, da ſah er das rothe Kaͤppchen leuchten, und wie er noch ein wenig geſchnitten, da ſprang das Maͤdchen her- aus und rief: „ach wie war ich erſchrocken, was wars ſo dunkel in dem Wolf ſeinem Leib;“ und dann kam die Großmutter auch lebendig heraus. Rothkaͤppchen aber holte große ſchwere Steine, damit fuͤllten ſie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte, wollte er fortſpringen, aber die Steine waren ſo ſchwer, daß er ſich todt fiel. Da waren alle drei vergnuͤgt, der Jaͤger nahm den Pelz vom Wolf, die Großmutter aß

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/150>, abgerufen am 21.11.2024.