Tage Gold heim, und ward so beliebt wie ei- ner bei dem König, daß er aus- und eingehen durfte und im Schloß herumstreichen, wo er wollte. Einmal stand der Kater in der Küche des Königs beim Heerd und wärmte sich, da kam der Kutscher und fluchte: "ich wünsch' der König mit der Prinzessin wär beim Henker! ich wollt ins Wirthshaus gehen und einmal trinken und Karte spielen, da soll ich sie spa- zieren fahren an den See." Wie der Kater das hörte, schlich er nach Haus und sagte zu seinem Herrn: "wenn du willst ein Graf und reich werden, so komm mit mir hinaus an den See und bad dich darin." Der Müller wuß- te nicht, was er dazu sagen sollte, doch folg- te er dem Kater, ging mit ihm, zog sich splin- ternackend aus und sprang ins Wasser. Der Kater aber nahm seine Kleider, trug sie fort und versteckte sie. Kaum war er damit fertig, da kam der König dahergefahren; der Kater fing sogleich an, erbärmlich zu lamentiren: "ach! allergnädigster König! mein Herr, der hat sich hier im See gebadet, da ist ein Dieb gekommen und hat ihm die Kleider gestohlen, die am Ufer lagen, nun ist der Herr Graf im Wasser und kann nicht heraus, und wenn er länger darin bleibt wird er sich verkälten und sterben." Wie der König das hörte, ließ er Halt machen und einer von seinen Leuten muß-
Tage Gold heim, und ward ſo beliebt wie ei- ner bei dem Koͤnig, daß er aus- und eingehen durfte und im Schloß herumſtreichen, wo er wollte. Einmal ſtand der Kater in der Kuͤche des Koͤnigs beim Heerd und waͤrmte ſich, da kam der Kutſcher und fluchte: „ich wuͤnſch' der Koͤnig mit der Prinzeſſin waͤr beim Henker! ich wollt ins Wirthshaus gehen und einmal trinken und Karte ſpielen, da ſoll ich ſie ſpa- zieren fahren an den See.“ Wie der Kater das hoͤrte, ſchlich er nach Haus und ſagte zu ſeinem Herrn: „wenn du willſt ein Graf und reich werden, ſo komm mit mir hinaus an den See und bad dich darin.“ Der Muͤller wuß- te nicht, was er dazu ſagen ſollte, doch folg- te er dem Kater, ging mit ihm, zog ſich ſplin- ternackend aus und ſprang ins Waſſer. Der Kater aber nahm ſeine Kleider, trug ſie fort und verſteckte ſie. Kaum war er damit fertig, da kam der Koͤnig dahergefahren; der Kater fing ſogleich an, erbaͤrmlich zu lamentiren: „ach! allergnaͤdigſter Koͤnig! mein Herr, der hat ſich hier im See gebadet, da iſt ein Dieb gekommen und hat ihm die Kleider geſtohlen, die am Ufer lagen, nun iſt der Herr Graf im Waſſer und kann nicht heraus, und wenn er laͤnger darin bleibt wird er ſich verkaͤlten und ſterben.“ Wie der Koͤnig das hoͤrte, ließ er Halt machen und einer von ſeinen Leuten muß-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0185"n="151"/>
Tage Gold heim, und ward ſo beliebt wie ei-<lb/>
ner bei dem Koͤnig, daß er aus- und eingehen<lb/>
durfte und im Schloß herumſtreichen, wo er<lb/>
wollte. Einmal ſtand der Kater in der Kuͤche<lb/>
des Koͤnigs beim Heerd und waͤrmte ſich, da<lb/>
kam der Kutſcher und fluchte: „ich wuͤnſch' der<lb/>
Koͤnig mit der Prinzeſſin waͤr beim Henker!<lb/>
ich wollt ins Wirthshaus gehen und einmal<lb/>
trinken und Karte ſpielen, da ſoll ich ſie ſpa-<lb/>
zieren fahren an den See.“ Wie der Kater<lb/>
das hoͤrte, ſchlich er nach Haus und ſagte zu<lb/>ſeinem Herrn: „wenn du willſt ein Graf und<lb/>
reich werden, ſo komm mit mir hinaus an den<lb/>
See und bad dich darin.“ Der Muͤller wuß-<lb/>
te nicht, was er dazu ſagen ſollte, doch folg-<lb/>
te er dem Kater, ging mit ihm, zog ſich ſplin-<lb/>
ternackend aus und ſprang ins Waſſer. Der<lb/>
Kater aber nahm ſeine Kleider, trug ſie fort<lb/>
und verſteckte ſie. Kaum war er damit fertig,<lb/>
da kam der Koͤnig dahergefahren; der Kater<lb/>
fing ſogleich an, erbaͤrmlich zu lamentiren:<lb/>„ach! allergnaͤdigſter Koͤnig! mein Herr, der<lb/>
hat ſich hier im See gebadet, da iſt ein Dieb<lb/>
gekommen und hat ihm die Kleider geſtohlen,<lb/>
die am Ufer lagen, nun iſt der Herr Graf im<lb/>
Waſſer und kann nicht heraus, und wenn er<lb/>
laͤnger darin bleibt wird er ſich verkaͤlten und<lb/>ſterben.“ Wie der Koͤnig das hoͤrte, ließ er<lb/>
Halt machen und einer von ſeinen Leuten muß-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0185]
Tage Gold heim, und ward ſo beliebt wie ei-
ner bei dem Koͤnig, daß er aus- und eingehen
durfte und im Schloß herumſtreichen, wo er
wollte. Einmal ſtand der Kater in der Kuͤche
des Koͤnigs beim Heerd und waͤrmte ſich, da
kam der Kutſcher und fluchte: „ich wuͤnſch' der
Koͤnig mit der Prinzeſſin waͤr beim Henker!
ich wollt ins Wirthshaus gehen und einmal
trinken und Karte ſpielen, da ſoll ich ſie ſpa-
zieren fahren an den See.“ Wie der Kater
das hoͤrte, ſchlich er nach Haus und ſagte zu
ſeinem Herrn: „wenn du willſt ein Graf und
reich werden, ſo komm mit mir hinaus an den
See und bad dich darin.“ Der Muͤller wuß-
te nicht, was er dazu ſagen ſollte, doch folg-
te er dem Kater, ging mit ihm, zog ſich ſplin-
ternackend aus und ſprang ins Waſſer. Der
Kater aber nahm ſeine Kleider, trug ſie fort
und verſteckte ſie. Kaum war er damit fertig,
da kam der Koͤnig dahergefahren; der Kater
fing ſogleich an, erbaͤrmlich zu lamentiren:
„ach! allergnaͤdigſter Koͤnig! mein Herr, der
hat ſich hier im See gebadet, da iſt ein Dieb
gekommen und hat ihm die Kleider geſtohlen,
die am Ufer lagen, nun iſt der Herr Graf im
Waſſer und kann nicht heraus, und wenn er
laͤnger darin bleibt wird er ſich verkaͤlten und
ſterben.“ Wie der Koͤnig das hoͤrte, ließ er
Halt machen und einer von ſeinen Leuten muß-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/185>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.