schwester hat doch schon lange den Tod ver- dient, heut Nacht leg dich hinten ins Bett und schieb sie recht vorne hin, dann will ich kom- men, wenn sie schläft, und will ihr den Kopf abhauen." Die Stiefschwester aber hatte in einer Ecke gestanden und alles mit angehört, da ließ sie die böse Schwester erst zu Bett ge- hen, daß sie hinten hin kam, wie sie aber ein- geschlafen war, hub sie sie auf und legte sie vorne hin, sich aber ganz hinten. Da kam die Mutter in der Nacht geschlichen, fühlte erst ob vorne jemand lag und schlief, dann faßte sie die Axt mit beiden Händen und hieb und hieb ihrem eigenen Kind den Kopf ab.
Wie sie fortgegangen war, stand das Mäd- chen auf und ging zu seinem Liebsten Roland, klopfte an und rief: "hör, wir müssen fort, die Stiefmutter hat ihr eigen Kind todtgeschlagen, und meint sie hätte mich getroffen, kommt der Tag und sie sieht, was sie gethan, so bin ich verloren; da hab ich ihren Zauberstab genom- men, damit können wir uns schon helfen." Der Liebste Roland stand auf, und sie nahmen erst den todten Kopf und tröpfelten drei Bluts- tropfen, einen vors Bett, einen in die Küche und einen auf die Treppe; darauf gingen sie fort. Am Morgen, als die Mutter aufgestan- den war, rief sie ihrer Tochter: "komm, du sollst jetzt die Schürze haben, die Tochter kam
aber
ſchweſter hat doch ſchon lange den Tod ver- dient, heut Nacht leg dich hinten ins Bett und ſchieb ſie recht vorne hin, dann will ich kom- men, wenn ſie ſchlaͤft, und will ihr den Kopf abhauen.“ Die Stiefſchweſter aber hatte in einer Ecke geſtanden und alles mit angehoͤrt, da ließ ſie die boͤſe Schweſter erſt zu Bett ge- hen, daß ſie hinten hin kam, wie ſie aber ein- geſchlafen war, hub ſie ſie auf und legte ſie vorne hin, ſich aber ganz hinten. Da kam die Mutter in der Nacht geſchlichen, fuͤhlte erſt ob vorne jemand lag und ſchlief, dann faßte ſie die Axt mit beiden Haͤnden und hieb und hieb ihrem eigenen Kind den Kopf ab.
Wie ſie fortgegangen war, ſtand das Maͤd- chen auf und ging zu ſeinem Liebſten Roland, klopfte an und rief: „hoͤr, wir muͤſſen fort, die Stiefmutter hat ihr eigen Kind todtgeſchlagen, und meint ſie haͤtte mich getroffen, kommt der Tag und ſie ſieht, was ſie gethan, ſo bin ich verloren; da hab ich ihren Zauberſtab genom- men, damit koͤnnen wir uns ſchon helfen.“ Der Liebſte Roland ſtand auf, und ſie nahmen erſt den todten Kopf und troͤpfelten drei Bluts- tropfen, einen vors Bett, einen in die Kuͤche und einen auf die Treppe; darauf gingen ſie fort. Am Morgen, als die Mutter aufgeſtan- den war, rief ſie ihrer Tochter: „komm, du ſollſt jetzt die Schuͤrze haben, die Tochter kam
aber
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0290"n="256"/>ſchweſter hat doch ſchon lange den Tod ver-<lb/>
dient, heut Nacht leg dich hinten ins Bett und<lb/>ſchieb ſie recht vorne hin, dann will ich kom-<lb/>
men, wenn ſie ſchlaͤft, und will ihr den Kopf<lb/>
abhauen.“ Die Stiefſchweſter aber hatte in<lb/>
einer Ecke geſtanden und alles mit angehoͤrt,<lb/>
da ließ ſie die boͤſe Schweſter erſt zu Bett ge-<lb/>
hen, daß ſie hinten hin kam, wie ſie aber ein-<lb/>
geſchlafen war, hub ſie ſie auf und legte ſie<lb/>
vorne hin, ſich aber ganz hinten. Da kam die<lb/>
Mutter in der Nacht geſchlichen, fuͤhlte erſt ob<lb/>
vorne jemand lag und ſchlief, dann faßte ſie<lb/>
die Axt mit beiden Haͤnden und hieb und hieb<lb/>
ihrem eigenen Kind den Kopf ab.</p><lb/><p>Wie ſie fortgegangen war, ſtand das Maͤd-<lb/>
chen auf und ging zu ſeinem Liebſten Roland,<lb/>
klopfte an und rief: „hoͤr, wir muͤſſen fort, die<lb/>
Stiefmutter hat ihr eigen Kind todtgeſchlagen,<lb/>
und meint ſie haͤtte mich getroffen, kommt der<lb/>
Tag und ſie ſieht, was ſie gethan, ſo bin ich<lb/>
verloren; da hab ich ihren Zauberſtab genom-<lb/>
men, damit koͤnnen wir uns ſchon helfen.“<lb/>
Der Liebſte Roland ſtand auf, und ſie nahmen<lb/>
erſt den todten Kopf und troͤpfelten drei Bluts-<lb/>
tropfen, einen vors Bett, einen in die Kuͤche<lb/>
und einen auf die Treppe; darauf gingen ſie<lb/>
fort. Am Morgen, als die Mutter aufgeſtan-<lb/>
den war, rief ſie ihrer Tochter: „komm, du<lb/>ſollſt jetzt die Schuͤrze haben, die Tochter kam<lb/><fwplace="bottom"type="catch">aber</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[256/0290]
ſchweſter hat doch ſchon lange den Tod ver-
dient, heut Nacht leg dich hinten ins Bett und
ſchieb ſie recht vorne hin, dann will ich kom-
men, wenn ſie ſchlaͤft, und will ihr den Kopf
abhauen.“ Die Stiefſchweſter aber hatte in
einer Ecke geſtanden und alles mit angehoͤrt,
da ließ ſie die boͤſe Schweſter erſt zu Bett ge-
hen, daß ſie hinten hin kam, wie ſie aber ein-
geſchlafen war, hub ſie ſie auf und legte ſie
vorne hin, ſich aber ganz hinten. Da kam die
Mutter in der Nacht geſchlichen, fuͤhlte erſt ob
vorne jemand lag und ſchlief, dann faßte ſie
die Axt mit beiden Haͤnden und hieb und hieb
ihrem eigenen Kind den Kopf ab.
Wie ſie fortgegangen war, ſtand das Maͤd-
chen auf und ging zu ſeinem Liebſten Roland,
klopfte an und rief: „hoͤr, wir muͤſſen fort, die
Stiefmutter hat ihr eigen Kind todtgeſchlagen,
und meint ſie haͤtte mich getroffen, kommt der
Tag und ſie ſieht, was ſie gethan, ſo bin ich
verloren; da hab ich ihren Zauberſtab genom-
men, damit koͤnnen wir uns ſchon helfen.“
Der Liebſte Roland ſtand auf, und ſie nahmen
erſt den todten Kopf und troͤpfelten drei Bluts-
tropfen, einen vors Bett, einen in die Kuͤche
und einen auf die Treppe; darauf gingen ſie
fort. Am Morgen, als die Mutter aufgeſtan-
den war, rief ſie ihrer Tochter: „komm, du
ſollſt jetzt die Schuͤrze haben, die Tochter kam
aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/290>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.