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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Käfig lassen sollte, machte die Thüre auf, pack-
te ihn und that ihn in den goldenen Käfig.
Indem hub der Vogel so mörderlich an zu
schreien, daß die ganzen Soldaten davon er-
wachten, die nahmen ihn gefangen und führten
ihn vor den König. Den andern Morgen wur-
de ein Gericht gehalten, wo er alles bekennt,
und zum Tode verurtheilt wird, doch unter der
einen Bedingung soll ihm das Leben geschenkt
seyn, wenn er dem König das goldne Pferd
bringe, das schnell wie der Wind laufe, und
dazu solle ihm der goldne Vogel obendrein ge-
schenkt werden.

Betrübt machte er sich auf den Weg und
seufzte; auf einmal stand der Fuchs wieder da
und sagte: "siehst du, so ist es gekommen, weil
du mir nicht gehört hast, doch will ich dir noch
einmal rathen, wie du das goldne Pferd be-
kommen kannst, wenn du mir folgen willst. Du
mußt gerades Wegs fortgehen, bist du zu dem
Schloß kommst, worin das Pferd im Stall
steht, vor dem Stall werden die Stallknechte
schlafen und schnarchen, da kannst du geruhig
das goldne Pferd herausführen, allein leg ihm
nur den schlechten Sattel von Holz und Leder,
und nicht den goldenen, auf der dabei hängt."
Darauf setzt er sich auf den Fuchsschwanz und
es ging weg über Stock und Stein, daß die
Haare pfiffen.


Kaͤfig laſſen ſollte, machte die Thuͤre auf, pack-
te ihn und that ihn in den goldenen Kaͤfig.
Indem hub der Vogel ſo moͤrderlich an zu
ſchreien, daß die ganzen Soldaten davon er-
wachten, die nahmen ihn gefangen und fuͤhrten
ihn vor den Koͤnig. Den andern Morgen wur-
de ein Gericht gehalten, wo er alles bekennt,
und zum Tode verurtheilt wird, doch unter der
einen Bedingung ſoll ihm das Leben geſchenkt
ſeyn, wenn er dem Koͤnig das goldne Pferd
bringe, das ſchnell wie der Wind laufe, und
dazu ſolle ihm der goldne Vogel obendrein ge-
ſchenkt werden.

Betruͤbt machte er ſich auf den Weg und
ſeufzte; auf einmal ſtand der Fuchs wieder da
und ſagte: „ſiehſt du, ſo iſt es gekommen, weil
du mir nicht gehoͤrt haſt, doch will ich dir noch
einmal rathen, wie du das goldne Pferd be-
kommen kannſt, wenn du mir folgen willſt. Du
mußt gerades Wegs fortgehen, biſt du zu dem
Schloß kommſt, worin das Pferd im Stall
ſteht, vor dem Stall werden die Stallknechte
ſchlafen und ſchnarchen, da kannſt du geruhig
das goldne Pferd herausfuͤhren, allein leg ihm
nur den ſchlechten Sattel von Holz und Leder,
und nicht den goldenen, auf der dabei haͤngt.“
Darauf ſetzt er ſich auf den Fuchsſchwanz und
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Haare pfiffen.


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[264/0298] Kaͤfig laſſen ſollte, machte die Thuͤre auf, pack- te ihn und that ihn in den goldenen Kaͤfig. Indem hub der Vogel ſo moͤrderlich an zu ſchreien, daß die ganzen Soldaten davon er- wachten, die nahmen ihn gefangen und fuͤhrten ihn vor den Koͤnig. Den andern Morgen wur- de ein Gericht gehalten, wo er alles bekennt, und zum Tode verurtheilt wird, doch unter der einen Bedingung ſoll ihm das Leben geſchenkt ſeyn, wenn er dem Koͤnig das goldne Pferd bringe, das ſchnell wie der Wind laufe, und dazu ſolle ihm der goldne Vogel obendrein ge- ſchenkt werden. Betruͤbt machte er ſich auf den Weg und ſeufzte; auf einmal ſtand der Fuchs wieder da und ſagte: „ſiehſt du, ſo iſt es gekommen, weil du mir nicht gehoͤrt haſt, doch will ich dir noch einmal rathen, wie du das goldne Pferd be- kommen kannſt, wenn du mir folgen willſt. Du mußt gerades Wegs fortgehen, biſt du zu dem Schloß kommſt, worin das Pferd im Stall ſteht, vor dem Stall werden die Stallknechte ſchlafen und ſchnarchen, da kannſt du geruhig das goldne Pferd herausfuͤhren, allein leg ihm nur den ſchlechten Sattel von Holz und Leder, und nicht den goldenen, auf der dabei haͤngt.“ Darauf ſetzt er ſich auf den Fuchsſchwanz und es ging weg uͤber Stock und Stein, daß die Haare pfiffen.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/298>, abgerufen am 22.11.2024.