Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.der ein Goldei, und das Vöglein ließ es sich "Wer ißt mein Herzlein, wird bald König seyn; wer ißt mein Leberlein, findet alle Morgen unterm Kissen ein Gold- beutlein!" Wie der Goldschmidt das hörte, rief er die bei- den Jungen und sagte: "laßt mir den Vogel, und ich will euer Schwesterlein heirathen." Die zwei sagten ja, und da ward nun Hochzeit gehalten. Der Goldschmidt aber sprach: "ich will zu meiner Hochzeit den Vogel essen, ihr zwei, bratet ihn am Spieße, und habt Acht, daß er nicht verdirbt, und bringt ihn herauf, wenn er gaar ist;" er dachte aber, dann wolle er Herz und Leber herausnehmen und essen. Die bei- den Brüder standen am Spieß und drehten ihn herum, wie sie ihn so herumdrehen, und der Vogel bald gebraten ist, fällt ein Stückchen her- aus. "Ei, sagt der eine, das muß ich probi- der ein Goldei, und das Voͤglein ließ es ſich „Wer ißt mein Herzlein, wird bald Koͤnig ſeyn; wer ißt mein Leberlein, findet alle Morgen unterm Kiſſen ein Gold- beutlein!“ Wie der Goldſchmidt das hoͤrte, rief er die bei- den Jungen und ſagte: „laßt mir den Vogel, und ich will euer Schweſterlein heirathen.“ Die zwei ſagten ja, und da ward nun Hochzeit gehalten. Der Goldſchmidt aber ſprach: „ich will zu meiner Hochzeit den Vogel eſſen, ihr zwei, bratet ihn am Spieße, und habt Acht, daß er nicht verdirbt, und bringt ihn herauf, wenn er gaar iſt;“ er dachte aber, dann wolle er Herz und Leber herausnehmen und eſſen. Die bei- den Bruͤder ſtanden am Spieß und drehten ihn herum, wie ſie ihn ſo herumdrehen, und der Vogel bald gebraten iſt, faͤllt ein Stuͤckchen her- aus. „Ei, ſagt der eine, das muß ich probi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0313" n="279"/> der ein Goldei, und das Voͤglein ließ es ſich<lb/> geduldig nehmen, wie das vorigemal. Das<lb/> waͤhrte eine Zeitlang, alle Morgen holten ſie<lb/> das Goldei und waren bald reich: eines Mor-<lb/> gens aber ſagte der Vogel: „nun werde ich<lb/> keine Eier mehr legen, aber bringt mich zu dem<lb/> Goldſchmidt, das wird euer Gluͤck ſeyn. Die<lb/> Beſenbindersjungen thaten, wie es ſprach und<lb/> brachten es dem Goldſchmidt getragen, und als<lb/> es allein mit dieſem war, ſang es:<lb/><lg type="poem"><l>„Wer ißt mein Herzlein,</l><lb/><l>wird bald Koͤnig ſeyn;</l><lb/><l>wer ißt mein Leberlein,</l><lb/><l>findet alle Morgen unterm Kiſſen ein Gold-</l><lb/><l>beutlein!“</l></lg><lb/> Wie der Goldſchmidt das hoͤrte, rief er die bei-<lb/> den Jungen und ſagte: „laßt mir den Vogel,<lb/> und ich will euer Schweſterlein heirathen.“<lb/> Die zwei ſagten ja, und da ward nun Hochzeit<lb/> gehalten. Der Goldſchmidt aber ſprach: „ich<lb/> will zu meiner Hochzeit den Vogel eſſen, ihr<lb/> zwei, bratet ihn am Spieße, und habt Acht, daß<lb/> er nicht verdirbt, und bringt ihn herauf, wenn<lb/> er gaar iſt;“ er dachte aber, dann wolle er Herz<lb/> und Leber herausnehmen und eſſen. Die bei-<lb/> den Bruͤder ſtanden am Spieß und drehten ihn<lb/> herum, wie ſie ihn ſo herumdrehen, und der<lb/> Vogel bald gebraten iſt, faͤllt ein Stuͤckchen her-<lb/> aus. „Ei, ſagt der eine, das muß ich probi-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [279/0313]
der ein Goldei, und das Voͤglein ließ es ſich
geduldig nehmen, wie das vorigemal. Das
waͤhrte eine Zeitlang, alle Morgen holten ſie
das Goldei und waren bald reich: eines Mor-
gens aber ſagte der Vogel: „nun werde ich
keine Eier mehr legen, aber bringt mich zu dem
Goldſchmidt, das wird euer Gluͤck ſeyn. Die
Beſenbindersjungen thaten, wie es ſprach und
brachten es dem Goldſchmidt getragen, und als
es allein mit dieſem war, ſang es:
„Wer ißt mein Herzlein,
wird bald Koͤnig ſeyn;
wer ißt mein Leberlein,
findet alle Morgen unterm Kiſſen ein Gold-
beutlein!“
Wie der Goldſchmidt das hoͤrte, rief er die bei-
den Jungen und ſagte: „laßt mir den Vogel,
und ich will euer Schweſterlein heirathen.“
Die zwei ſagten ja, und da ward nun Hochzeit
gehalten. Der Goldſchmidt aber ſprach: „ich
will zu meiner Hochzeit den Vogel eſſen, ihr
zwei, bratet ihn am Spieße, und habt Acht, daß
er nicht verdirbt, und bringt ihn herauf, wenn
er gaar iſt;“ er dachte aber, dann wolle er Herz
und Leber herausnehmen und eſſen. Die bei-
den Bruͤder ſtanden am Spieß und drehten ihn
herum, wie ſie ihn ſo herumdrehen, und der
Vogel bald gebraten iſt, faͤllt ein Stuͤckchen her-
aus. „Ei, ſagt der eine, das muß ich probi-
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