Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

war aber von dem alten grauen Männchen ge-
kommen.

Darauf ging der zweite Sohn in den Wald,
wo ihn das Männchen auch um ein Stück Ku-
chen ansprach. Er schlugs ihm aber auch ab,
und hieb sich dafür ins Bein, daß er sich mußte
nach Haus tragen lassen. Endlich ging der
Dummling hinaus, das Männchen sprach ihn,
wie die andern, um ein Stück Kuchen an.
"Da hast du ihn ganz," sagte der Dummling,
und gab ihn hin. Da sagte das Männchen:
"hau diesen Baum ab, so wirst du etwas fin-
den." Der Dummling hieb da zu, und als
der Baum umfiel, saß eine goldene Gans dar-
unter. Er nahm sie mit sich, und ging in ein
Wirthshaus und wollte da übernachten, blieb
aber nicht in der großen Stube, sondern ließ
sich eine allein geben, da setzte er seine Gans
mitten hinein. Die Wirthstöchter sahen die
Gans und waren neugierig, und hätten gar
zu gern eine Feder von ihr gehabt. Da sprach
die älteste: "ich will einmal hinauf gehen, und
wenn ich nicht bald wieder komme, so geht mir
nach." Darauf ging sie zu der Gans, wie sie
aber kaum die Feder berührt hat, bleibt sie
daran hängen; weil sie nun nicht wieder her-
unter kam, ging ihr die zweite nach, und wie
sie die Gans sieht, kann sie gar der Lust nicht
widerstehen, ihr eine Feder auszuziehen; die

älteste

war aber von dem alten grauen Maͤnnchen ge-
kommen.

Darauf ging der zweite Sohn in den Wald,
wo ihn das Maͤnnchen auch um ein Stuͤck Ku-
chen anſprach. Er ſchlugs ihm aber auch ab,
und hieb ſich dafuͤr ins Bein, daß er ſich mußte
nach Haus tragen laſſen. Endlich ging der
Dummling hinaus, das Maͤnnchen ſprach ihn,
wie die andern, um ein Stuͤck Kuchen an.
„Da haſt du ihn ganz,“ ſagte der Dummling,
und gab ihn hin. Da ſagte das Maͤnnchen:
„hau dieſen Baum ab, ſo wirſt du etwas fin-
den.“ Der Dummling hieb da zu, und als
der Baum umfiel, ſaß eine goldene Gans dar-
unter. Er nahm ſie mit ſich, und ging in ein
Wirthshaus und wollte da uͤbernachten, blieb
aber nicht in der großen Stube, ſondern ließ
ſich eine allein geben, da ſetzte er ſeine Gans
mitten hinein. Die Wirthstoͤchter ſahen die
Gans und waren neugierig, und haͤtten gar
zu gern eine Feder von ihr gehabt. Da ſprach
die aͤlteſte: „ich will einmal hinauf gehen, und
wenn ich nicht bald wieder komme, ſo geht mir
nach.“ Darauf ging ſie zu der Gans, wie ſie
aber kaum die Feder beruͤhrt hat, bleibt ſie
daran haͤngen; weil ſie nun nicht wieder her-
unter kam, ging ihr die zweite nach, und wie
ſie die Gans ſieht, kann ſie gar der Luſt nicht
widerſtehen, ihr eine Feder auszuziehen; die

aͤlteſte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0338" n="304"/>
war aber von dem alten grauen Ma&#x0364;nnchen ge-<lb/>
kommen.</p><lb/>
          <p>Darauf ging der zweite Sohn in den Wald,<lb/>
wo ihn das Ma&#x0364;nnchen auch um ein Stu&#x0364;ck Ku-<lb/>
chen an&#x017F;prach. Er &#x017F;chlugs ihm aber auch ab,<lb/>
und hieb &#x017F;ich dafu&#x0364;r ins Bein, daß er &#x017F;ich mußte<lb/>
nach Haus tragen la&#x017F;&#x017F;en. Endlich ging der<lb/>
Dummling hinaus, das Ma&#x0364;nnchen &#x017F;prach ihn,<lb/>
wie die andern, um ein Stu&#x0364;ck Kuchen an.<lb/>
&#x201E;Da ha&#x017F;t du ihn ganz,&#x201C; &#x017F;agte der Dummling,<lb/>
und gab ihn hin. Da &#x017F;agte das Ma&#x0364;nnchen:<lb/>
&#x201E;hau die&#x017F;en Baum ab, &#x017F;o wir&#x017F;t du etwas fin-<lb/>
den.&#x201C; Der Dummling hieb da zu, und als<lb/>
der Baum umfiel, &#x017F;aß eine goldene Gans dar-<lb/>
unter. Er nahm &#x017F;ie mit &#x017F;ich, und ging in ein<lb/>
Wirthshaus und wollte da u&#x0364;bernachten, blieb<lb/>
aber nicht in der großen Stube, &#x017F;ondern ließ<lb/>
&#x017F;ich eine allein geben, da &#x017F;etzte er &#x017F;eine Gans<lb/>
mitten hinein. Die Wirthsto&#x0364;chter &#x017F;ahen die<lb/>
Gans und waren neugierig, und ha&#x0364;tten gar<lb/>
zu gern eine Feder von ihr gehabt. Da &#x017F;prach<lb/>
die a&#x0364;lte&#x017F;te: &#x201E;ich will einmal hinauf gehen, und<lb/>
wenn ich nicht bald wieder komme, &#x017F;o geht mir<lb/>
nach.&#x201C; Darauf ging &#x017F;ie zu der Gans, wie &#x017F;ie<lb/>
aber kaum die Feder beru&#x0364;hrt hat, bleibt &#x017F;ie<lb/>
daran ha&#x0364;ngen; weil &#x017F;ie nun nicht wieder her-<lb/>
unter kam, ging ihr die zweite nach, und wie<lb/>
&#x017F;ie die Gans &#x017F;ieht, kann &#x017F;ie gar der Lu&#x017F;t nicht<lb/>
wider&#x017F;tehen, ihr eine Feder auszuziehen; die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">a&#x0364;lte&#x017F;te</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0338] war aber von dem alten grauen Maͤnnchen ge- kommen. Darauf ging der zweite Sohn in den Wald, wo ihn das Maͤnnchen auch um ein Stuͤck Ku- chen anſprach. Er ſchlugs ihm aber auch ab, und hieb ſich dafuͤr ins Bein, daß er ſich mußte nach Haus tragen laſſen. Endlich ging der Dummling hinaus, das Maͤnnchen ſprach ihn, wie die andern, um ein Stuͤck Kuchen an. „Da haſt du ihn ganz,“ ſagte der Dummling, und gab ihn hin. Da ſagte das Maͤnnchen: „hau dieſen Baum ab, ſo wirſt du etwas fin- den.“ Der Dummling hieb da zu, und als der Baum umfiel, ſaß eine goldene Gans dar- unter. Er nahm ſie mit ſich, und ging in ein Wirthshaus und wollte da uͤbernachten, blieb aber nicht in der großen Stube, ſondern ließ ſich eine allein geben, da ſetzte er ſeine Gans mitten hinein. Die Wirthstoͤchter ſahen die Gans und waren neugierig, und haͤtten gar zu gern eine Feder von ihr gehabt. Da ſprach die aͤlteſte: „ich will einmal hinauf gehen, und wenn ich nicht bald wieder komme, ſo geht mir nach.“ Darauf ging ſie zu der Gans, wie ſie aber kaum die Feder beruͤhrt hat, bleibt ſie daran haͤngen; weil ſie nun nicht wieder her- unter kam, ging ihr die zweite nach, und wie ſie die Gans ſieht, kann ſie gar der Luſt nicht widerſtehen, ihr eine Feder auszuziehen; die aͤlteſte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/338
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/338>, abgerufen am 16.07.2024.