Er kam darauf in eine Stadt, da regierte ein König, der hatte eine Tochter, die war so ernsthaft, daß sie niemand zum Lachen bringen konnte. Da hatte der König ein Gesetz gege- ben, wer sie könnte zu lachen machen, der soll- te sie heirathen. Der Dummling, als er das hörte, ging mit seiner Gans und ihrem An- hang vor die Königstochter; wie diese den Auf- zug sah, fing sie überlaut an zu lachen, und wollte gar nicht wieder aufhören. Er verlang- te sie nun zur Braut, aber der König machte allerlei Einwendungen und sagte, er müßte ihm erst einen Mann bringen, der einen Keller voll Wein austrinken könnte. Da ging er in den Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum abgehauen hatte, sah er einen Mann sitzen, der machte ein gar betrübtes Gesicht, der Dumm- ling fragte, was er sich so sehr zu Herzen näh- me? "Ei! ich bin so durstig, und kann nicht genug zu trinken kriegen, ein Faß Wein hab ich zwar ausgeleert, aber was ist ein Tropfen auf einen heißen Stein?" -- "Da kann ich dir helfen, sagte der Dummling, komm nur mit mir, du sollst satt haben." Er führte ihn in des Königs Keller, der Mann machte sich über die großen Fässer, trank und trank, daß ihm die Hüften weh thaten, und ehe ein Tag herum war, hatte er den ganzen Keller ausge- trunken. Der Dummling verlangte nun seine
Er kam darauf in eine Stadt, da regierte ein Koͤnig, der hatte eine Tochter, die war ſo ernſthaft, daß ſie niemand zum Lachen bringen konnte. Da hatte der Koͤnig ein Geſetz gege- ben, wer ſie koͤnnte zu lachen machen, der ſoll- te ſie heirathen. Der Dummling, als er das hoͤrte, ging mit ſeiner Gans und ihrem An- hang vor die Koͤnigstochter; wie dieſe den Auf- zug ſah, fing ſie uͤberlaut an zu lachen, und wollte gar nicht wieder aufhoͤren. Er verlang- te ſie nun zur Braut, aber der Koͤnig machte allerlei Einwendungen und ſagte, er muͤßte ihm erſt einen Mann bringen, der einen Keller voll Wein austrinken koͤnnte. Da ging er in den Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum abgehauen hatte, ſah er einen Mann ſitzen, der machte ein gar betruͤbtes Geſicht, der Dumm- ling fragte, was er ſich ſo ſehr zu Herzen naͤh- me? „Ei! ich bin ſo durſtig, und kann nicht genug zu trinken kriegen, ein Faß Wein hab ich zwar ausgeleert, aber was iſt ein Tropfen auf einen heißen Stein?“ — „Da kann ich dir helfen, ſagte der Dummling, komm nur mit mir, du ſollſt ſatt haben.“ Er fuͤhrte ihn in des Koͤnigs Keller, der Mann machte ſich uͤber die großen Faͤſſer, trank und trank, daß ihm die Huͤften weh thaten, und ehe ein Tag herum war, hatte er den ganzen Keller ausge- trunken. Der Dummling verlangte nun ſeine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0340"n="306"/><p>Er kam darauf in eine Stadt, da regierte<lb/>
ein Koͤnig, der hatte eine Tochter, die war ſo<lb/>
ernſthaft, daß ſie niemand zum Lachen bringen<lb/>
konnte. Da hatte der Koͤnig ein Geſetz gege-<lb/>
ben, wer ſie koͤnnte zu lachen machen, der ſoll-<lb/>
te ſie heirathen. Der Dummling, als er das<lb/>
hoͤrte, ging mit ſeiner Gans und ihrem An-<lb/>
hang vor die Koͤnigstochter; wie dieſe den Auf-<lb/>
zug ſah, fing ſie uͤberlaut an zu lachen, und<lb/>
wollte gar nicht wieder aufhoͤren. Er verlang-<lb/>
te ſie nun zur Braut, aber der Koͤnig machte<lb/>
allerlei Einwendungen und ſagte, er muͤßte ihm<lb/>
erſt einen Mann bringen, der einen Keller voll<lb/>
Wein austrinken koͤnnte. Da ging er in den<lb/>
Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum<lb/>
abgehauen hatte, ſah er einen Mann ſitzen, der<lb/>
machte ein gar betruͤbtes Geſicht, der Dumm-<lb/>
ling fragte, was er ſich ſo ſehr zu Herzen naͤh-<lb/>
me? „Ei! ich bin ſo durſtig, und kann nicht<lb/>
genug zu trinken kriegen, ein Faß Wein hab<lb/>
ich zwar ausgeleert, aber was iſt ein Tropfen<lb/>
auf einen heißen Stein?“—„Da kann ich<lb/>
dir helfen, ſagte der Dummling, komm nur<lb/>
mit mir, du ſollſt ſatt haben.“ Er fuͤhrte ihn<lb/>
in des Koͤnigs Keller, der Mann machte ſich<lb/>
uͤber die großen Faͤſſer, trank und trank, daß<lb/>
ihm die Huͤften weh thaten, und ehe ein Tag<lb/>
herum war, hatte er den ganzen Keller ausge-<lb/>
trunken. Der Dummling verlangte <hirendition="#g">nun</hi>ſeine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[306/0340]
Er kam darauf in eine Stadt, da regierte
ein Koͤnig, der hatte eine Tochter, die war ſo
ernſthaft, daß ſie niemand zum Lachen bringen
konnte. Da hatte der Koͤnig ein Geſetz gege-
ben, wer ſie koͤnnte zu lachen machen, der ſoll-
te ſie heirathen. Der Dummling, als er das
hoͤrte, ging mit ſeiner Gans und ihrem An-
hang vor die Koͤnigstochter; wie dieſe den Auf-
zug ſah, fing ſie uͤberlaut an zu lachen, und
wollte gar nicht wieder aufhoͤren. Er verlang-
te ſie nun zur Braut, aber der Koͤnig machte
allerlei Einwendungen und ſagte, er muͤßte ihm
erſt einen Mann bringen, der einen Keller voll
Wein austrinken koͤnnte. Da ging er in den
Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum
abgehauen hatte, ſah er einen Mann ſitzen, der
machte ein gar betruͤbtes Geſicht, der Dumm-
ling fragte, was er ſich ſo ſehr zu Herzen naͤh-
me? „Ei! ich bin ſo durſtig, und kann nicht
genug zu trinken kriegen, ein Faß Wein hab
ich zwar ausgeleert, aber was iſt ein Tropfen
auf einen heißen Stein?“ — „Da kann ich
dir helfen, ſagte der Dummling, komm nur
mit mir, du ſollſt ſatt haben.“ Er fuͤhrte ihn
in des Koͤnigs Keller, der Mann machte ſich
uͤber die großen Faͤſſer, trank und trank, daß
ihm die Huͤften weh thaten, und ehe ein Tag
herum war, hatte er den ganzen Keller ausge-
trunken. Der Dummling verlangte nun ſeine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/340>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.