Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Tochter mitbringen, die ist die schönste auf der
Welt." -- "Meinetwegen, aber gieb mir die
schöne Tochter dafür zur Frau?" Der Mann,
um das Thier los zu werden, sagt ja, und
denkt, das wird doch nicht kommen und sie for-
dern, das Thier aber rief noch hinter ihm
drein: "in acht Tagen komm ich und hol mei-
ne Braut."

Der Kaufmann brachte nun einer jeden
Tochter mit, was sie gewünscht hatten; sie freu-
ten sich auch alle darüber, am meisten aber die
jüngste über die Rose. Nach acht Tagen saßen
die drei Schwestern beisammen am Tisch, da
kam etwas mit schwerem Gang die Treppe her-
auf, und an die Thüre und rief: "macht auf!
macht auf!" Da machten sie auf, aber sie er-
schracken recht, als ein großes schwarzes Thier
hereintrat: "Weil meine Braut nicht gekom-
men, und die Zeit herum ist, will ich mir sie
selber holen." Damit ging es auf die jüngste
Tochter zu und packte sie an. Sie fing an zu
schreien, das half aber alles nichts, sie mußte
mit fort, und als der Vater nach Haus kam,
war sein liebstes Kind geraubt. Das schwarze
Thier aber trug die schöne Jungfrau in sein
Schloß, da wars gar wunderbar und schön,
und Musikanten waren darin, die spielten auf,
und unten war der Garten halb Sommer und
halb Winter, und das Thier that ihr alles zu

Tochter mitbringen, die iſt die ſchoͤnſte auf der
Welt.“ — „Meinetwegen, aber gieb mir die
ſchoͤne Tochter dafuͤr zur Frau?“ Der Mann,
um das Thier los zu werden, ſagt ja, und
denkt, das wird doch nicht kommen und ſie for-
dern, das Thier aber rief noch hinter ihm
drein: „in acht Tagen komm ich und hol mei-
ne Braut.“

Der Kaufmann brachte nun einer jeden
Tochter mit, was ſie gewuͤnſcht hatten; ſie freu-
ten ſich auch alle daruͤber, am meiſten aber die
juͤngſte uͤber die Roſe. Nach acht Tagen ſaßen
die drei Schweſtern beiſammen am Tiſch, da
kam etwas mit ſchwerem Gang die Treppe her-
auf, und an die Thuͤre und rief: „macht auf!
macht auf!“ Da machten ſie auf, aber ſie er-
ſchracken recht, als ein großes ſchwarzes Thier
hereintrat: „Weil meine Braut nicht gekom-
men, und die Zeit herum iſt, will ich mir ſie
ſelber holen.“ Damit ging es auf die juͤngſte
Tochter zu und packte ſie an. Sie fing an zu
ſchreien, das half aber alles nichts, ſie mußte
mit fort, und als der Vater nach Haus kam,
war ſein liebſtes Kind geraubt. Das ſchwarze
Thier aber trug die ſchoͤne Jungfrau in ſein
Schloß, da wars gar wunderbar und ſchoͤn,
und Muſikanten waren darin, die ſpielten auf,
und unten war der Garten halb Sommer und
halb Winter, und das Thier that ihr alles zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0359" n="325"/>
Tochter mitbringen, die i&#x017F;t die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te auf der<lb/>
Welt.&#x201C; &#x2014; &#x201E;<choice><sic>Meintwegen</sic><corr>Meinetwegen</corr></choice>, aber gieb mir die<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Tochter dafu&#x0364;r zur Frau?&#x201C; Der Mann,<lb/>
um das Thier los zu werden, &#x017F;agt ja, und<lb/>
denkt, das wird doch nicht kommen und &#x017F;ie for-<lb/>
dern, das Thier aber rief noch hinter ihm<lb/>
drein: &#x201E;in acht Tagen komm ich und hol mei-<lb/>
ne Braut.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Kaufmann brachte nun einer jeden<lb/>
Tochter mit, was &#x017F;ie gewu&#x0364;n&#x017F;cht hatten; &#x017F;ie freu-<lb/>
ten &#x017F;ich auch alle daru&#x0364;ber, am mei&#x017F;ten aber die<lb/>
ju&#x0364;ng&#x017F;te u&#x0364;ber die Ro&#x017F;e. Nach acht Tagen &#x017F;aßen<lb/>
die drei Schwe&#x017F;tern bei&#x017F;ammen am Ti&#x017F;ch, da<lb/>
kam etwas mit &#x017F;chwerem Gang die Treppe her-<lb/>
auf, und an die Thu&#x0364;re und rief: &#x201E;macht auf!<lb/>
macht auf!&#x201C; Da machten &#x017F;ie auf, aber &#x017F;ie er-<lb/>
&#x017F;chracken recht, als ein großes &#x017F;chwarzes Thier<lb/>
hereintrat: &#x201E;Weil meine Braut nicht gekom-<lb/>
men, und die Zeit herum i&#x017F;t, will ich mir &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elber holen.&#x201C; Damit ging es auf die ju&#x0364;ng&#x017F;te<lb/>
Tochter zu und packte &#x017F;ie an. Sie fing an zu<lb/>
&#x017F;chreien, das half aber alles nichts, &#x017F;ie mußte<lb/>
mit fort, und als der Vater nach Haus kam,<lb/>
war &#x017F;ein lieb&#x017F;tes Kind geraubt. Das &#x017F;chwarze<lb/>
Thier aber trug die &#x017F;cho&#x0364;ne Jungfrau in &#x017F;ein<lb/>
Schloß, da wars gar wunderbar und &#x017F;cho&#x0364;n,<lb/>
und Mu&#x017F;ikanten waren darin, die &#x017F;pielten auf,<lb/>
und unten war der Garten halb Sommer und<lb/>
halb Winter, und das Thier that ihr alles zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0359] Tochter mitbringen, die iſt die ſchoͤnſte auf der Welt.“ — „Meinetwegen, aber gieb mir die ſchoͤne Tochter dafuͤr zur Frau?“ Der Mann, um das Thier los zu werden, ſagt ja, und denkt, das wird doch nicht kommen und ſie for- dern, das Thier aber rief noch hinter ihm drein: „in acht Tagen komm ich und hol mei- ne Braut.“ Der Kaufmann brachte nun einer jeden Tochter mit, was ſie gewuͤnſcht hatten; ſie freu- ten ſich auch alle daruͤber, am meiſten aber die juͤngſte uͤber die Roſe. Nach acht Tagen ſaßen die drei Schweſtern beiſammen am Tiſch, da kam etwas mit ſchwerem Gang die Treppe her- auf, und an die Thuͤre und rief: „macht auf! macht auf!“ Da machten ſie auf, aber ſie er- ſchracken recht, als ein großes ſchwarzes Thier hereintrat: „Weil meine Braut nicht gekom- men, und die Zeit herum iſt, will ich mir ſie ſelber holen.“ Damit ging es auf die juͤngſte Tochter zu und packte ſie an. Sie fing an zu ſchreien, das half aber alles nichts, ſie mußte mit fort, und als der Vater nach Haus kam, war ſein liebſtes Kind geraubt. Das ſchwarze Thier aber trug die ſchoͤne Jungfrau in ſein Schloß, da wars gar wunderbar und ſchoͤn, und Muſikanten waren darin, die ſpielten auf, und unten war der Garten halb Sommer und halb Winter, und das Thier that ihr alles zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/359
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/359>, abgerufen am 16.07.2024.