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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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daß er sie noch einmal sähe, aber die Krankheit
und das Leid hatten schon zu sehr an seinem
Herzen gefressen, daß er nicht wieder gesund
werden konnte, und nach ein paar Tagen starb
er. Da konnte sie an nichts anders denken vor
Traurigkeit, und hernach ward ihr Vater be-
graben, da ging sie mit zur Leiche, und dann
weinten die Schwestern zusammen und tröste-
ten sich, und als sie endlich wieder an ihr lie-
bes Thier dachte, da waren schon längst die
acht Tage herum. Da ward ihr recht Angst,
und es war ihr, als sey das auch krank, und
sie machte sich gleich auf, und ging wieder hin
zu seinem Schloß. Wie sie aber wieder ankam,
wars ganz still und traurig darin, die Musi-
kanten spielten nicht, und alles war mit schwar-
zem Flor behangen; der Garten aber war ganz
Winter und von Schnee bedeckt. Und wie sie
das Thier selber suchte, war es fort, und sie
suchte aller Orten, aber sie konnte es nicht fin-
den. Da war sie doppelt traurig, und wußte
sich nicht zu trösten, und einmal ging sie so
traurig im Garten, und sah einen Haufen Kohl-
häupter, die waren oben schon alt und faul,
da legte sie die herum, und wie sie ein paar
umgedreht hatte, sah sie ihr liebes Thier, das
lag darunter und war todt. Geschwind holte
sie Wasser und begoß es damit unaufhörlich, da
sprang es auf und war auf einmal verwandelt,

daß er ſie noch einmal ſaͤhe, aber die Krankheit
und das Leid hatten ſchon zu ſehr an ſeinem
Herzen gefreſſen, daß er nicht wieder geſund
werden konnte, und nach ein paar Tagen ſtarb
er. Da konnte ſie an nichts anders denken vor
Traurigkeit, und hernach ward ihr Vater be-
graben, da ging ſie mit zur Leiche, und dann
weinten die Schweſtern zuſammen und troͤſte-
ten ſich, und als ſie endlich wieder an ihr lie-
bes Thier dachte, da waren ſchon laͤngſt die
acht Tage herum. Da ward ihr recht Angſt,
und es war ihr, als ſey das auch krank, und
ſie machte ſich gleich auf, und ging wieder hin
zu ſeinem Schloß. Wie ſie aber wieder ankam,
wars ganz ſtill und traurig darin, die Muſi-
kanten ſpielten nicht, und alles war mit ſchwar-
zem Flor behangen; der Garten aber war ganz
Winter und von Schnee bedeckt. Und wie ſie
das Thier ſelber ſuchte, war es fort, und ſie
ſuchte aller Orten, aber ſie konnte es nicht fin-
den. Da war ſie doppelt traurig, und wußte
ſich nicht zu troͤſten, und einmal ging ſie ſo
traurig im Garten, und ſah einen Haufen Kohl-
haͤupter, die waren oben ſchon alt und faul,
da legte ſie die herum, und wie ſie ein paar
umgedreht hatte, ſah ſie ihr liebes Thier, das
lag darunter und war todt. Geſchwind holte
ſie Waſſer und begoß es damit unaufhoͤrlich, da
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[327/0361] daß er ſie noch einmal ſaͤhe, aber die Krankheit und das Leid hatten ſchon zu ſehr an ſeinem Herzen gefreſſen, daß er nicht wieder geſund werden konnte, und nach ein paar Tagen ſtarb er. Da konnte ſie an nichts anders denken vor Traurigkeit, und hernach ward ihr Vater be- graben, da ging ſie mit zur Leiche, und dann weinten die Schweſtern zuſammen und troͤſte- ten ſich, und als ſie endlich wieder an ihr lie- bes Thier dachte, da waren ſchon laͤngſt die acht Tage herum. Da ward ihr recht Angſt, und es war ihr, als ſey das auch krank, und ſie machte ſich gleich auf, und ging wieder hin zu ſeinem Schloß. Wie ſie aber wieder ankam, wars ganz ſtill und traurig darin, die Muſi- kanten ſpielten nicht, und alles war mit ſchwar- zem Flor behangen; der Garten aber war ganz Winter und von Schnee bedeckt. Und wie ſie das Thier ſelber ſuchte, war es fort, und ſie ſuchte aller Orten, aber ſie konnte es nicht fin- den. Da war ſie doppelt traurig, und wußte ſich nicht zu troͤſten, und einmal ging ſie ſo traurig im Garten, und ſah einen Haufen Kohl- haͤupter, die waren oben ſchon alt und faul, da legte ſie die herum, und wie ſie ein paar umgedreht hatte, ſah ſie ihr liebes Thier, das lag darunter und war todt. Geſchwind holte ſie Waſſer und begoß es damit unaufhoͤrlich, da ſprang es auf und war auf einmal verwandelt,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/361>, abgerufen am 24.11.2024.