der König auf die Jagd, ob er etwa einen Ha- sen schießen könnte, steckte sich also die Tasche voll Kartoffeln und ging aus. Es war aber in der Nähe ein großer Wald, in den wagte sich kein Mensch, weil fürchterliche Dinge erzählt wurden, was einem all darin begegne: Bären, die die Menschen auffräßen, Adler die die Au- gen aushackten, Wölfe, Löwen und alle grausa- men Thiere. Der König aber fürchtete sich kein bischen und ging geradezu hinein. Anfangs sah er gar nichts, große mächtige Bäume stan- den da, aber es war alles still darunter; als er so eine Weile herumgegangen und hungrig ge- worden war, setzte er sich unter einen Baum und wollte seine Kartoffeln essen, da kam auf einmal aus dem Dickicht ein Bär hervor, trabte gerade auf ihn los und brummte: "was un- terstehst du dich bei meinem Honigbaum zu sitzen? das sollst du mir theuer bezahlen!" der König erschrack, reichte dem Bären seine Kar- toffeln, und wollte ihn damit besänftigen. Der Bär aber fing an zu sprechen und sagte "deine Kartoffeln, mag ich nicht, ich will dich selber fressen und davon kannst du dich nicht anders er- retten, als daß du mir deine ältste Tochter giebst, wenn du das aber thust, geb ich dir noch oben- drein einen Centner Gold." Der König in der Angst gefressen zu werden, sagte, die sollst du haben, laß mich nur in Frieden. Da wies ihm
der Koͤnig auf die Jagd, ob er etwa einen Ha- ſen ſchießen koͤnnte, ſteckte ſich alſo die Taſche voll Kartoffeln und ging aus. Es war aber in der Naͤhe ein großer Wald, in den wagte ſich kein Menſch, weil fuͤrchterliche Dinge erzaͤhlt wurden, was einem all darin begegne: Baͤren, die die Menſchen auffraͤßen, Adler die die Au- gen aushackten, Woͤlfe, Loͤwen und alle grauſa- men Thiere. Der Koͤnig aber fuͤrchtete ſich kein bischen und ging geradezu hinein. Anfangs ſah er gar nichts, große maͤchtige Baͤume ſtan- den da, aber es war alles ſtill darunter; als er ſo eine Weile herumgegangen und hungrig ge- worden war, ſetzte er ſich unter einen Baum und wollte ſeine Kartoffeln eſſen, da kam auf einmal aus dem Dickicht ein Baͤr hervor, trabte gerade auf ihn los und brummte: „was un- terſtehſt du dich bei meinem Honigbaum zu ſitzen? das ſollſt du mir theuer bezahlen!“ der Koͤnig erſchrack, reichte dem Baͤren ſeine Kar- toffeln, und wollte ihn damit beſaͤnftigen. Der Baͤr aber fing an zu ſprechen und ſagte „deine Kartoffeln, mag ich nicht, ich will dich ſelber freſſen und davon kannſt du dich nicht anders er- retten, als daß du mir deine aͤltſte Tochter giebſt, wenn du das aber thuſt, geb ich dir noch oben- drein einen Centner Gold.“ Der Koͤnig in der Angſt gefreſſen zu werden, ſagte, die ſollſt du haben, laß mich nur in Frieden. Da wies ihm
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der Koͤnig auf die Jagd, ob er etwa einen Ha-
ſen ſchießen koͤnnte, ſteckte ſich alſo die Taſche
voll Kartoffeln und ging aus. Es war aber in
der Naͤhe ein großer Wald, in den wagte ſich
kein Menſch, weil fuͤrchterliche Dinge erzaͤhlt
wurden, was einem all darin begegne: Baͤren,
die die Menſchen auffraͤßen, Adler die die Au-
gen aushackten, Woͤlfe, Loͤwen und alle grauſa-
men Thiere. Der Koͤnig aber fuͤrchtete ſich kein
bischen und ging geradezu hinein. Anfangs
ſah er gar nichts, große maͤchtige Baͤume ſtan-
den da, aber es war alles ſtill darunter; als er
ſo eine Weile herumgegangen und hungrig ge-
worden war, ſetzte er ſich unter einen Baum
und wollte ſeine Kartoffeln eſſen, da kam auf
einmal aus dem Dickicht ein Baͤr hervor, trabte
gerade auf ihn los und brummte: „was un-
terſtehſt du dich bei meinem Honigbaum zu
ſitzen? das ſollſt du mir theuer bezahlen!“ der
Koͤnig erſchrack, reichte dem Baͤren ſeine Kar-
toffeln, und wollte ihn damit beſaͤnftigen. Der
Baͤr aber fing an zu ſprechen und ſagte „deine
Kartoffeln, mag ich nicht, ich will dich ſelber
freſſen und davon kannſt du dich nicht anders er-
retten, als daß du mir deine aͤltſte Tochter giebſt,
wenn du das aber thuſt, geb ich dir noch oben-
drein einen Centner Gold.“ Der Koͤnig in der
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/399>, abgerufen am 24.11.2024.
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