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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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scheint aus folgendem französischen übersetzt ist;
histoire nouvelle et divertissement du bon
homme Misere. Troyes etc. Garnier. 3.
S. 8,
wiederum aber deuten manche Umstände
auf einen italienischen Ursprung des letzteren,
oder wenigstens hat sie de la Riviere in Italien
erzählen gehört Peter und Paul gerathen bei
schlimmem Wetter in ein Dorf, stoßen auf eine
Wäscherin, die dem Himmel dankt, daß der
Regen kein Wein, sonder Wasser sey, klopfen bei
dem reichen Mann an, der sie stolz abweist, und
kehren zu dem armen Elend ein. Dieses thut nur
den einen Wunsch mit dem Birnbaum, den ihm
gerade ein Dieb bestohlen hatte Der Dieb wird
gefangen und sogar noch andere Leute, die aus
Neugierde aufsteigen um den Jammernden zu be-
freien. Endlich kommt der Tod und Elend bittet
ihn, daß er ihm seine Sichel leihe, um sich noch
eine der schönsten Birnen mit zu nehmen. Der Tod
will sein Waffen nicht aus der Hand lassen, als
ein guter Soldat und die Mühe selbst übernehmen
Elend befreit ihn nicht eher, bis er ihm zusagt, er
wolle ihn bis zum jüngsten Tag in Ruhe lassen,
und darum wohnt Elend noch immer fort in der
Welt.

Damit stimmt wieder zum Theil der Schluß
einer andern mündlichen Erzählung, die sonst ganz
wie der Schmied von Apolda lautet. Als Elend
gestorben ist und vor den Himmel kommt, wird er
von St. Petrus nicht eingelassen, weil er sich von
ihm nichts besseres ausgebeten hatte, nicht das
Himmelreich, wie er erwartet. Elend geht also
zur Hölle, aber der Teufel will ihn auch nicht, weil
er ihn genarrt, da muß er wieder zurück auf die
Welt und Elend ist so lange darauf als sie steht.
-- Durch diesen Schluß aber knüpft sich das Mär-
chen an die Sage von den Landsknechten, [d]ie im
Himmel kein Unterkommen finden können, und [wel]-
che
Frei in der Gartengesellschaft No. 44. und
Kirchhof im Wendunmuth I. N[o.] 08. erzählen.
Die Teufel wollen sie nicht, weil sie das rothe
Kreuz in der Fahne führen, und der Apostel Pe-
trus läßt sie auch nicht ein, weil sie Bluthunde,

ſcheint aus folgendem franzoͤſiſchen uͤberſetzt iſt;
histoire nouvelle et divertissement du bon
homme Misere. Troyes etc. Garnier. 3.
S. 8,
wiederum aber deuten manche Umſtaͤnde
auf einen italieniſchen Urſprung des letzteren,
oder wenigſtens hat ſie de la Riviere in Italien
erzaͤhlen gehoͤrt Peter und Paul gerathen bei
ſchlimmem Wetter in ein Dorf, ſtoßen auf eine
Waͤſcherin, die dem Himmel dankt, daß der
Regen kein Wein, ſonder Waſſer ſey, klopfen bei
dem reichen Mann an, der ſie ſtolz abweiſt, und
kehren zu dem armen Elend ein. Dieſes thut nur
den einen Wunſch mit dem Birnbaum, den ihm
gerade ein Dieb beſtohlen hatte Der Dieb wird
gefangen und ſogar noch andere Leute, die aus
Neugierde aufſteigen um den Jammernden zu be-
freien. Endlich kommt der Tod und Elend bittet
ihn, daß er ihm ſeine Sichel leihe, um ſich noch
eine der ſchoͤnſten Birnen mit zu nehmen. Der Tod
will ſein Waffen nicht aus der Hand laſſen, als
ein guter Soldat und die Muͤhe ſelbſt uͤbernehmen
Elend befreit ihn nicht eher, bis er ihm zuſagt, er
wolle ihn bis zum juͤngſten Tag in Ruhe laſſen,
und darum wohnt Elend noch immer fort in der
Welt.

Damit ſtimmt wieder zum Theil der Schluß
einer andern muͤndlichen Erzaͤhlung, die ſonſt ganz
wie der Schmied von Apolda lautet. Als Elend
geſtorben iſt und vor den Himmel kommt, wird er
von St. Petrus nicht eingelaſſen, weil er ſich von
ihm nichts beſſeres ausgebeten hatte, nicht das
Himmelreich, wie er erwartet. Elend geht alſo
zur Hoͤlle, aber der Teufel will ihn auch nicht, weil
er ihn genarrt, da muß er wieder zuruͤck auf die
Welt und Elend iſt ſo lange darauf als ſie ſteht.
— Durch dieſen Schluß aber knuͤpft ſich das Maͤr-
chen an die Sage von den Landsknechten, [d]ie im
Himmel kein Unterkommen finden koͤnnen, und [wel]-
che
Frei in der Gartengeſellſchaft No. 44. und
Kirchhof im Wendunmuth I. N[o.] 08. erzaͤhlen.
Die Teufel wollen ſie nicht, weil ſie das rothe
Kreuz in der Fahne fuͤhren, und der Apoſtel Pe-
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[LIV/0476] ſcheint aus folgendem franzoͤſiſchen uͤberſetzt iſt; histoire nouvelle et divertissement du bon homme Misere. Troyes etc. Garnier. 3. S. 8, wiederum aber deuten manche Umſtaͤnde auf einen italieniſchen Urſprung des letzteren, oder wenigſtens hat ſie de la Riviere in Italien erzaͤhlen gehoͤrt Peter und Paul gerathen bei ſchlimmem Wetter in ein Dorf, ſtoßen auf eine Waͤſcherin, die dem Himmel dankt, daß der Regen kein Wein, ſonder Waſſer ſey, klopfen bei dem reichen Mann an, der ſie ſtolz abweiſt, und kehren zu dem armen Elend ein. Dieſes thut nur den einen Wunſch mit dem Birnbaum, den ihm gerade ein Dieb beſtohlen hatte Der Dieb wird gefangen und ſogar noch andere Leute, die aus Neugierde aufſteigen um den Jammernden zu be- freien. Endlich kommt der Tod und Elend bittet ihn, daß er ihm ſeine Sichel leihe, um ſich noch eine der ſchoͤnſten Birnen mit zu nehmen. Der Tod will ſein Waffen nicht aus der Hand laſſen, als ein guter Soldat und die Muͤhe ſelbſt uͤbernehmen Elend befreit ihn nicht eher, bis er ihm zuſagt, er wolle ihn bis zum juͤngſten Tag in Ruhe laſſen, und darum wohnt Elend noch immer fort in der Welt. Damit ſtimmt wieder zum Theil der Schluß einer andern muͤndlichen Erzaͤhlung, die ſonſt ganz wie der Schmied von Apolda lautet. Als Elend geſtorben iſt und vor den Himmel kommt, wird er von St. Petrus nicht eingelaſſen, weil er ſich von ihm nichts beſſeres ausgebeten hatte, nicht das Himmelreich, wie er erwartet. Elend geht alſo zur Hoͤlle, aber der Teufel will ihn auch nicht, weil er ihn genarrt, da muß er wieder zuruͤck auf die Welt und Elend iſt ſo lange darauf als ſie ſteht. — Durch dieſen Schluß aber knuͤpft ſich das Maͤr- chen an die Sage von den Landsknechten, die im Himmel kein Unterkommen finden koͤnnen, und wel- che Frei in der Gartengeſellſchaft No. 44. und Kirchhof im Wendunmuth I. No. 08. erzaͤhlen. Die Teufel wollen ſie nicht, weil ſie das rothe Kreuz in der Fahne fuͤhren, und der Apoſtel Pe- trus laͤßt ſie auch nicht ein, weil ſie Bluthunde,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. LIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/476>, abgerufen am 21.11.2024.