sen und hätten sich beim Bier verspätet. Das Hähnchen, da es magere Leute waren, die nicht viel Platz einnahmen, ließ sie beide einsteigen, doch mußten sie versprechen, ihm nicht auf die Füße zu treten. Spät Abends kamen sie zu ei- nem Wirthshaus, und weil sie die Nacht nicht weiter fahren wollten, die Ente auch nicht gut zu Fuß war und von einer Seite auf die an- dere fiel, kehrten sie ein. Der Wirth machte anfangs viel Einwendungen, sein Haus sey schon voll, gedachte auch wohl, es mögten keine vornehme Passagiere seyn; endlich aber, da sie süße Reden führten, er solle das Ei haben, wel- ches das Hühnchen unterwegs gelegt hatte, auch die Ente behalten, die alle Tage eins lege, so gab er nach. Nun ließen sie sich wieder frisch auftragen und lebten in Saus und Braus. Früh Morgens, als es erst dämmerte und noch alles schlief, weckte Hähnchen das Hühnchen, holte das Ei, pickte es auf und sie verzehrten es zusammen, die Schalen aber warfen sie auf den Feuerheerd. Dann gingen sie zu der Näh- nadel, die noch schlief, packten sie beim Kopf und steckten sie in das Sesselkissen des Wirths, die Stecknadel aber in sein Handtuch, darauf flogen sie, mir nichts dir nichts, über die Heide davon. Die Ente, die unter freiem Himmel schlafen wollte und im Hof geblieben war, hörte sie fortschnurren, machte sich munter und fand
ei-
ſen und haͤtten ſich beim Bier verſpaͤtet. Das Haͤhnchen, da es magere Leute waren, die nicht viel Platz einnahmen, ließ ſie beide einſteigen, doch mußten ſie verſprechen, ihm nicht auf die Fuͤße zu treten. Spaͤt Abends kamen ſie zu ei- nem Wirthshaus, und weil ſie die Nacht nicht weiter fahren wollten, die Ente auch nicht gut zu Fuß war und von einer Seite auf die an- dere fiel, kehrten ſie ein. Der Wirth machte anfangs viel Einwendungen, ſein Haus ſey ſchon voll, gedachte auch wohl, es moͤgten keine vornehme Paſſagiere ſeyn; endlich aber, da ſie ſuͤße Reden fuͤhrten, er ſolle das Ei haben, wel- ches das Huͤhnchen unterwegs gelegt hatte, auch die Ente behalten, die alle Tage eins lege, ſo gab er nach. Nun ließen ſie ſich wieder friſch auftragen und lebten in Saus und Braus. Fruͤh Morgens, als es erſt daͤmmerte und noch alles ſchlief, weckte Haͤhnchen das Huͤhnchen, holte das Ei, pickte es auf und ſie verzehrten es zuſammen, die Schalen aber warfen ſie auf den Feuerheerd. Dann gingen ſie zu der Naͤh- nadel, die noch ſchlief, packten ſie beim Kopf und ſteckten ſie in das Seſſelkiſſen des Wirths, die Stecknadel aber in ſein Handtuch, darauf flogen ſie, mir nichts dir nichts, uͤber die Heide davon. Die Ente, die unter freiem Himmel ſchlafen wollte und im Hof geblieben war, hoͤrte ſie fortſchnurren, machte ſich munter und fand
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ſen und haͤtten ſich beim Bier verſpaͤtet. Das
Haͤhnchen, da es magere Leute waren, die nicht
viel Platz einnahmen, ließ ſie beide einſteigen,
doch mußten ſie verſprechen, ihm nicht auf die
Fuͤße zu treten. Spaͤt Abends kamen ſie zu ei-
nem Wirthshaus, und weil ſie die Nacht nicht
weiter fahren wollten, die Ente auch nicht gut
zu Fuß war und von einer Seite auf die an-
dere fiel, kehrten ſie ein. Der Wirth machte
anfangs viel Einwendungen, ſein Haus ſey
ſchon voll, gedachte auch wohl, es moͤgten keine
vornehme Paſſagiere ſeyn; endlich aber, da ſie
ſuͤße Reden fuͤhrten, er ſolle das Ei haben, wel-
ches das Huͤhnchen unterwegs gelegt hatte, auch
die Ente behalten, die alle Tage eins lege, ſo
gab er nach. Nun ließen ſie ſich wieder friſch
auftragen und lebten in Saus und Braus.
Fruͤh Morgens, als es erſt daͤmmerte und noch
alles ſchlief, weckte Haͤhnchen das Huͤhnchen,
holte das Ei, pickte es auf und ſie verzehrten
es zuſammen, die Schalen aber warfen ſie auf
den Feuerheerd. Dann gingen ſie zu der Naͤh-
nadel, die noch ſchlief, packten ſie beim Kopf
und ſteckten ſie in das Seſſelkiſſen des Wirths,
die Stecknadel aber in ſein Handtuch, darauf
flogen ſie, mir nichts dir nichts, uͤber die Heide
davon. Die Ente, die unter freiem Himmel
ſchlafen wollte und im Hof geblieben war, hoͤrte
ſie fortſchnurren, machte ſich munter und fand
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/66>, abgerufen am 21.11.2024.
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