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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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und nie eins bekommen, endlich aber ward die
Frau guter Hoffnung. Diese Leute hatten in
ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus
konnten sie in den Garten einer Fee sehen, der
voll von Blumen und Kräutern stand, allerlei
Art, keiner aber durfte es wagen, in den Gar-
ten hineinzugehen. Eines Tages stand die Frau
an diesem Fenster und sah hinab, da erblickte sie
wunderschöne Rapunzeln auf einem Beet und
wurde so lüstern darnach, und wußte doch, daß
sie keine davon bekommen konnte, daß sie ganz
abfiel und elend wurde. Ihr Mann erschrack
endlich und fragte nach der Ursache; "ach wenn
ich keine von den Rapunzeln aus dem Garten
hinter unserm Haus zu essen kriege, so muß ich
sterben." Der Mann, welcher sie gar lieb hatte,
dachte, es mag kosten was es will, so willst du
ihr doch welche schaffen, stieg eines Abends über
die hohe Mauer und stach in aller Eile eine Hand
voll Rapunzeln aus, die er seiner Frau brachte.
Die Frau machte sich sogleich Salat daraus,
und aß sie in vollem Heißhunger auf. Sie hat-
ten ihr aber so gut, so gut geschmeckt, daß sie
den andern Tag noch dreimal soviel Lust bekam.
Der Mann sah wohl, daß keine Ruh wäre, also
stieg er noch einmal in den Garten, allein er
erschrack gewaltig, als die Fee darin stand und
ihn heftig schalt, daß er es wage in ihren Gar-
ten zu kommen und daraus zu stehlen. Er ent-

und nie eins bekommen, endlich aber ward die
Frau guter Hoffnung. Dieſe Leute hatten in
ihrem Hinterhaus ein kleines Fenſter, daraus
konnten ſie in den Garten einer Fee ſehen, der
voll von Blumen und Kraͤutern ſtand, allerlei
Art, keiner aber durfte es wagen, in den Gar-
ten hineinzugehen. Eines Tages ſtand die Frau
an dieſem Fenſter und ſah hinab, da erblickte ſie
wunderſchoͤne Rapunzeln auf einem Beet und
wurde ſo luͤſtern darnach, und wußte doch, daß
ſie keine davon bekommen konnte, daß ſie ganz
abfiel und elend wurde. Ihr Mann erſchrack
endlich und fragte nach der Urſache; „ach wenn
ich keine von den Rapunzeln aus dem Garten
hinter unſerm Haus zu eſſen kriege, ſo muß ich
ſterben.“ Der Mann, welcher ſie gar lieb hatte,
dachte, es mag koſten was es will, ſo willſt du
ihr doch welche ſchaffen, ſtieg eines Abends uͤber
die hohe Mauer und ſtach in aller Eile eine Hand
voll Rapunzeln aus, die er ſeiner Frau brachte.
Die Frau machte ſich ſogleich Salat daraus,
und aß ſie in vollem Heißhunger auf. Sie hat-
ten ihr aber ſo gut, ſo gut geſchmeckt, daß ſie
den andern Tag noch dreimal ſoviel Luſt bekam.
Der Mann ſah wohl, daß keine Ruh waͤre, alſo
ſtieg er noch einmal in den Garten, allein er
erſchrack gewaltig, als die Fee darin ſtand und
ihn heftig ſchalt, daß er es wage in ihren Gar-
ten zu kommen und daraus zu ſtehlen. Er ent-

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[39/0073] und nie eins bekommen, endlich aber ward die Frau guter Hoffnung. Dieſe Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenſter, daraus konnten ſie in den Garten einer Fee ſehen, der voll von Blumen und Kraͤutern ſtand, allerlei Art, keiner aber durfte es wagen, in den Gar- ten hineinzugehen. Eines Tages ſtand die Frau an dieſem Fenſter und ſah hinab, da erblickte ſie wunderſchoͤne Rapunzeln auf einem Beet und wurde ſo luͤſtern darnach, und wußte doch, daß ſie keine davon bekommen konnte, daß ſie ganz abfiel und elend wurde. Ihr Mann erſchrack endlich und fragte nach der Urſache; „ach wenn ich keine von den Rapunzeln aus dem Garten hinter unſerm Haus zu eſſen kriege, ſo muß ich ſterben.“ Der Mann, welcher ſie gar lieb hatte, dachte, es mag koſten was es will, ſo willſt du ihr doch welche ſchaffen, ſtieg eines Abends uͤber die hohe Mauer und ſtach in aller Eile eine Hand voll Rapunzeln aus, die er ſeiner Frau brachte. Die Frau machte ſich ſogleich Salat daraus, und aß ſie in vollem Heißhunger auf. Sie hat- ten ihr aber ſo gut, ſo gut geſchmeckt, daß ſie den andern Tag noch dreimal ſoviel Luſt bekam. Der Mann ſah wohl, daß keine Ruh waͤre, alſo ſtieg er noch einmal in den Garten, allein er erſchrack gewaltig, als die Fee darin ſtand und ihn heftig ſchalt, daß er es wage in ihren Gar- ten zu kommen und daraus zu ſtehlen. Er ent-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/73>, abgerufen am 24.11.2024.