Tochter auch ein so großes Glück verschaffen. Da nähte sie ihr einen prächtigen Pelzrock und hieß sie hinausgehen in den Wald, und die klei- nen Männer um ein Geschenk bitten. Die Männer aber sahen, daß sie ein böses Herz hatte und statt guter Geschenke gaben sie ihm schlimme. Der erste, daß sie in ihrem Pelzrock friere, als wär er aus Papier, der zweite, daß sie alle Tage garstiger werde, der dritte, daß sie eines unglücklichen Todes sterbe. Zitternd vor Frost kam sie nach Hause und erzählte der Mutter, was ihr begegnet war, und als diese sah, daß die Verwünschungen der drei Männer anfingen einzutreffen, dachte sie nur darauf, wie sie sich rächen wollte. Sie ging zu ihrer Stief- tochter, der Königin, und stellte sich freundlich und liebreich an, da ward sie wohl aufgenom- men und ward ihr eine eigene Wohnung gege- ben. Bald darauf gebar die Königin einen Prinzen, und als sie in der Nacht allein, krank und schwach war, da hob sie das böse Weib mit ihrer Tochter aus dem Bett, und sie tru- gen sie hinaus zu dem Fluß und warfen sie hinein. Am andern Morgen sagten sie dem König, die Königin sey in der Nacht ge- storben.
In der folgenden Nacht sah der Küchen- junge, wie eine Ente durch die Gosse in die Küche hineinschwamm. Sie fragte:
Tochter auch ein ſo großes Gluͤck verſchaffen. Da naͤhte ſie ihr einen praͤchtigen Pelzrock und hieß ſie hinausgehen in den Wald, und die klei- nen Maͤnner um ein Geſchenk bitten. Die Maͤnner aber ſahen, daß ſie ein boͤſes Herz hatte und ſtatt guter Geſchenke gaben ſie ihm ſchlimme. Der erſte, daß ſie in ihrem Pelzrock friere, als waͤr er aus Papier, der zweite, daß ſie alle Tage garſtiger werde, der dritte, daß ſie eines ungluͤcklichen Todes ſterbe. Zitternd vor Froſt kam ſie nach Hauſe und erzaͤhlte der Mutter, was ihr begegnet war, und als dieſe ſah, daß die Verwuͤnſchungen der drei Maͤnner anfingen einzutreffen, dachte ſie nur darauf, wie ſie ſich raͤchen wollte. Sie ging zu ihrer Stief- tochter, der Koͤnigin, und ſtellte ſich freundlich und liebreich an, da ward ſie wohl aufgenom- men und ward ihr eine eigene Wohnung gege- ben. Bald darauf gebar die Koͤnigin einen Prinzen, und als ſie in der Nacht allein, krank und ſchwach war, da hob ſie das boͤſe Weib mit ihrer Tochter aus dem Bett, und ſie tru- gen ſie hinaus zu dem Fluß und warfen ſie hinein. Am andern Morgen ſagten ſie dem Koͤnig, die Koͤnigin ſey in der Nacht ge- ſtorben.
In der folgenden Nacht ſah der Kuͤchen- junge, wie eine Ente durch die Goſſe in die Kuͤche hineinſchwamm. Sie fragte:
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Tochter auch ein ſo großes Gluͤck verſchaffen.
Da naͤhte ſie ihr einen praͤchtigen Pelzrock und
hieß ſie hinausgehen in den Wald, und die klei-
nen Maͤnner um ein Geſchenk bitten. Die
Maͤnner aber ſahen, daß ſie ein boͤſes Herz
hatte und ſtatt guter Geſchenke gaben ſie ihm
ſchlimme. Der erſte, daß ſie in ihrem Pelzrock
friere, als waͤr er aus Papier, der zweite, daß
ſie alle Tage garſtiger werde, der dritte, daß ſie
eines ungluͤcklichen Todes ſterbe. Zitternd vor
Froſt kam ſie nach Hauſe und erzaͤhlte der
Mutter, was ihr begegnet war, und als dieſe
ſah, daß die Verwuͤnſchungen der drei Maͤnner
anfingen einzutreffen, dachte ſie nur darauf, wie
ſie ſich raͤchen wollte. Sie ging zu ihrer Stief-
tochter, der Koͤnigin, und ſtellte ſich freundlich
und liebreich an, da ward ſie wohl aufgenom-
men und ward ihr eine eigene Wohnung gege-
ben. Bald darauf gebar die Koͤnigin einen
Prinzen, und als ſie in der Nacht allein, krank
und ſchwach war, da hob ſie das boͤſe Weib
mit ihrer Tochter aus dem Bett, und ſie tru-
gen ſie hinaus zu dem Fluß und warfen ſie
hinein. Am andern Morgen ſagten ſie dem
Koͤnig, die Koͤnigin ſey in der Nacht ge-
ſtorben.
In der folgenden Nacht ſah der Kuͤchen-
junge, wie eine Ente durch die Goſſe in die
Kuͤche hineinſchwamm. Sie fragte:
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/80>, abgerufen am 21.11.2024.
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