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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Am andern Morgen ritt er fort und kam
an einen Teich, da hatten sich drei Fische im
Rohr gefangen, die klagten, daß sie da sterben
müßten, wenn sie nicht bald wieder ins Was-
ser kämen. Er stieg ab, nahm sie aus dem
Rohr und trug sie ins Wasser: die Fische rie-
fen: "wir wollen daran gedenken und dirs ver-
gelten." Er ritt weiter, bald darauf hörte er,
wie ein Ameisenkönig rief: "geh mit deinem
großen Thier fort, das zertritt mit seinen brei-
ten Füßen uns alle miteinander." Er sah zur
Erde, da hatte sein Pferd in einen Ameisen-
haufen getreten; er lenkte es ab und der Amei-
senkönig rief ihm nach: "wir wollen daran ge-
denken und dirs vergelten." Darauf kam er
in einen Wald, da warfen die Raben ihre Jun-
gen aus den Nestern, sie wären groß genug,
sprachen sie, und könnten sich selber ernähren.
Die Jungen lagen auf der Erde und schrieen,
sie müßten Hungers sterben, ihre Flügel wären
noch zu klein, sie könnten noch nicht fliegen
und sich etwas suchen. Da stieg er vom Pferd
ab, nahm seinen Degen und stach es todt und
warfs den jungen Raben hin, die kamen bald
herbeigehüpft und fraßen sich satt und sag-
ten: "wir wollen daran gedenken und dirs ver-
gelten."

Er ging weiter und kam in eine große
Stadt, da ward bekannt gemacht, wer die Prin-

Kindermärchen. E

Am andern Morgen ritt er fort und kam
an einen Teich, da hatten ſich drei Fiſche im
Rohr gefangen, die klagten, daß ſie da ſterben
muͤßten, wenn ſie nicht bald wieder ins Waſ-
ſer kaͤmen. Er ſtieg ab, nahm ſie aus dem
Rohr und trug ſie ins Waſſer: die Fiſche rie-
fen: „wir wollen daran gedenken und dirs ver-
gelten.“ Er ritt weiter, bald darauf hoͤrte er,
wie ein Ameiſenkoͤnig rief: „geh mit deinem
großen Thier fort, das zertritt mit ſeinen brei-
ten Fuͤßen uns alle miteinander.“ Er ſah zur
Erde, da hatte ſein Pferd in einen Ameiſen-
haufen getreten; er lenkte es ab und der Amei-
ſenkoͤnig rief ihm nach: „wir wollen daran ge-
denken und dirs vergelten.“ Darauf kam er
in einen Wald, da warfen die Raben ihre Jun-
gen aus den Neſtern, ſie waͤren groß genug,
ſprachen ſie, und koͤnnten ſich ſelber ernaͤhren.
Die Jungen lagen auf der Erde und ſchrieen,
ſie muͤßten Hungers ſterben, ihre Fluͤgel waͤren
noch zu klein, ſie koͤnnten noch nicht fliegen
und ſich etwas ſuchen. Da ſtieg er vom Pferd
ab, nahm ſeinen Degen und ſtach es todt und
warfs den jungen Raben hin, die kamen bald
herbeigehuͤpft und fraßen ſich ſatt und ſag-
ten: „wir wollen daran gedenken und dirs ver-
gelten.“

Er ging weiter und kam in eine große
Stadt, da ward bekannt gemacht, wer die Prin-

Kindermärchen. E
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[65/0099] Am andern Morgen ritt er fort und kam an einen Teich, da hatten ſich drei Fiſche im Rohr gefangen, die klagten, daß ſie da ſterben muͤßten, wenn ſie nicht bald wieder ins Waſ- ſer kaͤmen. Er ſtieg ab, nahm ſie aus dem Rohr und trug ſie ins Waſſer: die Fiſche rie- fen: „wir wollen daran gedenken und dirs ver- gelten.“ Er ritt weiter, bald darauf hoͤrte er, wie ein Ameiſenkoͤnig rief: „geh mit deinem großen Thier fort, das zertritt mit ſeinen brei- ten Fuͤßen uns alle miteinander.“ Er ſah zur Erde, da hatte ſein Pferd in einen Ameiſen- haufen getreten; er lenkte es ab und der Amei- ſenkoͤnig rief ihm nach: „wir wollen daran ge- denken und dirs vergelten.“ Darauf kam er in einen Wald, da warfen die Raben ihre Jun- gen aus den Neſtern, ſie waͤren groß genug, ſprachen ſie, und koͤnnten ſich ſelber ernaͤhren. Die Jungen lagen auf der Erde und ſchrieen, ſie muͤßten Hungers ſterben, ihre Fluͤgel waͤren noch zu klein, ſie koͤnnten noch nicht fliegen und ſich etwas ſuchen. Da ſtieg er vom Pferd ab, nahm ſeinen Degen und ſtach es todt und warfs den jungen Raben hin, die kamen bald herbeigehuͤpft und fraßen ſich ſatt und ſag- ten: „wir wollen daran gedenken und dirs ver- gelten.“ Er ging weiter und kam in eine große Stadt, da ward bekannt gemacht, wer die Prin- Kindermärchen. E

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/99>, abgerufen am 21.11.2024.