Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

und auf ihre Richtigkeit eifrig war; sie änderte niemals bei einer Wiederholung etwas in der Sache ab, und besserte ein Versehen, sobald sie es bemerkte, mitten in der Rede gleich selber. Die Anhänglichkeit an das Ueberlieferte ist bei Menschen, die in gleicher Lebensart unabänderlich fortgefahren, stärker, als wir, zur Veränderung geneigt, begreifen. Eben darum hat es, so vielfach bewährt, eine gewisse eindringliche Nähe und innere Tüchtigkeit zu der anderes, das äußerlich viel glänzender erscheinen kann, nicht so leicht gelangt. Der epische Grund der Volksdichtung, gleicht dem durch die ganze Natur in mannigfachen Abstufungen verbreitete Grün, das sättigt und sänftigt, ohne je zu ermüden.

Wir erhielten außer den Märchen des zweiten Bandes auch reichliche Nachträge zu dem ersten und bessere Erzählungen vieler dort gelieferten, gleichfalls aus jener, oder andern ähnlichen Quellen. Hessen hat als ein bergichtes, von großen Heerstraßen abseits liegendes, und zumeist mit dem Ackerbau beschäftigtes Land den Vortheil, daß es alte Sitten und Ueberlieferungen besser aufbewahren kann. Ein gewisser Ernst, eine gesunde, tüchtige und tapfere Gesinnung, die von der Geschichte nicht wird unbeachtet

und auf ihre Richtigkeit eifrig war; sie aͤnderte niemals bei einer Wiederholung etwas in der Sache ab, und besserte ein Versehen, sobald sie es bemerkte, mitten in der Rede gleich selber. Die Anhaͤnglichkeit an das Ueberlieferte ist bei Menschen, die in gleicher Lebensart unabaͤnderlich fortgefahren, staͤrker, als wir, zur Veraͤnderung geneigt, begreifen. Eben darum hat es, so vielfach bewaͤhrt, eine gewisse eindringliche Naͤhe und innere Tuͤchtigkeit zu der anderes, das aͤußerlich viel glaͤnzender erscheinen kann, nicht so leicht gelangt. Der epische Grund der Volksdichtung, gleicht dem durch die ganze Natur in mannigfachen Abstufungen verbreitete Gruͤn, das saͤttigt und saͤnftigt, ohne je zu ermuͤden.

Wir erhielten außer den Maͤrchen des zweiten Bandes auch reichliche Nachtraͤge zu dem ersten und bessere Erzaͤhlungen vieler dort gelieferten, gleichfalls aus jener, oder andern aͤhnlichen Quellen. Hessen hat als ein bergichtes, von großen Heerstraßen abseits liegendes, und zumeist mit dem Ackerbau beschaͤftigtes Land den Vortheil, daß es alte Sitten und Ueberlieferungen besser aufbewahren kann. Ein gewisser Ernst, eine gesunde, tuͤchtige und tapfere Gesinnung, die von der Geschichte nicht wird unbeachtet

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0021" n="XIII"/>
und auf ihre Richtigkeit eifrig war; sie a&#x0364;nderte niemals bei einer Wiederholung etwas in der Sache ab, und besserte ein Versehen, sobald sie es bemerkte, mitten in der Rede gleich selber. Die Anha&#x0364;nglichkeit an das Ueberlieferte ist bei Menschen, die in gleicher Lebensart unaba&#x0364;nderlich fortgefahren, sta&#x0364;rker, als wir, zur Vera&#x0364;nderung geneigt, begreifen. Eben darum hat es, so vielfach bewa&#x0364;hrt, eine gewisse eindringliche Na&#x0364;he und innere Tu&#x0364;chtigkeit zu der anderes, das a&#x0364;ußerlich viel gla&#x0364;nzender erscheinen kann, nicht so leicht gelangt. Der epische Grund der Volksdichtung, gleicht dem durch die ganze Natur in mannigfachen Abstufungen verbreitete Gru&#x0364;n, das sa&#x0364;ttigt und sa&#x0364;nftigt, ohne je zu ermu&#x0364;den.</p><lb/>
        <p>Wir erhielten außer den Ma&#x0364;rchen des zweiten Bandes auch reichliche Nachtra&#x0364;ge zu dem ersten und bessere Erza&#x0364;hlungen vieler dort gelieferten, gleichfalls aus jener, oder andern a&#x0364;hnlichen Quellen. Hessen hat als ein bergichtes, von großen Heerstraßen abseits liegendes, und zumeist mit dem Ackerbau bescha&#x0364;ftigtes Land den Vortheil, daß es alte Sitten und Ueberlieferungen besser aufbewahren kann. Ein gewisser Ernst, eine gesunde, tu&#x0364;chtige und tapfere Gesinnung, die von der Geschichte nicht wird unbeachtet
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XIII/0021] und auf ihre Richtigkeit eifrig war; sie aͤnderte niemals bei einer Wiederholung etwas in der Sache ab, und besserte ein Versehen, sobald sie es bemerkte, mitten in der Rede gleich selber. Die Anhaͤnglichkeit an das Ueberlieferte ist bei Menschen, die in gleicher Lebensart unabaͤnderlich fortgefahren, staͤrker, als wir, zur Veraͤnderung geneigt, begreifen. Eben darum hat es, so vielfach bewaͤhrt, eine gewisse eindringliche Naͤhe und innere Tuͤchtigkeit zu der anderes, das aͤußerlich viel glaͤnzender erscheinen kann, nicht so leicht gelangt. Der epische Grund der Volksdichtung, gleicht dem durch die ganze Natur in mannigfachen Abstufungen verbreitete Gruͤn, das saͤttigt und saͤnftigt, ohne je zu ermuͤden. Wir erhielten außer den Maͤrchen des zweiten Bandes auch reichliche Nachtraͤge zu dem ersten und bessere Erzaͤhlungen vieler dort gelieferten, gleichfalls aus jener, oder andern aͤhnlichen Quellen. Hessen hat als ein bergichtes, von großen Heerstraßen abseits liegendes, und zumeist mit dem Ackerbau beschaͤftigtes Land den Vortheil, daß es alte Sitten und Ueberlieferungen besser aufbewahren kann. Ein gewisser Ernst, eine gesunde, tuͤchtige und tapfere Gesinnung, die von der Geschichte nicht wird unbeachtet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/21
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/21>, abgerufen am 02.05.2024.