Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.große Reichthümer besaß. Nun trug es sich zu, daß der König auch krank ward, da wurde nach ihm geschickt, er sollte sagen, ob er sterben müßte. Wie der Arzt nun zu dem Bette trat, sah er den Tod zu Häupten des Kranken stehen, und da war für ihn kein Kraut mehr gewachsen. Der Arzt aber dachte, vielleicht kannst du den Tod überlisten, weils dein Herr Pathe ist, wird er's so übel nicht nehmen, packte den König an und legte ihn verkehrt, so daß der Tod an seine Füße zu stehen kam; darauf gab er ihm das Kraut ein und der König erholte sich und ward wieder gesund. Der Tod aber kam zu dem Arzt, machte ein böses, finsteres Gesicht und sprach: "diesmal soll dirs hingehen, weil ich dein Pathe bin, aber unterstehst du dich noch einmal mich zu betrügen, so geht dir's selbst an den Hals." Bald darauf ward des Königs Tochter krank, und niemand konnte ihr helfen. Der alte König weinte Tag und Nacht, daß ihm die Augen erblindeten, endlich ließ er bekannt machen, wer sie vom Tod errette, der solle zum Lohn ihr Gemahl werden und die Krone erben. Nun kam der Arzt auch, aber der Tod stand zu Häupten, doch als er die Schönheit der Königstochter sah und an das Versprechen des Königs dachte, so vergaß er alle Warnungen, und ob ihn gleich der Tod ganz fürchterlich anschaute, so kehrte er doch die Kranke herum und gab ihr sein Kraut, so daß sich das Leben in ihr neu zu regen anfing. Der Tod aber, als er sich zum zweitenmal um sein Eigenthum betrogen sah, trat zu dem Arzt und sprach: "nun folge mir," packte ihn hart mit seiner eiskalten Hand und führte ihn große Reichthuͤmer besaß. Nun trug es sich zu, daß der Koͤnig auch krank ward, da wurde nach ihm geschickt, er sollte sagen, ob er sterben muͤßte. Wie der Arzt nun zu dem Bette trat, sah er den Tod zu Haͤupten des Kranken stehen, und da war fuͤr ihn kein Kraut mehr gewachsen. Der Arzt aber dachte, vielleicht kannst du den Tod uͤberlisten, weils dein Herr Pathe ist, wird er’s so uͤbel nicht nehmen, packte den Koͤnig an und legte ihn verkehrt, so daß der Tod an seine Fuͤße zu stehen kam; darauf gab er ihm das Kraut ein und der Koͤnig erholte sich und ward wieder gesund. Der Tod aber kam zu dem Arzt, machte ein boͤses, finsteres Gesicht und sprach: „diesmal soll dirs hingehen, weil ich dein Pathe bin, aber unterstehst du dich noch einmal mich zu betruͤgen, so geht dir’s selbst an den Hals.“ Bald darauf ward des Koͤnigs Tochter krank, und niemand konnte ihr helfen. Der alte Koͤnig weinte Tag und Nacht, daß ihm die Augen erblindeten, endlich ließ er bekannt machen, wer sie vom Tod errette, der solle zum Lohn ihr Gemahl werden und die Krone erben. Nun kam der Arzt auch, aber der Tod stand zu Haͤupten, doch als er die Schoͤnheit der Koͤnigstochter sah und an das Versprechen des Koͤnigs dachte, so vergaß er alle Warnungen, und ob ihn gleich der Tod ganz fuͤrchterlich anschaute, so kehrte er doch die Kranke herum und gab ihr sein Kraut, so daß sich das Leben in ihr neu zu regen anfing. Der Tod aber, als er sich zum zweitenmal um sein Eigenthum betrogen sah, trat zu dem Arzt und sprach: „nun folge mir,“ packte ihn hart mit seiner eiskalten Hand und fuͤhrte ihn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0281" n="217"/> große Reichthuͤmer besaß. Nun trug es sich zu, daß der Koͤnig auch krank ward, da wurde nach ihm geschickt, er sollte sagen, ob er sterben muͤßte. Wie der Arzt nun zu dem Bette trat, sah er den Tod zu <choice><sic>Haupten</sic><corr type="corrigenda">Haͤupten</corr></choice> des Kranken stehen, und da war fuͤr ihn kein Kraut mehr gewachsen. Der Arzt aber dachte, vielleicht kannst du den Tod uͤberlisten, weils dein Herr Pathe ist, wird er’s so uͤbel nicht nehmen, packte den Koͤnig an und legte ihn verkehrt, so daß der Tod an seine Fuͤße zu stehen kam; darauf gab er ihm das Kraut ein und der Koͤnig erholte sich und ward wieder gesund. Der Tod aber kam zu dem Arzt, machte ein boͤses, finsteres Gesicht und sprach: „diesmal soll dirs hingehen, weil ich dein Pathe bin, aber unterstehst du dich noch einmal mich zu betruͤgen, so geht dir’s selbst an den Hals.“ Bald darauf ward des Koͤnigs Tochter krank, und niemand konnte ihr helfen. Der alte Koͤnig weinte Tag und Nacht, daß ihm die Augen erblindeten, endlich ließ er bekannt machen, wer sie vom Tod errette, der solle zum Lohn ihr Gemahl werden und die Krone erben. Nun kam der Arzt auch, aber der Tod stand zu <choice><sic>Haupten</sic><corr type="corrigenda">Haͤupten</corr></choice>, doch als er die Schoͤnheit der Koͤnigstochter sah und an das Versprechen des Koͤnigs dachte, so vergaß er alle Warnungen, und ob ihn gleich der Tod ganz fuͤrchterlich anschaute, so kehrte er doch die Kranke herum und gab ihr sein Kraut, so daß sich das Leben in ihr neu zu regen anfing.</p><lb/> <p>Der Tod aber, als er sich zum zweitenmal um sein Eigenthum betrogen sah, trat zu dem Arzt und sprach: „nun folge mir,“ packte ihn hart mit seiner eiskalten Hand und fuͤhrte ihn </p> </div> </body> </text> </TEI> [217/0281]
große Reichthuͤmer besaß. Nun trug es sich zu, daß der Koͤnig auch krank ward, da wurde nach ihm geschickt, er sollte sagen, ob er sterben muͤßte. Wie der Arzt nun zu dem Bette trat, sah er den Tod zu Haͤupten des Kranken stehen, und da war fuͤr ihn kein Kraut mehr gewachsen. Der Arzt aber dachte, vielleicht kannst du den Tod uͤberlisten, weils dein Herr Pathe ist, wird er’s so uͤbel nicht nehmen, packte den Koͤnig an und legte ihn verkehrt, so daß der Tod an seine Fuͤße zu stehen kam; darauf gab er ihm das Kraut ein und der Koͤnig erholte sich und ward wieder gesund. Der Tod aber kam zu dem Arzt, machte ein boͤses, finsteres Gesicht und sprach: „diesmal soll dirs hingehen, weil ich dein Pathe bin, aber unterstehst du dich noch einmal mich zu betruͤgen, so geht dir’s selbst an den Hals.“ Bald darauf ward des Koͤnigs Tochter krank, und niemand konnte ihr helfen. Der alte Koͤnig weinte Tag und Nacht, daß ihm die Augen erblindeten, endlich ließ er bekannt machen, wer sie vom Tod errette, der solle zum Lohn ihr Gemahl werden und die Krone erben. Nun kam der Arzt auch, aber der Tod stand zu Haͤupten, doch als er die Schoͤnheit der Koͤnigstochter sah und an das Versprechen des Koͤnigs dachte, so vergaß er alle Warnungen, und ob ihn gleich der Tod ganz fuͤrchterlich anschaute, so kehrte er doch die Kranke herum und gab ihr sein Kraut, so daß sich das Leben in ihr neu zu regen anfing.
Der Tod aber, als er sich zum zweitenmal um sein Eigenthum betrogen sah, trat zu dem Arzt und sprach: „nun folge mir,“ packte ihn hart mit seiner eiskalten Hand und fuͤhrte ihn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |