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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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Strumpfbänder, endlich alles, was es entbehren konnte, so daß es nichts mehr, als sein Hemdlein behielt. Die Jäger waren aber damit nicht zufrieden, stiegen auf den Baum, hoben das Mädchen herab und brachten es vor den König. Der König fragte es auch: "wer bist du? und wie bist du dahin gekommen?" und fragte es in allen Sprachen die er wußte. Aber es antwortete nicht und blieb stumm wie ein Fisch; doch weil es so schön war, daß er meinte niemals jemand schöneres gesehen zu haben, ward sein Herz gerührt von großer Liebe. Er wickelte es in seinen Mantel, nahm es vor sich aufs Pferd und brachte es in sein Schloß. Da ließ er ihm reiche Kleider anthun, daß es strahlte, wie der helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm zu bringen. Doch setzte er es bei Tisch an seine Seite und ward von seinen Mienen und seiner Sittsamkeit so bewegt, daß er sprach: "diese begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt," und vermählte sich nach einigen Tagen mit ihr.

Nun hatte der König eine böse Mutter, die war unzufrieden mit dieser Heirath, sprach schlecht von der Königin und sagte: "wer weiß, wo die stumme Dirne her ist, die ist eines Königs nicht würdig." Ueber ein Jahr, als die Königin das erste Kind zur Welt brachte, nahm es die Alte weg und bestrich ihr den Mund mit Blut. Dann ging sie zum König und klagte sie als eine Menschenfresserin an. Der König aber aus großer Liebe wollte es nicht glauben und litt nicht, daß ihr ein Leid angethan wurde. Sie aber saß beständig und nähte an den Hemden und achtete auf nichts anderes. Das nächstemal, als die Königin wieder

Strumpfbaͤnder, endlich alles, was es entbehren konnte, so daß es nichts mehr, als sein Hemdlein behielt. Die Jaͤger waren aber damit nicht zufrieden, stiegen auf den Baum, hoben das Maͤdchen herab und brachten es vor den Koͤnig. Der Koͤnig fragte es auch: „wer bist du? und wie bist du dahin gekommen?“ und fragte es in allen Sprachen die er wußte. Aber es antwortete nicht und blieb stumm wie ein Fisch; doch weil es so schoͤn war, daß er meinte niemals jemand schoͤneres gesehen zu haben, ward sein Herz geruͤhrt von großer Liebe. Er wickelte es in seinen Mantel, nahm es vor sich aufs Pferd und brachte es in sein Schloß. Da ließ er ihm reiche Kleider anthun, daß es strahlte, wie der helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm zu bringen. Doch setzte er es bei Tisch an seine Seite und ward von seinen Mienen und seiner Sittsamkeit so bewegt, daß er sprach: „diese begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt,“ und vermaͤhlte sich nach einigen Tagen mit ihr.

Nun hatte der Koͤnig eine boͤse Mutter, die war unzufrieden mit dieser Heirath, sprach schlecht von der Koͤnigin und sagte: „wer weiß, wo die stumme Dirne her ist, die ist eines Koͤnigs nicht wuͤrdig.“ Ueber ein Jahr, als die Koͤnigin das erste Kind zur Welt brachte, nahm es die Alte weg und bestrich ihr den Mund mit Blut. Dann ging sie zum Koͤnig und klagte sie als eine Menschenfresserin an. Der Koͤnig aber aus großer Liebe wollte es nicht glauben und litt nicht, daß ihr ein Leid angethan wurde. Sie aber saß bestaͤndig und naͤhte an den Hemden und achtete auf nichts anderes. Das naͤchstemal, als die Koͤnigin wieder

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[247/0311] Strumpfbaͤnder, endlich alles, was es entbehren konnte, so daß es nichts mehr, als sein Hemdlein behielt. Die Jaͤger waren aber damit nicht zufrieden, stiegen auf den Baum, hoben das Maͤdchen herab und brachten es vor den Koͤnig. Der Koͤnig fragte es auch: „wer bist du? und wie bist du dahin gekommen?“ und fragte es in allen Sprachen die er wußte. Aber es antwortete nicht und blieb stumm wie ein Fisch; doch weil es so schoͤn war, daß er meinte niemals jemand schoͤneres gesehen zu haben, ward sein Herz geruͤhrt von großer Liebe. Er wickelte es in seinen Mantel, nahm es vor sich aufs Pferd und brachte es in sein Schloß. Da ließ er ihm reiche Kleider anthun, daß es strahlte, wie der helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm zu bringen. Doch setzte er es bei Tisch an seine Seite und ward von seinen Mienen und seiner Sittsamkeit so bewegt, daß er sprach: „diese begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt,“ und vermaͤhlte sich nach einigen Tagen mit ihr. Nun hatte der Koͤnig eine boͤse Mutter, die war unzufrieden mit dieser Heirath, sprach schlecht von der Koͤnigin und sagte: „wer weiß, wo die stumme Dirne her ist, die ist eines Koͤnigs nicht wuͤrdig.“ Ueber ein Jahr, als die Koͤnigin das erste Kind zur Welt brachte, nahm es die Alte weg und bestrich ihr den Mund mit Blut. Dann ging sie zum Koͤnig und klagte sie als eine Menschenfresserin an. Der Koͤnig aber aus großer Liebe wollte es nicht glauben und litt nicht, daß ihr ein Leid angethan wurde. Sie aber saß bestaͤndig und naͤhte an den Hemden und achtete auf nichts anderes. Das naͤchstemal, als die Koͤnigin wieder

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/311>, abgerufen am 23.11.2024.