Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

sie sich das Gesicht und verkleidete sich in eine Bauersfrau und so ging sie über die sieben Berge zu dem Zwergenhaus und klopfte an. Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus und sprach: "ich darf keinen Menschen einlassen, die Zwerge haben mir's verboten." "Nun wenn du nicht willst, antwortete die Bäurin, so ists auch gut; meine Aepfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir schenken." "Nein, sprach Sneewittchen, ich darf nichts annehmen." "Ei, du fürchtest dich wohl vor Gift; da, den rothen Backen beiß du ab, ich will den weißen essen," sprach die Alte. Der Apfel war aber so künstlich gemacht, daß der rothe Backen nur vergiftet war. Sneewittchen lusterte den schönen Apfel an und als es sah, daß die Bäurin davon aß, so konnte es nicht länger widerstehen, streckte die Hand hinaus und ließ ihn sich geben. Kaum aber hatte es einen Bissen davon im Mund, so fiel es todt zur Erde nieder. Da sprach die Königin: "diesmal wird dich niemand erwecken," ging heim und fragte den Spiegel:

"Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die schönste im ganzen Land?"

Da antwortete der Spiegel endlich:

"Jhr, Frau Königin, seyd die schönste im Land."

und ihr neidisches Herz hatte Ruhe, so gut es Ruhe haben konnte.

Die Zwerglein, wie sie Abends nach Haus kamen, fanden sie das Sneewittchen auf der Erde liegen, und regte sich kein Athem mehr und es war todt. Sie hoben es auf, suchten ob sie was giftiges fänden, schnürten es auf, kämmten ihm die Haare, wuschen

sie sich das Gesicht und verkleidete sich in eine Bauersfrau und so ging sie uͤber die sieben Berge zu dem Zwergenhaus und klopfte an. Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus und sprach: „ich darf keinen Menschen einlassen, die Zwerge haben mir’s verboten.“ „Nun wenn du nicht willst, antwortete die Baͤurin, so ists auch gut; meine Aepfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir schenken.“ „Nein, sprach Sneewittchen, ich darf nichts annehmen.“ „Ei, du fuͤrchtest dich wohl vor Gift; da, den rothen Backen beiß du ab, ich will den weißen essen,“ sprach die Alte. Der Apfel war aber so kuͤnstlich gemacht, daß der rothe Backen nur vergiftet war. Sneewittchen lusterte den schoͤnen Apfel an und als es sah, daß die Baͤurin davon aß, so konnte es nicht laͤnger widerstehen, streckte die Hand hinaus und ließ ihn sich geben. Kaum aber hatte es einen Bissen davon im Mund, so fiel es todt zur Erde nieder. Da sprach die Koͤnigin: „diesmal wird dich niemand erwecken,“ ging heim und fragte den Spiegel:

„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die schoͤnste im ganzen Land?“

Da antwortete der Spiegel endlich:

„Jhr, Frau Koͤnigin, seyd die schoͤnste im Land.“

und ihr neidisches Herz hatte Ruhe, so gut es Ruhe haben konnte.

Die Zwerglein, wie sie Abends nach Haus kamen, fanden sie das Sneewittchen auf der Erde liegen, und regte sich kein Athem mehr und es war todt. Sie hoben es auf, suchten ob sie was giftiges faͤnden, schnuͤrten es auf, kaͤmmten ihm die Haare, wuschen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0335" n="271"/>
sie sich das Gesicht und verkleidete sich in eine Bauersfrau und so ging sie u&#x0364;ber die sieben Berge zu dem Zwergenhaus und klopfte an. Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus und sprach: &#x201E;ich darf keinen Menschen einlassen, die Zwerge haben mir&#x2019;s verboten.&#x201C; &#x201E;Nun wenn du nicht willst, antwortete die Ba&#x0364;urin, so ists auch gut; meine Aepfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir schenken.&#x201C; &#x201E;Nein, sprach Sneewittchen, ich darf nichts annehmen.&#x201C; &#x201E;Ei, du fu&#x0364;rchtest dich wohl vor Gift; da, den rothen Backen beiß du ab, ich will den weißen essen,&#x201C; sprach die Alte. Der Apfel war aber so ku&#x0364;nstlich gemacht, daß der rothe Backen nur vergiftet war. Sneewittchen lusterte den scho&#x0364;nen Apfel an und als es sah, daß die Ba&#x0364;urin davon aß, so konnte es nicht la&#x0364;nger widerstehen, streckte die Hand hinaus und ließ ihn sich geben. Kaum aber hatte es einen Bissen davon im Mund, so fiel es todt zur Erde nieder. Da sprach die Ko&#x0364;nigin: &#x201E;diesmal wird dich niemand erwecken,&#x201C; ging heim und fragte den Spiegel:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Spieglein, Spieglein an der Wand,</l><lb/>
          <l>wer ist die scho&#x0364;nste im ganzen Land?&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Da antwortete der Spiegel endlich:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Jhr, Frau Ko&#x0364;nigin, seyd die scho&#x0364;nste im Land.&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>und ihr neidisches Herz hatte Ruhe, so gut es Ruhe haben konnte.</p><lb/>
        <p>Die Zwerglein, wie sie Abends nach Haus kamen, fanden sie das Sneewittchen auf der Erde liegen, und regte sich kein Athem mehr und es war todt. Sie hoben es auf, suchten ob sie was giftiges fa&#x0364;nden, schnu&#x0364;rten es auf, ka&#x0364;mmten ihm die Haare, wuschen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0335] sie sich das Gesicht und verkleidete sich in eine Bauersfrau und so ging sie uͤber die sieben Berge zu dem Zwergenhaus und klopfte an. Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus und sprach: „ich darf keinen Menschen einlassen, die Zwerge haben mir’s verboten.“ „Nun wenn du nicht willst, antwortete die Baͤurin, so ists auch gut; meine Aepfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir schenken.“ „Nein, sprach Sneewittchen, ich darf nichts annehmen.“ „Ei, du fuͤrchtest dich wohl vor Gift; da, den rothen Backen beiß du ab, ich will den weißen essen,“ sprach die Alte. Der Apfel war aber so kuͤnstlich gemacht, daß der rothe Backen nur vergiftet war. Sneewittchen lusterte den schoͤnen Apfel an und als es sah, daß die Baͤurin davon aß, so konnte es nicht laͤnger widerstehen, streckte die Hand hinaus und ließ ihn sich geben. Kaum aber hatte es einen Bissen davon im Mund, so fiel es todt zur Erde nieder. Da sprach die Koͤnigin: „diesmal wird dich niemand erwecken,“ ging heim und fragte den Spiegel: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schoͤnste im ganzen Land?“ Da antwortete der Spiegel endlich: „Jhr, Frau Koͤnigin, seyd die schoͤnste im Land.“ und ihr neidisches Herz hatte Ruhe, so gut es Ruhe haben konnte. Die Zwerglein, wie sie Abends nach Haus kamen, fanden sie das Sneewittchen auf der Erde liegen, und regte sich kein Athem mehr und es war todt. Sie hoben es auf, suchten ob sie was giftiges faͤnden, schnuͤrten es auf, kaͤmmten ihm die Haare, wuschen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/335
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/335>, abgerufen am 27.07.2024.