Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.fand, wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr und die schöne Müllerstochter ward eine Königin. Ueber ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an das Männchen, da trat es in ihre Kammer und forderte was ihm versprochen war. Die Königin erschrak und bot dem Männchen alle Reichthümer des Königreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Männchen sprach: "nein, etwas Lebendes ist mir lieber, als alle Schätze der Welt." Da fing die Königin so an zu jammern und zu weinen, daß es das Männchen doch dauerte und es sprach: "drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten." Nun dachte die Königin die ganze Nacht über an alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten aus über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Männchen kam, fing sie mit Caspar, Melchior und Balzer an und sagte alle die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein: "so heiß ich nicht." Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten und legte dem Männlein alle die ungewöhnlichsten und seltsamsten vor, als: Rippenbiest, Hammelswade, Schnürbein, aber es blieb dabei: "so heiß ich nicht." Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück und erzählte: "neue Namen habe ich keinen einzigen finden können, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus und vor dem Haus brannte ein Feuer und um fand, wie er gewuͤnscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr und die schoͤne Muͤllerstochter ward eine Koͤnigin. Ueber ein Jahr brachte sie ein schoͤnes Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an das Maͤnnchen, da trat es in ihre Kammer und forderte was ihm versprochen war. Die Koͤnigin erschrak und bot dem Maͤnnchen alle Reichthuͤmer des Koͤnigreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Maͤnnchen sprach: „nein, etwas Lebendes ist mir lieber, als alle Schaͤtze der Welt.“ Da fing die Koͤnigin so an zu jammern und zu weinen, daß es das Maͤnnchen doch dauerte und es sprach: „drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.“ Nun dachte die Koͤnigin die ganze Nacht uͤber an alle Namen, die sie jemals gehoͤrt hatte, und schickte einen Boten aus uͤber Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Maͤnnchen kam, fing sie mit Caspar, Melchior und Balzer an und sagte alle die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Maͤnnlein: „so heiß ich nicht.“ Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten und legte dem Maͤnnlein alle die ungewoͤhnlichsten und seltsamsten vor, als: Rippenbiest, Hammelswade, Schnuͤrbein, aber es blieb dabei: „so heiß ich nicht.“ Den dritten Tag kam der Bote wieder zuruͤck und erzaͤhlte: „neue Namen habe ich keinen einzigen finden koͤnnen, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus und vor dem Haus brannte ein Feuer und um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0346" n="282"/> fand, wie er gewuͤnscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr und die schoͤne Muͤllerstochter ward eine Koͤnigin.</p><lb/> <p>Ueber ein Jahr brachte sie ein schoͤnes Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an das Maͤnnchen, da trat es in ihre Kammer und forderte was ihm versprochen war. Die Koͤnigin erschrak und bot dem Maͤnnchen alle Reichthuͤmer des Koͤnigreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Maͤnnchen sprach: „nein, etwas Lebendes ist mir lieber, als alle Schaͤtze der Welt.“ Da fing die Koͤnigin so an zu jammern und zu weinen, daß es das Maͤnnchen doch dauerte und es sprach: „drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.“</p><lb/> <p>Nun dachte die Koͤnigin die ganze Nacht uͤber an alle Namen, die sie jemals gehoͤrt hatte, und schickte einen Boten aus uͤber Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Maͤnnchen kam, fing sie mit Caspar, Melchior und Balzer an und sagte alle die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Maͤnnlein: „so heiß ich nicht.“ Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten und legte dem Maͤnnlein alle die ungewoͤhnlichsten und seltsamsten vor, als: Rippenbiest, Hammelswade, Schnuͤrbein, aber es blieb dabei: „so heiß ich nicht.“ Den dritten Tag kam der Bote wieder zuruͤck und erzaͤhlte: „neue Namen habe ich keinen einzigen finden koͤnnen, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus und vor dem Haus brannte ein Feuer und um </p> </div> </body> </text> </TEI> [282/0346]
fand, wie er gewuͤnscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr und die schoͤne Muͤllerstochter ward eine Koͤnigin.
Ueber ein Jahr brachte sie ein schoͤnes Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an das Maͤnnchen, da trat es in ihre Kammer und forderte was ihm versprochen war. Die Koͤnigin erschrak und bot dem Maͤnnchen alle Reichthuͤmer des Koͤnigreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Maͤnnchen sprach: „nein, etwas Lebendes ist mir lieber, als alle Schaͤtze der Welt.“ Da fing die Koͤnigin so an zu jammern und zu weinen, daß es das Maͤnnchen doch dauerte und es sprach: „drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.“
Nun dachte die Koͤnigin die ganze Nacht uͤber an alle Namen, die sie jemals gehoͤrt hatte, und schickte einen Boten aus uͤber Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen. Als am andern Tag das Maͤnnchen kam, fing sie mit Caspar, Melchior und Balzer an und sagte alle die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Maͤnnlein: „so heiß ich nicht.“ Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten und legte dem Maͤnnlein alle die ungewoͤhnlichsten und seltsamsten vor, als: Rippenbiest, Hammelswade, Schnuͤrbein, aber es blieb dabei: „so heiß ich nicht.“ Den dritten Tag kam der Bote wieder zuruͤck und erzaͤhlte: „neue Namen habe ich keinen einzigen finden koͤnnen, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus und vor dem Haus brannte ein Feuer und um
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |