Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.Es trug sich aber zu, daß ein Schäfer in dem Feld hütete und die Blume fand und weil sie gar zu schön war, nahm er sie mit sich heim und legte sie in seinen Kasten und sprach: "so schön habe ich noch keine Blume gefunden." Aber von der Zeit ging es wunderlich in des Schäfers Hause zu: wenn er Morgens aufstand, so war schon alle Arbeit gethan, die Stube gekehrt und geputzt, Feuer angemacht, Wasser getragen und Mittags, wenn er kam, war der Tisch gedeckt und gutes Essen aufgetragen. Er konnte nicht begreifen, wie das zuging, denn er sah niemals einen Menschen in seinem Haus; und ob es ihm gleich wohl gefiel, so ward ihm doch zuletzt angst, so daß er zu einer weisen Frau ging und sie um Rath fragte. Da sprach die weise Frau: "es ist Zauberei dabei, gieb einmal Morgens früh acht, ob sich etwas in der Stube bewegt und wann du etwas siehst, so wirf eilig ein weißes Tuch darüber, dann wird der Zauber gehemmt." Der Schäfer that wie sie gesagt hatte und am andern Morgen sah er, daß sich der Kasten aufthat und die Blume herauskam, da sprang er schnell herbei und warf ein weißes Tuch darüber. Alsbald war die Verwandelung vorbei und ein schönes Mädchen stand vor ihm, und das wars, was ihm bisher seinen Haushalt besorgt hatte. Und weil es so schön war, fragte er, ob es ihn heirathen wolle, aber es antwortete nein, denn es wollte seinem Liebsten Roland treu bleiben, doch versprach es bei ihm zu bleiben und ihm Haus zu halten. Nun kam die Zeit heran, daß Roland Hochzeit halten sollte, da ward nach altem Brauch im Lande bekannt gemacht, es sollten Es trug sich aber zu, daß ein Schaͤfer in dem Feld huͤtete und die Blume fand und weil sie gar zu schoͤn war, nahm er sie mit sich heim und legte sie in seinen Kasten und sprach: „so schoͤn habe ich noch keine Blume gefunden.“ Aber von der Zeit ging es wunderlich in des Schaͤfers Hause zu: wenn er Morgens aufstand, so war schon alle Arbeit gethan, die Stube gekehrt und geputzt, Feuer angemacht, Wasser getragen und Mittags, wenn er kam, war der Tisch gedeckt und gutes Essen aufgetragen. Er konnte nicht begreifen, wie das zuging, denn er sah niemals einen Menschen in seinem Haus; und ob es ihm gleich wohl gefiel, so ward ihm doch zuletzt angst, so daß er zu einer weisen Frau ging und sie um Rath fragte. Da sprach die weise Frau: „es ist Zauberei dabei, gieb einmal Morgens fruͤh acht, ob sich etwas in der Stube bewegt und wann du etwas siehst, so wirf eilig ein weißes Tuch daruͤber, dann wird der Zauber gehemmt.“ Der Schaͤfer that wie sie gesagt hatte und am andern Morgen sah er, daß sich der Kasten aufthat und die Blume herauskam, da sprang er schnell herbei und warf ein weißes Tuch daruͤber. Alsbald war die Verwandelung vorbei und ein schoͤnes Maͤdchen stand vor ihm, und das wars, was ihm bisher seinen Haushalt besorgt hatte. Und weil es so schoͤn war, fragte er, ob es ihn heirathen wolle, aber es antwortete nein, denn es wollte seinem Liebsten Roland treu bleiben, doch versprach es bei ihm zu bleiben und ihm Haus zu halten. Nun kam die Zeit heran, daß Roland Hochzeit halten sollte, da ward nach altem Brauch im Lande bekannt gemacht, es sollten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0351" n="287"/> <p> Es trug sich aber zu, daß ein Schaͤfer in dem Feld huͤtete und die Blume fand und weil sie gar zu schoͤn war, nahm er sie mit sich heim und legte sie in seinen Kasten und sprach: „so schoͤn habe ich noch keine Blume gefunden.“ Aber von der Zeit ging es wunderlich in des Schaͤfers Hause zu: wenn er Morgens aufstand, so war schon alle Arbeit gethan, die Stube gekehrt und geputzt, Feuer angemacht, Wasser getragen und Mittags, wenn er kam, war der Tisch gedeckt und gutes Essen aufgetragen. Er konnte nicht begreifen, wie das zuging, denn er sah niemals einen Menschen in seinem Haus; und ob es ihm gleich wohl gefiel, so ward ihm doch zuletzt angst, so daß er zu einer weisen Frau ging und sie um Rath fragte. Da sprach die weise Frau: „es ist Zauberei dabei, gieb einmal Morgens fruͤh acht, ob sich etwas in der Stube bewegt und wann du etwas siehst, so wirf eilig ein weißes Tuch daruͤber, dann wird der Zauber gehemmt.“ Der Schaͤfer that wie sie gesagt hatte und am andern Morgen sah er, daß sich der Kasten aufthat und die Blume herauskam, da sprang er schnell herbei und warf ein weißes Tuch daruͤber. Alsbald war die Verwandelung vorbei und ein schoͤnes Maͤdchen stand vor ihm, und das wars, was ihm bisher seinen Haushalt besorgt hatte. Und weil es so schoͤn war, fragte er, ob es ihn heirathen wolle, aber es antwortete nein, denn es wollte seinem Liebsten Roland treu bleiben, doch versprach es bei ihm zu bleiben und ihm Haus zu halten.</p><lb/> <p>Nun kam die Zeit heran, daß Roland Hochzeit halten sollte, da ward nach altem Brauch im Lande bekannt gemacht, es sollten </p> </div> </body> </text> </TEI> [287/0351]
Es trug sich aber zu, daß ein Schaͤfer in dem Feld huͤtete und die Blume fand und weil sie gar zu schoͤn war, nahm er sie mit sich heim und legte sie in seinen Kasten und sprach: „so schoͤn habe ich noch keine Blume gefunden.“ Aber von der Zeit ging es wunderlich in des Schaͤfers Hause zu: wenn er Morgens aufstand, so war schon alle Arbeit gethan, die Stube gekehrt und geputzt, Feuer angemacht, Wasser getragen und Mittags, wenn er kam, war der Tisch gedeckt und gutes Essen aufgetragen. Er konnte nicht begreifen, wie das zuging, denn er sah niemals einen Menschen in seinem Haus; und ob es ihm gleich wohl gefiel, so ward ihm doch zuletzt angst, so daß er zu einer weisen Frau ging und sie um Rath fragte. Da sprach die weise Frau: „es ist Zauberei dabei, gieb einmal Morgens fruͤh acht, ob sich etwas in der Stube bewegt und wann du etwas siehst, so wirf eilig ein weißes Tuch daruͤber, dann wird der Zauber gehemmt.“ Der Schaͤfer that wie sie gesagt hatte und am andern Morgen sah er, daß sich der Kasten aufthat und die Blume herauskam, da sprang er schnell herbei und warf ein weißes Tuch daruͤber. Alsbald war die Verwandelung vorbei und ein schoͤnes Maͤdchen stand vor ihm, und das wars, was ihm bisher seinen Haushalt besorgt hatte. Und weil es so schoͤn war, fragte er, ob es ihn heirathen wolle, aber es antwortete nein, denn es wollte seinem Liebsten Roland treu bleiben, doch versprach es bei ihm zu bleiben und ihm Haus zu halten.
Nun kam die Zeit heran, daß Roland Hochzeit halten sollte, da ward nach altem Brauch im Lande bekannt gemacht, es sollten
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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