Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

Wald. Da kam der Fuchs und sprach: "schieß mich doch todt und hau mir Kopf und Pfoten ab." Allein der Jüngling wollte durchaus nicht. Sprach der Fuchs: "so will ich dir wenigstens einen guten Rath geben: vor zwei Stücken hüte dich, kauf kein Galgenfleisch und setz dich an keinen Brunnenrand!" -- "Wenns weiter nichts ist, dachte jener, das ist nicht schwer."

Nun zog er weiter fort mit der Jungfrau, bis er endlich in das Dorf kam, worin seine Brüder geblieben. Da war gerade ein großer Auflauf und Lärmen, und als er fragte: was da vorwäre? hieß es: "es sollten zwei Leute aufgehängt werden," und als er näher hinzu kam, sah er, daß es seine zwei Brüder waren, die allerhand schlimme Streiche verübt und alles verthan hatten. Sprach er: "können sie denn gar nicht mehr vom Tode frei werden?" -- "Nein, antworteten die Leute, es sey denn, daß ihr euer Geld an die Lumpenkerls hängen und sie loskaufen wolltet." Er besann sich nicht lange und zahlte, was man verlangte; da wurden seine Brüder freigegeben und setzten mit ihm die Reise fort.

Und als sie in den Wald kamen, wo ihnen der Fuchs zuerst begegnet war, da wars so lustig und lieblich darin. Sprachen die zwei Brüder: "laß uns hier bei diesem Brunnen ein wenig ausruhen, essen und trinken!" und er sagte: "ja." Unter dem Gespräch vergaß er sich und setzte sich an den Brunnenrand, und während er sich nichts Arges versah, warfen sie ihn hinterrücks in den Brunnen, nahmen die Jungfrau, das Pferd und den Vogel, zogen heim zum König und sprachen: "das haben wir alles erbeutet und bringen es dir." Da war eine Freude; aber das

Wald. Da kam der Fuchs und sprach: „schieß mich doch todt und hau mir Kopf und Pfoten ab.“ Allein der Juͤngling wollte durchaus nicht. Sprach der Fuchs: „so will ich dir wenigstens einen guten Rath geben: vor zwei Stuͤcken huͤte dich, kauf kein Galgenfleisch und setz dich an keinen Brunnenrand!“ — „Wenns weiter nichts ist, dachte jener, das ist nicht schwer.“

Nun zog er weiter fort mit der Jungfrau, bis er endlich in das Dorf kam, worin seine Bruͤder geblieben. Da war gerade ein großer Auflauf und Laͤrmen, und als er fragte: was da vorwaͤre? hieß es: „es sollten zwei Leute aufgehaͤngt werden,“ und als er naͤher hinzu kam, sah er, daß es seine zwei Bruͤder waren, die allerhand schlimme Streiche veruͤbt und alles verthan hatten. Sprach er: „koͤnnen sie denn gar nicht mehr vom Tode frei werden?“ — „Nein, antworteten die Leute, es sey denn, daß ihr euer Geld an die Lumpenkerls haͤngen und sie loskaufen wolltet.“ Er besann sich nicht lange und zahlte, was man verlangte; da wurden seine Bruͤder freigegeben und setzten mit ihm die Reise fort.

Und als sie in den Wald kamen, wo ihnen der Fuchs zuerst begegnet war, da wars so lustig und lieblich darin. Sprachen die zwei Bruͤder: „laß uns hier bei diesem Brunnen ein wenig ausruhen, essen und trinken!“ und er sagte: „ja.“ Unter dem Gespraͤch vergaß er sich und setzte sich an den Brunnenrand, und waͤhrend er sich nichts Arges versah, warfen sie ihn hinterruͤcks in den Brunnen, nahmen die Jungfrau, das Pferd und den Vogel, zogen heim zum Koͤnig und sprachen: „das haben wir alles erbeutet und bringen es dir.“ Da war eine Freude; aber das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0359" n="295"/>
Wald. Da kam der Fuchs und sprach: &#x201E;schieß mich doch todt und hau mir Kopf und Pfoten ab.&#x201C; Allein der Ju&#x0364;ngling wollte durchaus nicht. Sprach der Fuchs: &#x201E;so will ich dir wenigstens einen guten Rath geben: vor zwei Stu&#x0364;cken hu&#x0364;te dich, kauf kein Galgenfleisch und setz dich an keinen Brunnenrand!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Wenns weiter nichts ist, dachte jener, das ist nicht schwer.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nun zog er weiter fort mit der Jungfrau, bis er endlich in das Dorf kam, worin seine Bru&#x0364;der geblieben. Da war gerade ein großer Auflauf und La&#x0364;rmen, und als er fragte: was da vorwa&#x0364;re? hieß es: &#x201E;es sollten zwei Leute aufgeha&#x0364;ngt werden,&#x201C; und als er na&#x0364;her hinzu kam, sah er, daß es seine zwei Bru&#x0364;der waren, die allerhand schlimme Streiche veru&#x0364;bt und alles verthan hatten. Sprach er: &#x201E;ko&#x0364;nnen sie denn gar nicht mehr vom Tode frei werden?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Nein, antworteten die Leute, es sey denn, daß ihr euer Geld an die Lumpenkerls ha&#x0364;ngen und sie loskaufen wolltet.&#x201C; Er besann sich nicht lange und zahlte, was man verlangte; da wurden seine Bru&#x0364;der freigegeben und setzten mit ihm die Reise fort.</p><lb/>
        <p>Und als sie in den Wald kamen, wo ihnen der Fuchs zuerst begegnet war, da wars so lustig und lieblich darin. Sprachen die zwei Bru&#x0364;der: &#x201E;laß uns hier bei diesem Brunnen ein wenig ausruhen, essen und trinken!&#x201C; und er sagte: &#x201E;ja.&#x201C; Unter dem Gespra&#x0364;ch vergaß er sich und setzte sich an den Brunnenrand, und wa&#x0364;hrend er sich nichts Arges versah, warfen sie ihn hinterru&#x0364;cks in den Brunnen, nahmen die Jungfrau, das Pferd und den Vogel, zogen heim zum Ko&#x0364;nig und sprachen: &#x201E;das haben wir alles erbeutet und bringen es dir.&#x201C; Da war eine Freude; aber das
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0359] Wald. Da kam der Fuchs und sprach: „schieß mich doch todt und hau mir Kopf und Pfoten ab.“ Allein der Juͤngling wollte durchaus nicht. Sprach der Fuchs: „so will ich dir wenigstens einen guten Rath geben: vor zwei Stuͤcken huͤte dich, kauf kein Galgenfleisch und setz dich an keinen Brunnenrand!“ — „Wenns weiter nichts ist, dachte jener, das ist nicht schwer.“ Nun zog er weiter fort mit der Jungfrau, bis er endlich in das Dorf kam, worin seine Bruͤder geblieben. Da war gerade ein großer Auflauf und Laͤrmen, und als er fragte: was da vorwaͤre? hieß es: „es sollten zwei Leute aufgehaͤngt werden,“ und als er naͤher hinzu kam, sah er, daß es seine zwei Bruͤder waren, die allerhand schlimme Streiche veruͤbt und alles verthan hatten. Sprach er: „koͤnnen sie denn gar nicht mehr vom Tode frei werden?“ — „Nein, antworteten die Leute, es sey denn, daß ihr euer Geld an die Lumpenkerls haͤngen und sie loskaufen wolltet.“ Er besann sich nicht lange und zahlte, was man verlangte; da wurden seine Bruͤder freigegeben und setzten mit ihm die Reise fort. Und als sie in den Wald kamen, wo ihnen der Fuchs zuerst begegnet war, da wars so lustig und lieblich darin. Sprachen die zwei Bruͤder: „laß uns hier bei diesem Brunnen ein wenig ausruhen, essen und trinken!“ und er sagte: „ja.“ Unter dem Gespraͤch vergaß er sich und setzte sich an den Brunnenrand, und waͤhrend er sich nichts Arges versah, warfen sie ihn hinterruͤcks in den Brunnen, nahmen die Jungfrau, das Pferd und den Vogel, zogen heim zum Koͤnig und sprachen: „das haben wir alles erbeutet und bringen es dir.“ Da war eine Freude; aber das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/359
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/359>, abgerufen am 22.11.2024.