Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.Mit dieser Ansicht von einer allbelebten Natur hängt auch das Uebergehen in eine andere Gestalt zusammen, und die hier verwandelten Steine, Bäume, Pflanzen, sind eigentlich geistig belebte. So schwört auch in der Edda dem Baldur die ganze Natur, nicht bloß Vögel und Thiere, sondern auch Feuer, Wasser, Eisen, Erz, Steine und Bäume Sicherheit vor aller Gefahr und hernach beweinen sie seinen Tod. Selbst die Zauberei, deren Macht sich hier so oft wirksam zeigt, beruht auf diesem Glauben, von einem allen Dingen inwohnenden Geist, über welchen man Herrschaft erlangen und ausüben kann. Der Gegensatz des Guten und Bösen ist häufig durch schwarz und weiß, Licht und Finsterniß ausgedrückt. Die guten, Hilfe bringenden Geister sind fast immer weiße Vögel, und werden sie genannt: die reinen, gallenlosen Tauben; die bösen aber und Unheil verkündenden, sind schwarze Raben. Es sind die schwarzen und weißen Alfen der nordischen Mythologie, welche die höchsten Götter eben so unterscheiden mochte, da Heindal der Weltbestrahler*) der weiße Ase ausdrücklich heißt, und Balder lichtbestrahlend ist. Aber auch bei Menschen wird auf diese Weise der Gegensatz bezeichnet. Das fromme Mädchen wird weiß wie der Tag, das gottlose schwarz wie die Sünde (Nacht). So kennt die Edda Söhne des Tags Dags-synir, megir und die Tochter der Nacht. (Sigurdrifa's Lied Nr. 4. und grönl. Atli'slieder Nr. 61.) und *) Vergl. gloss. edd. I. 553.
Mit dieser Ansicht von einer allbelebten Natur haͤngt auch das Uebergehen in eine andere Gestalt zusammen, und die hier verwandelten Steine, Baͤume, Pflanzen, sind eigentlich geistig belebte. So schwoͤrt auch in der Edda dem Baldur die ganze Natur, nicht bloß Voͤgel und Thiere, sondern auch Feuer, Wasser, Eisen, Erz, Steine und Baͤume Sicherheit vor aller Gefahr und hernach beweinen sie seinen Tod. Selbst die Zauberei, deren Macht sich hier so oft wirksam zeigt, beruht auf diesem Glauben, von einem allen Dingen inwohnenden Geist, uͤber welchen man Herrschaft erlangen und ausuͤben kann. Der Gegensatz des Guten und Boͤsen ist haͤufig durch schwarz und weiß, Licht und Finsterniß ausgedruͤckt. Die guten, Hilfe bringenden Geister sind fast immer weiße Voͤgel, und werden sie genannt: die reinen, gallenlosen Tauben; die boͤsen aber und Unheil verkuͤndenden, sind schwarze Raben. Es sind die schwarzen und weißen Alfen der nordischen Mythologie, welche die hoͤchsten Goͤtter eben so unterscheiden mochte, da Heindal der Weltbestrahler*) der weiße Ase ausdruͤcklich heißt, und Balder lichtbestrahlend ist. Aber auch bei Menschen wird auf diese Weise der Gegensatz bezeichnet. Das fromme Maͤdchen wird weiß wie der Tag, das gottlose schwarz wie die Suͤnde (Nacht). So kennt die Edda Soͤhne des Tags Dags-synir, megir und die Tochter der Nacht. (Sigurdrifa’s Lied Nr. 4. und groͤnl. Atli’slieder Nr. 61.) und *) Vergl. gloss. edd. I. 553.
<TEI> <text> <front> <div type="preface"> <div n="2"> <pb facs="#f0040" n="XXXII"/> <p> Mit dieser Ansicht von einer allbelebten Natur haͤngt auch das <hi rendition="#g">Uebergehen in eine andere Gestalt</hi> zusammen, und die hier verwandelten Steine, Baͤume, Pflanzen, sind eigentlich geistig belebte. So schwoͤrt auch in der Edda dem Baldur die ganze Natur, nicht bloß Voͤgel und Thiere, sondern auch Feuer, Wasser, Eisen, Erz, Steine und Baͤume Sicherheit vor aller Gefahr und hernach beweinen sie seinen Tod. Selbst die <hi rendition="#g">Zauberei</hi>, deren Macht sich hier so oft wirksam zeigt, beruht auf diesem Glauben, von einem allen Dingen inwohnenden Geist, uͤber welchen man Herrschaft erlangen und ausuͤben kann.</p><lb/> <p>Der Gegensatz des <hi rendition="#g">Guten</hi> und <hi rendition="#g">Boͤsen</hi> ist haͤufig durch <hi rendition="#g">schwarz</hi> und <hi rendition="#g">weiß, Licht</hi> und <hi rendition="#g">Finsterniß</hi> ausgedruͤckt. Die guten, Hilfe bringenden Geister sind fast immer <hi rendition="#g">weiße Voͤgel</hi>, und werden sie genannt: die reinen, gallenlosen Tauben; die boͤsen aber und Unheil verkuͤndenden, sind <hi rendition="#g">schwarze Raben</hi>. Es sind die <hi rendition="#g">schwarzen</hi> und <hi rendition="#g">weißen Alfen</hi> der nordischen Mythologie, welche die hoͤchsten Goͤtter eben so unterscheiden mochte, da Heindal der Weltbestrahler<note place="foot" n="*)">Vergl. <hi rendition="#aq">gloss. edd. I. 553.</hi></note> der <hi rendition="#g">weiße Ase</hi> ausdruͤcklich heißt, und Balder <hi rendition="#g">lichtbestrahlend</hi> ist. Aber auch bei Menschen wird auf diese Weise der Gegensatz bezeichnet. Das fromme Maͤdchen wird weiß wie <hi rendition="#g">der Tag</hi>, das gottlose schwarz wie die Suͤnde <hi rendition="#g">(Nacht)</hi>. So kennt die Edda <hi rendition="#g">Soͤhne des Tags</hi> Dags-synir, megir und die <hi rendition="#g">Tochter der Nacht</hi>. (Sigurdrifa’s Lied Nr. 4. und groͤnl. Atli’slieder Nr. 61.) und </p> </div> </div> </front> </text> </TEI> [XXXII/0040]
Mit dieser Ansicht von einer allbelebten Natur haͤngt auch das Uebergehen in eine andere Gestalt zusammen, und die hier verwandelten Steine, Baͤume, Pflanzen, sind eigentlich geistig belebte. So schwoͤrt auch in der Edda dem Baldur die ganze Natur, nicht bloß Voͤgel und Thiere, sondern auch Feuer, Wasser, Eisen, Erz, Steine und Baͤume Sicherheit vor aller Gefahr und hernach beweinen sie seinen Tod. Selbst die Zauberei, deren Macht sich hier so oft wirksam zeigt, beruht auf diesem Glauben, von einem allen Dingen inwohnenden Geist, uͤber welchen man Herrschaft erlangen und ausuͤben kann.
Der Gegensatz des Guten und Boͤsen ist haͤufig durch schwarz und weiß, Licht und Finsterniß ausgedruͤckt. Die guten, Hilfe bringenden Geister sind fast immer weiße Voͤgel, und werden sie genannt: die reinen, gallenlosen Tauben; die boͤsen aber und Unheil verkuͤndenden, sind schwarze Raben. Es sind die schwarzen und weißen Alfen der nordischen Mythologie, welche die hoͤchsten Goͤtter eben so unterscheiden mochte, da Heindal der Weltbestrahler *) der weiße Ase ausdruͤcklich heißt, und Balder lichtbestrahlend ist. Aber auch bei Menschen wird auf diese Weise der Gegensatz bezeichnet. Das fromme Maͤdchen wird weiß wie der Tag, das gottlose schwarz wie die Suͤnde (Nacht). So kennt die Edda Soͤhne des Tags Dags-synir, megir und die Tochter der Nacht. (Sigurdrifa’s Lied Nr. 4. und groͤnl. Atli’slieder Nr. 61.) und
*) Vergl. gloss. edd. I. 553.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |