Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.nicht an. Da sprach der König wiederum zum Löwen: "du hast mich belogen, es sind Männer, denn sie haben die Spinnräder nicht angesehen." Der Löwe antwortete: "sie habens gewußt, daß sie sollten auf die Probe gestellt werden, und haben sich Gewalt angethan." Sprach der König: "ich glaube dir nun nicht mehr." Die zwölf Jäger aber folgten dem König beständig zur Jagd und er hatte sie je länger, je lieber. Nun geschah es, daß, als sie einmal auf der Jagd waren, die Nachricht kam, die Braut des Königs wäre im Anzug. Wie die rechte Braut das hörte, that ihrs so weh, daß es ihr fast das Herz abstieß, und sie ohnmächtig auf die Erde fiel. Der König meinte, seinem lieben Jäger sey etwas begegnet, lief herzu und wollte ihm helfen und zog ihm den Handschuh aus. Und da erblickte er den Ring, den er seiner ersten Braut gegeben, und wie er ihr recht ins Gesicht sah, erkannte er sie. Da ward sein Herz so gerührt, daß er sie küßte, und als sie die Augen aufschlug, sprach er: "du bist mein und ich bin dein, und kein Mensch auf der Welt kann das ändern." Zu der andern Braut aber schickte er einen Boten und ließ sie bitten in ihr Reich zurückzukehren, denn er habe schon eine Gemahlin, und wer einen alten Schlüssel wiedergefunden habe, brauche den neuen nicht. Darauf ward die Hochzeit gefeiert und der Löwe kam wieder in Gnade, weil er doch die Wahrheit gesagt hatte. nicht an. Da sprach der Koͤnig wiederum zum Loͤwen: „du hast mich belogen, es sind Maͤnner, denn sie haben die Spinnraͤder nicht angesehen.“ Der Loͤwe antwortete: „sie habens gewußt, daß sie sollten auf die Probe gestellt werden, und haben sich Gewalt angethan.“ Sprach der Koͤnig: „ich glaube dir nun nicht mehr.“ Die zwoͤlf Jaͤger aber folgten dem Koͤnig bestaͤndig zur Jagd und er hatte sie je laͤnger, je lieber. Nun geschah es, daß, als sie einmal auf der Jagd waren, die Nachricht kam, die Braut des Koͤnigs waͤre im Anzug. Wie die rechte Braut das hoͤrte, that ihrs so weh, daß es ihr fast das Herz abstieß, und sie ohnmaͤchtig auf die Erde fiel. Der Koͤnig meinte, seinem lieben Jaͤger sey etwas begegnet, lief herzu und wollte ihm helfen und zog ihm den Handschuh aus. Und da erblickte er den Ring, den er seiner ersten Braut gegeben, und wie er ihr recht ins Gesicht sah, erkannte er sie. Da ward sein Herz so geruͤhrt, daß er sie kuͤßte, und als sie die Augen aufschlug, sprach er: „du bist mein und ich bin dein, und kein Mensch auf der Welt kann das aͤndern.“ Zu der andern Braut aber schickte er einen Boten und ließ sie bitten in ihr Reich zuruͤckzukehren, denn er habe schon eine Gemahlin, und wer einen alten Schluͤssel wiedergefunden habe, brauche den neuen nicht. Darauf ward die Hochzeit gefeiert und der Loͤwe kam wieder in Gnade, weil er doch die Wahrheit gesagt hatte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0432" n="368"/> nicht an. Da sprach der Koͤnig wiederum zum Loͤwen: „du hast mich belogen, es sind Maͤnner, denn sie haben die Spinnraͤder nicht angesehen.“ Der Loͤwe antwortete: „sie habens gewußt, daß sie sollten auf die Probe gestellt werden, und haben sich Gewalt angethan.“ Sprach der Koͤnig: „ich glaube dir nun nicht mehr.“</p><lb/> <p>Die zwoͤlf Jaͤger aber folgten dem Koͤnig bestaͤndig zur Jagd und er hatte sie je laͤnger, je lieber. Nun geschah es, daß, als sie einmal auf der Jagd waren, die Nachricht kam, die Braut des Koͤnigs waͤre im Anzug. Wie die rechte Braut das hoͤrte, that ihrs so weh, daß es ihr fast das Herz abstieß, und sie ohnmaͤchtig auf die Erde fiel. Der Koͤnig meinte, seinem lieben Jaͤger sey etwas begegnet, lief herzu und wollte ihm helfen und zog ihm den Handschuh aus. Und da erblickte er den Ring, den er seiner ersten Braut gegeben, und wie er ihr recht ins Gesicht sah, erkannte er sie. Da ward sein Herz so geruͤhrt, daß er sie kuͤßte, und als sie die Augen aufschlug, sprach er: „du bist mein und ich bin dein, und kein Mensch auf der Welt kann das aͤndern.“ Zu der andern Braut aber schickte er einen Boten und ließ sie bitten in ihr Reich zuruͤckzukehren, denn er habe schon eine Gemahlin, und wer einen alten Schluͤssel wiedergefunden habe, brauche den neuen nicht. Darauf ward die Hochzeit gefeiert und der Loͤwe kam wieder in Gnade, weil er doch die Wahrheit gesagt hatte.</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [368/0432]
nicht an. Da sprach der Koͤnig wiederum zum Loͤwen: „du hast mich belogen, es sind Maͤnner, denn sie haben die Spinnraͤder nicht angesehen.“ Der Loͤwe antwortete: „sie habens gewußt, daß sie sollten auf die Probe gestellt werden, und haben sich Gewalt angethan.“ Sprach der Koͤnig: „ich glaube dir nun nicht mehr.“
Die zwoͤlf Jaͤger aber folgten dem Koͤnig bestaͤndig zur Jagd und er hatte sie je laͤnger, je lieber. Nun geschah es, daß, als sie einmal auf der Jagd waren, die Nachricht kam, die Braut des Koͤnigs waͤre im Anzug. Wie die rechte Braut das hoͤrte, that ihrs so weh, daß es ihr fast das Herz abstieß, und sie ohnmaͤchtig auf die Erde fiel. Der Koͤnig meinte, seinem lieben Jaͤger sey etwas begegnet, lief herzu und wollte ihm helfen und zog ihm den Handschuh aus. Und da erblickte er den Ring, den er seiner ersten Braut gegeben, und wie er ihr recht ins Gesicht sah, erkannte er sie. Da ward sein Herz so geruͤhrt, daß er sie kuͤßte, und als sie die Augen aufschlug, sprach er: „du bist mein und ich bin dein, und kein Mensch auf der Welt kann das aͤndern.“ Zu der andern Braut aber schickte er einen Boten und ließ sie bitten in ihr Reich zuruͤckzukehren, denn er habe schon eine Gemahlin, und wer einen alten Schluͤssel wiedergefunden habe, brauche den neuen nicht. Darauf ward die Hochzeit gefeiert und der Loͤwe kam wieder in Gnade, weil er doch die Wahrheit gesagt hatte.
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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