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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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zum Brunnen zurück, schöpfte aufs neue Wasser und war doch noch zehn Minuten eher als die Königstochter daheim und gewann sie also seinem Herrn. "Seht ihr, sprach er, jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher wars gar kein Laufen zu nennen."

Den König aber kränkte es, und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner, abgedankter Soldat davon tragen sollte, und sie rathschlagten mit einander, wie sie ihn sammt seinen Gesellen los würden. Da sprach der König zu ihr: "ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang seyn, sie sollen nicht wieder heim kommen." Und sprach zu ihnen: "ihr sollt euch nun zusammen lustig machen, essen und trinken;" und führte sie zu einer Stube, die hatte einen Boden von Eisen und die Thüren waren auch von Eisen und die Fenster waren mit eisernen Stäben verwahrt. Jn der Stube war eine Tafel mit köstlichen Speisen besetzt, da sprach der König zu ihnen: "nun geht hinein und laßts euch wohl seyn;" und wie sie darin waren, ließ er die Thüre verschließen und verriegeln. Dann ließ er den Koch kommen und befahl ihm, ein Feuer so lang unter die Stube zu machen, bis das Eisen glühend würde. Das that der Koch und es fing an und ward den sechsen in der Stube, während sie an der Tafel saßen, ganz warm und sie meinten, das käme vom Essen, als aber die Hitze immer größer ward und sie hinaus wollten, Thüre und Fenster aber verschlossen fanden, da merkten sie, daß der König Böses im Sinne gehabt und sie ersticken wollte. "Es soll ihm aber nicht gelingen," sprach der mit dem Hütchen, "ich will einen Frost kommen lassen, vor dem sich das Feuer schämen und verkriechen soll." Da

zum Brunnen zuruͤck, schoͤpfte aufs neue Wasser und war doch noch zehn Minuten eher als die Koͤnigstochter daheim und gewann sie also seinem Herrn. „Seht ihr, sprach er, jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher wars gar kein Laufen zu nennen.“

Den Koͤnig aber kraͤnkte es, und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner, abgedankter Soldat davon tragen sollte, und sie rathschlagten mit einander, wie sie ihn sammt seinen Gesellen los wuͤrden. Da sprach der Koͤnig zu ihr: „ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang seyn, sie sollen nicht wieder heim kommen.“ Und sprach zu ihnen: „ihr sollt euch nun zusammen lustig machen, essen und trinken;“ und fuͤhrte sie zu einer Stube, die hatte einen Boden von Eisen und die Thuͤren waren auch von Eisen und die Fenster waren mit eisernen Staͤben verwahrt. Jn der Stube war eine Tafel mit koͤstlichen Speisen besetzt, da sprach der Koͤnig zu ihnen: „nun geht hinein und laßts euch wohl seyn;“ und wie sie darin waren, ließ er die Thuͤre verschließen und verriegeln. Dann ließ er den Koch kommen und befahl ihm, ein Feuer so lang unter die Stube zu machen, bis das Eisen gluͤhend wuͤrde. Das that der Koch und es fing an und ward den sechsen in der Stube, waͤhrend sie an der Tafel saßen, ganz warm und sie meinten, das kaͤme vom Essen, als aber die Hitze immer groͤßer ward und sie hinaus wollten, Thuͤre und Fenster aber verschlossen fanden, da merkten sie, daß der Koͤnig Boͤses im Sinne gehabt und sie ersticken wollte. „Es soll ihm aber nicht gelingen,“ sprach der mit dem Huͤtchen, „ich will einen Frost kommen lassen, vor dem sich das Feuer schaͤmen und verkriechen soll.“ Da

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[382/0446] zum Brunnen zuruͤck, schoͤpfte aufs neue Wasser und war doch noch zehn Minuten eher als die Koͤnigstochter daheim und gewann sie also seinem Herrn. „Seht ihr, sprach er, jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher wars gar kein Laufen zu nennen.“ Den Koͤnig aber kraͤnkte es, und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner, abgedankter Soldat davon tragen sollte, und sie rathschlagten mit einander, wie sie ihn sammt seinen Gesellen los wuͤrden. Da sprach der Koͤnig zu ihr: „ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang seyn, sie sollen nicht wieder heim kommen.“ Und sprach zu ihnen: „ihr sollt euch nun zusammen lustig machen, essen und trinken;“ und fuͤhrte sie zu einer Stube, die hatte einen Boden von Eisen und die Thuͤren waren auch von Eisen und die Fenster waren mit eisernen Staͤben verwahrt. Jn der Stube war eine Tafel mit koͤstlichen Speisen besetzt, da sprach der Koͤnig zu ihnen: „nun geht hinein und laßts euch wohl seyn;“ und wie sie darin waren, ließ er die Thuͤre verschließen und verriegeln. Dann ließ er den Koch kommen und befahl ihm, ein Feuer so lang unter die Stube zu machen, bis das Eisen gluͤhend wuͤrde. Das that der Koch und es fing an und ward den sechsen in der Stube, waͤhrend sie an der Tafel saßen, ganz warm und sie meinten, das kaͤme vom Essen, als aber die Hitze immer groͤßer ward und sie hinaus wollten, Thuͤre und Fenster aber verschlossen fanden, da merkten sie, daß der Koͤnig Boͤses im Sinne gehabt und sie ersticken wollte. „Es soll ihm aber nicht gelingen,“ sprach der mit dem Huͤtchen, „ich will einen Frost kommen lassen, vor dem sich das Feuer schaͤmen und verkriechen soll.“ Da

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/446>, abgerufen am 22.11.2024.