Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.Er legte das Brot neben sich, nähte weiter, und machte vor Freude immer größere Stiche. Jndeß stieg der Geruch von dem süßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so daß sie herangelockt wurden, und sich scharenweis darauf nieder ließen. 'Ei, wer hat euch eingeladen?' sprach das Schneiderlein, und jagte die ungebetenen Gäste fort. Die Fliegen aber, die kein deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer größerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus über die Leber, es langte aus seiner Hölle nach einem Tuchlappen, und 'wart, ich will es euch geben!' schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zählte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm todt, und streckten die Beine. 'Bist du so ein Kerl?' sprach er, und mußte selbst seine Tapferkeit bewundern, 'das soll die ganze Stadt erfahren.' Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Gürtel, nähte ihn, und stickte mit großen Buchstaben darauf 'siebene auf einen Streich!' 'Ei was Stadt!' sprach er weiter, 'die ganze Welt solls erfahren!' und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen. Der Schneider band sich den Gürtel um den Leib, und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte die Werkstätte sey zu klein für seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum ob nichts da wäre, was er mitnehmen könnte, er fand nichts als einen alten Käs, den er einsteckte. Vor dem Thore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gesträuch gefangen hatte, der mußte zu dem Käse in die Tasche. Nun nahm er den Weg Er legte das Brot neben sich, naͤhte weiter, und machte vor Freude immer groͤßere Stiche. Jndeß stieg der Geruch von dem suͤßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so daß sie herangelockt wurden, und sich scharenweis darauf nieder ließen. ‘Ei, wer hat euch eingeladen?’ sprach das Schneiderlein, und jagte die ungebetenen Gaͤste fort. Die Fliegen aber, die kein deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer groͤßerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus uͤber die Leber, es langte aus seiner Hoͤlle nach einem Tuchlappen, und ‘wart, ich will es euch geben!’ schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zaͤhlte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm todt, und streckten die Beine. ‘Bist du so ein Kerl?’ sprach er, und mußte selbst seine Tapferkeit bewundern, ‘das soll die ganze Stadt erfahren.’ Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Guͤrtel, naͤhte ihn, und stickte mit großen Buchstaben darauf ‘siebene auf einen Streich!’ ‘Ei was Stadt!’ sprach er weiter, ‘die ganze Welt solls erfahren!’ und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Laͤmmerschwaͤnzchen. Der Schneider band sich den Guͤrtel um den Leib, und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte die Werkstaͤtte sey zu klein fuͤr seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum ob nichts da waͤre, was er mitnehmen koͤnnte, er fand nichts als einen alten Kaͤs, den er einsteckte. Vor dem Thore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gestraͤuch gefangen hatte, der mußte zu dem Kaͤse in die Tasche. Nun nahm er den Weg <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0157" n="126"/> Er legte das Brot neben sich, naͤhte weiter, und machte vor Freude immer groͤßere Stiche. Jndeß stieg der Geruch von dem suͤßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so daß sie herangelockt wurden, und sich scharenweis darauf nieder ließen. ‘Ei, wer hat euch eingeladen?’ sprach das Schneiderlein, und jagte die ungebetenen Gaͤste fort. Die Fliegen aber, die kein deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer groͤßerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus uͤber die Leber, es langte aus seiner Hoͤlle nach einem Tuchlappen, und ‘wart, ich will es euch geben!’ schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zaͤhlte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm todt, und streckten die Beine. ‘Bist du so ein Kerl?’ sprach er, und mußte selbst seine Tapferkeit bewundern, ‘das soll die ganze Stadt erfahren.’ Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Guͤrtel, naͤhte ihn, und stickte mit großen Buchstaben darauf ‘siebene auf einen Streich!’ ‘Ei was Stadt!’ sprach er weiter, ‘die ganze Welt solls erfahren!’ und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Laͤmmerschwaͤnzchen.</p><lb/> <p>Der Schneider band sich den Guͤrtel um den Leib, und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte die Werkstaͤtte sey zu klein fuͤr seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum ob nichts da waͤre, was er mitnehmen koͤnnte, er fand nichts als einen alten Kaͤs, den er einsteckte. Vor dem Thore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gestraͤuch gefangen hatte, der mußte zu dem Kaͤse in die Tasche. Nun nahm er den Weg </p> </div> </body> </text> </TEI> [126/0157]
Er legte das Brot neben sich, naͤhte weiter, und machte vor Freude immer groͤßere Stiche. Jndeß stieg der Geruch von dem suͤßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so daß sie herangelockt wurden, und sich scharenweis darauf nieder ließen. ‘Ei, wer hat euch eingeladen?’ sprach das Schneiderlein, und jagte die ungebetenen Gaͤste fort. Die Fliegen aber, die kein deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer groͤßerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus uͤber die Leber, es langte aus seiner Hoͤlle nach einem Tuchlappen, und ‘wart, ich will es euch geben!’ schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zaͤhlte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm todt, und streckten die Beine. ‘Bist du so ein Kerl?’ sprach er, und mußte selbst seine Tapferkeit bewundern, ‘das soll die ganze Stadt erfahren.’ Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Guͤrtel, naͤhte ihn, und stickte mit großen Buchstaben darauf ‘siebene auf einen Streich!’ ‘Ei was Stadt!’ sprach er weiter, ‘die ganze Welt solls erfahren!’ und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Laͤmmerschwaͤnzchen.
Der Schneider band sich den Guͤrtel um den Leib, und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte die Werkstaͤtte sey zu klein fuͤr seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum ob nichts da waͤre, was er mitnehmen koͤnnte, er fand nichts als einen alten Kaͤs, den er einsteckte. Vor dem Thore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gestraͤuch gefangen hatte, der mußte zu dem Kaͤse in die Tasche. Nun nahm er den Weg
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