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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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in die Finger, und zerstieß sich die Hand an der Dornhecke. Danach warf sie die Spuhle in den Brunnen, und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese, und gieng auf demselbem Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brod wieder 'ach, zieh mich raus, zieh mich raus sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.' Die Faule aber antwortete 'da hätt ich Lust mich schmutzig zu machen.' und gieng fort. Bald kam sie zu dem Aepfelbaum, der rief 'ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.' Sie antwortete aber 'du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen,' und gieng damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag that sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fieng sie schon an zu faullenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen: sie machte auch der Frau Holle das Bett schlecht, und schüttelte es nicht daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde, und sagte der Faulen den Dienst auf. Die war es wohl zufrieden, und meinte nun werde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Thor, als sie aber darunter stand, ward statt des Golds ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. 'Das ist zur Belohnung deiner Dienste' sagte die Frau Holle, und schloß das Thor zu. Da kam die Faule

in die Finger, und zerstieß sich die Hand an der Dornhecke. Danach warf sie die Spuhle in den Brunnen, und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schoͤne Wiese, und gieng auf demselbem Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brod wieder ‘ach, zieh mich raus, zieh mich raus sonst verbrenn ich, ich bin schon laͤngst ausgebacken.’ Die Faule aber antwortete ‘da haͤtt ich Lust mich schmutzig zu machen.’ und gieng fort. Bald kam sie zu dem Aepfelbaum, der rief ‘ach, schuͤttel mich, schuͤttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.’ Sie antwortete aber ‘du kommst mir recht, es koͤnnte mir einer auf den Kopf fallen,’ und gieng damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fuͤrchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zaͤhnen schon gehoͤrt hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag that sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken wuͤrde; am zweiten Tag aber fieng sie schon an zu faullenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen: sie machte auch der Frau Holle das Bett schlecht, und schuͤttelte es nicht daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald muͤde, und sagte der Faulen den Dienst auf. Die war es wohl zufrieden, und meinte nun werde der Goldregen kommen; die Frau Holle fuͤhrte sie auch zu dem Thor, als sie aber darunter stand, ward statt des Golds ein großer Kessel voll Pech ausgeschuͤttet. ‘Das ist zur Belohnung deiner Dienste’ sagte die Frau Holle, und schloß das Thor zu. Da kam die Faule

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[157/0188] in die Finger, und zerstieß sich die Hand an der Dornhecke. Danach warf sie die Spuhle in den Brunnen, und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schoͤne Wiese, und gieng auf demselbem Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brod wieder ‘ach, zieh mich raus, zieh mich raus sonst verbrenn ich, ich bin schon laͤngst ausgebacken.’ Die Faule aber antwortete ‘da haͤtt ich Lust mich schmutzig zu machen.’ und gieng fort. Bald kam sie zu dem Aepfelbaum, der rief ‘ach, schuͤttel mich, schuͤttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.’ Sie antwortete aber ‘du kommst mir recht, es koͤnnte mir einer auf den Kopf fallen,’ und gieng damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fuͤrchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zaͤhnen schon gehoͤrt hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag that sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken wuͤrde; am zweiten Tag aber fieng sie schon an zu faullenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen: sie machte auch der Frau Holle das Bett schlecht, und schuͤttelte es nicht daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald muͤde, und sagte der Faulen den Dienst auf. Die war es wohl zufrieden, und meinte nun werde der Goldregen kommen; die Frau Holle fuͤhrte sie auch zu dem Thor, als sie aber darunter stand, ward statt des Golds ein großer Kessel voll Pech ausgeschuͤttet. ‘Das ist zur Belohnung deiner Dienste’ sagte die Frau Holle, und schloß das Thor zu. Da kam die Faule

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/188>, abgerufen am 26.05.2024.