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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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Schloß. Da ließ er ihm reiche Kleider anthun, und es strahlte in seiner Schönheit wie der helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm herauszubringen. Er setzte es bei Tisch an seine Seite, und seine bescheidenen Mienen und Sittsamkeit gefielen ihm so sehr daß er sprach 'diese begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt,' und nach einigen Tagen vermählte er sich mit ihr.

Der König aber hatte eine böse Mutter, die war unzufrieden mit dieser Heirath und sprach schlecht von der jungen Königin. 'Wer weiß, wo die Dirne her ist,' sagte sie, 'die nicht reden kann: sie ist eines Königs nicht würdig.' Ueber ein Jahr, als die Königin das erste Kind zur Welt brachte, nahm es ihr die Alte weg, und bestrich ihr im Schlafe den Mund mit Blut. Dann gieng sie zum König, und klagte sie an, sie sey eine Menschenfresserin. Der König wollte es nicht glauben, und litt nicht daß man ihr ein Leid anthat. Sie saß aber beständig, und nähte an den Hemden, und achtete auf nichts anderes. Das nächstemal, als sie wieder einen schönen Knaben gebar, übte die falsche Schwiegermutter denselben Betrug aus, aber der König konnte sich nicht entschließen ihren Reden Glauben beizumessen, und sprach 'sie ist zu fromm und gut als daß sie so etwas thun könnte, wäre sie nicht stumm, und könnte sie sich vertheidigen, so würde ihre Unschuld an den Tag kommen.' Als aber das drittemal die Alte das neugeborne Kind raubte, und die Königin anklagte, die kein Wort zu ihrer Vertheidigung vorbrachte, so konnte der König nicht anders, er mußte sie dem Gericht übergeben, und das verurtheilte sie den Tod durchs Feuer zu erleiden.

Schloß. Da ließ er ihm reiche Kleider anthun, und es strahlte in seiner Schoͤnheit wie der helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm herauszubringen. Er setzte es bei Tisch an seine Seite, und seine bescheidenen Mienen und Sittsamkeit gefielen ihm so sehr daß er sprach ‘diese begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt,’ und nach einigen Tagen vermaͤhlte er sich mit ihr.

Der Koͤnig aber hatte eine boͤse Mutter, die war unzufrieden mit dieser Heirath und sprach schlecht von der jungen Koͤnigin. ‘Wer weiß, wo die Dirne her ist,’ sagte sie, ‘die nicht reden kann: sie ist eines Koͤnigs nicht wuͤrdig.’ Ueber ein Jahr, als die Koͤnigin das erste Kind zur Welt brachte, nahm es ihr die Alte weg, und bestrich ihr im Schlafe den Mund mit Blut. Dann gieng sie zum Koͤnig, und klagte sie an, sie sey eine Menschenfresserin. Der Koͤnig wollte es nicht glauben, und litt nicht daß man ihr ein Leid anthat. Sie saß aber bestaͤndig, und naͤhte an den Hemden, und achtete auf nichts anderes. Das naͤchstemal, als sie wieder einen schoͤnen Knaben gebar, uͤbte die falsche Schwiegermutter denselben Betrug aus, aber der Koͤnig konnte sich nicht entschließen ihren Reden Glauben beizumessen, und sprach ‘sie ist zu fromm und gut als daß sie so etwas thun koͤnnte, waͤre sie nicht stumm, und koͤnnte sie sich vertheidigen, so wuͤrde ihre Unschuld an den Tag kommen.’ Als aber das drittemal die Alte das neugeborne Kind raubte, und die Koͤnigin anklagte, die kein Wort zu ihrer Vertheidigung vorbrachte, so konnte der Koͤnig nicht anders, er mußte sie dem Gericht uͤbergeben, und das verurtheilte sie den Tod durchs Feuer zu erleiden.

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[296/0327] Schloß. Da ließ er ihm reiche Kleider anthun, und es strahlte in seiner Schoͤnheit wie der helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm herauszubringen. Er setzte es bei Tisch an seine Seite, und seine bescheidenen Mienen und Sittsamkeit gefielen ihm so sehr daß er sprach ‘diese begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt,’ und nach einigen Tagen vermaͤhlte er sich mit ihr. Der Koͤnig aber hatte eine boͤse Mutter, die war unzufrieden mit dieser Heirath und sprach schlecht von der jungen Koͤnigin. ‘Wer weiß, wo die Dirne her ist,’ sagte sie, ‘die nicht reden kann: sie ist eines Koͤnigs nicht wuͤrdig.’ Ueber ein Jahr, als die Koͤnigin das erste Kind zur Welt brachte, nahm es ihr die Alte weg, und bestrich ihr im Schlafe den Mund mit Blut. Dann gieng sie zum Koͤnig, und klagte sie an, sie sey eine Menschenfresserin. Der Koͤnig wollte es nicht glauben, und litt nicht daß man ihr ein Leid anthat. Sie saß aber bestaͤndig, und naͤhte an den Hemden, und achtete auf nichts anderes. Das naͤchstemal, als sie wieder einen schoͤnen Knaben gebar, uͤbte die falsche Schwiegermutter denselben Betrug aus, aber der Koͤnig konnte sich nicht entschließen ihren Reden Glauben beizumessen, und sprach ‘sie ist zu fromm und gut als daß sie so etwas thun koͤnnte, waͤre sie nicht stumm, und koͤnnte sie sich vertheidigen, so wuͤrde ihre Unschuld an den Tag kommen.’ Als aber das drittemal die Alte das neugeborne Kind raubte, und die Koͤnigin anklagte, die kein Wort zu ihrer Vertheidigung vorbrachte, so konnte der Koͤnig nicht anders, er mußte sie dem Gericht uͤbergeben, und das verurtheilte sie den Tod durchs Feuer zu erleiden.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/327>, abgerufen am 22.11.2024.